Deutschlands Verhandlungsführerin Jennifer Morgan beim Eröffnungsplenum des Klimagipfels in Dubai. (Bild: Mike Muzurakis/​IISD/​ENB)

Worum geht es auf dem Klimagipfel Nummer 28 in Dubai? Um den globalen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas? Sicher. Um die globale Verdreifachung erneuerbarer Energien bis 2030? Auf jeden Fall auch darum.

123 Länder, fast zwei Drittel der Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens, haben bis zum gestrigen Mittwochmittag das Ziel der Verdreifachung unterstützt, frohlockte die deutsche Verhandlungsführerin Jennifer Morgan. "Damit wird klar: Ein Großteil der Weltgemeinschaft will voranschreiten", sagte die Staatssekretärin im Außenamt gestern in Dubai anlässlich der Gipfel-Halbzeit.

Nach dem Willen der deutschen Delegation soll die Verdreifachung der Erneuerbaren möglichst verpflichtend in der Abschlusserklärung festgeschrieben werden, "inklusive des sozial gerechten Ausstiegs aus den fossilen Energien", wie Morgan betonte.

Der Erneuerbaren-Boom gilt als ein Momentum des Gipfels. Das zu verankern hat Morgan noch eine Woche Zeit. "Ein gutes Ergebnis ist noch möglich, aber es wird nicht einfach", sagte sie.

Über erneuerbare Energien redet die deutsche Delegation in Dubai gern. Da läuft es zu Hause auch ziemlich gut. Weniger gern wird über die Probleme gesprochen, die den Klimaverhandlern derzeit aus der Heimat diktiert werden: Haushaltssperre, Förderstopps, Sparzwang 2024.

Debatte um den 100-Millionen-Dollar-Coup

Bei keinem anderen Klimagipfel zuvor mussten sich deutsche Verhandler permanent dafür rechtfertigen, warum die Delegation so groß sein muss, und sogar die Frage beantworten, ob sie fossile Lobbyisten mit an Bord haben. Die Antwort klang nach: keine.

Vor allem müssen sie immer wieder erklären, warum Deutschland zum Gipfelauftakt so mir nichts dir nichts 100 Millionen Dollar für "Loss and Damage" aus der Tasche zauberte – für den Fonds, mit dem klimawandelbedingte Verluste und Schäden vor allem in Ländern des globalen Südens ausgeglichen werden sollen, und zwar von den Verursachern, den Industrieländern.

Für die deutsche Klimapolitik in Dubai sind die 100 Millionen ein Coup erster Klasse. Klimagipfel-Urgestein Jochen Flasbarth, nun Staatssekretär im Entwicklungsministerium, wird nicht müde zu erzählen, wie die Verhandlungen um den Loss-and-Damage-Fonds eigentlich schon gescheitert waren, als die gastgebenden Emirate eine zusätzliche Runde im November organisierten, bei der der Fonds doch noch endgültig zustande kam.

An dem Punkt hatten sich Deutschland und die Emirate dann offenbar entschlossen, ein "Momentum" für den Klimagipfel zu schaffen und zum Gipfelauftakt als erste Länder – eines aus dem Norden und eines aus dem Süden – jeweils 100 Millionen für den Fonds beizusteuern.

Flasbarth: Es geht um die größte Transformation

Zu Hause in Deutschland kam das "Momentum" aber ganz anders an. Warum werden 100 Millionen Dollar für etwas ausgegeben, von dem wir nichts haben? So fragten Leute und einige Medien.

COP 28 in Dubai

Bei der 28. UN-Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten geht es um ein verbindliches Ausstiegsdatum aus den fossilen Energien. Klimareporter° ist mit einem Team vor Ort und berichtet mehrmals täglich.

Flasbarth ist darüber beinahe erbost. Beim Klimagipfel geht es für ihn um die größte Transformation der Welt und längst nicht mehr nur darum, Technik auszutauschen oder Märkte umzugestalten.

Er illustrierte das am Mittwoch anhand der von Deutschland angestrebten Wasserstoff-Einfuhren. Zwei Drittel des nötigen grünen Wasserstoffs will die Bundesregierung künftig importieren.

Bei den Importprojekten sei es wichtig, dass auch die Bevölkerung der Partnerländer einen Nutzen davon hat, erklärte Flasbarth. So könne eine neue Wasserstoff-Infrastruktur zum Beispiel zu enormem Zuzug in die entstehenden Industrieregionen führen. "Darum begleiten wir solche Projekte auch mit städtebaulicher Beratung. Denn wir wollen, dass die ganze Gesellschaft von der Energiewende profitiert und nicht etwa neue Armenviertel entstehen", betonte der Staatssekretär.

Klima ist jetzt die Zukunft

Sein "Momentum" ist am Ende ein soziales. Klimaschutz ist von einem Thema, bei dem es um die CO2-Konzentration, um Kipppunkte oder um die Frage geht, ob die Welt mit einem CO2-Preis oder mit CO2-Speicherung zu retten sei, schon lange zu einem Querschnittsthema geworden: Es betrifft auch Wohnen, Ernährung, Mobilität und sogar Kultur.

Inzwischen ist Klima noch mehr: ein Zukunftsthema, von dem alle betroffen sind und bei dem am Ende alle mitgenommen werden müssen, wie auch Flasbarth betont – und das nicht nur national, sondern auch international. Die Klimaforscherin Friederike Otto drückt es so aus: Das Pariser Klimaabkommen ist im Kern ein Menschenrechtsabkommen.

Diese Sicht prägt auch die am selben Tag vom Bundeskabinett beschlossene Klimaaußenpolitik-Strategie. "Wohlstand sowie wirtschaftliche und soziale Entwicklung bei der Bekämpfung der Klimakrise zusammenzubringen, bildet den Kern der deutschen Klimaaußenpolitik", heißt es in dem 75-seitigen Papier. Von Treibhausgasen ist im politischen "Kern" nicht mehr viel die Rede.

Für die deutsche Delegation stellt die Verabschiedung der Außenstrategie zur Gipfel-Halbzeit eine Art Punktlandung dar. Beobachter meinen hingegen, die Halbzeit sei eher die letzte Chance für so ein "Momentum".

Finanzzwänge bestimmen Klimaaußenpolitik

Die aktuellen Finanzzwänge prägen auch die vorgelegte Strategie. Mehr Geldmittel und Stellen zur Umsetzung der Klimaaußenpolitik sind offenbar nicht eingeplant. Es solle vor allem eine "Priorisierung" der Klimapolitik in der Arbeit geben, erläuterte Jennifer Morgan das Vorgehen.

Und so warnt Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland auch schon, die neue Klimaaußenpolitik verlöre jede Wirkung, sollte die aktuelle Haushaltskrise der Ampel-Regierung in ein Kaputtsparen des internationalen und nationalen Klimaschutzes münden. Deshalb müssten sich nun alle demokratischen Parteien des Bundestages auf ein grundgesetzlich abgesichertes Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Klimaschutz und Innovation verständigen.

 

Eine Klimaaußenpolitik zu betreiben, findet Jule Könneke von der Stiftung Wissenschaft und Politik richtig. In den Verhandlungsräumen auf dem Klimagipfel werde deutlich, dass der Umgang mit den aktuellen geo- und wirtschaftspolitischen Krisen das Vertrauen der Partner gemindert habe. Das sei durch den Krieg zwischen Israel und der Hamas noch verschärft worden, warnt die Expertin.

Auch seien die Gipfel-Verhandlungen seit dem ersten Tag von handelspolitischen Spannungen geprägt, die sich zu einem Streitpunkt entwickeln könnten, so Könneke weiter. In der Kritik stehe dabei besonders der von der EU geplante CO2-Grenzausgleichsmechanismus, der ärmere Länder benachteilige.

Auf das "Momentum", um diese Hürde zu beseitigen, wartet der Gipfel noch.

Redaktioneller Hinweis: Friederike Otto gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.

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