Am Mittwoch hat die Europäische Kommission ihr Fit-for-55-Paket vorgestellt. Dazu gehört der Vorschlag für einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus, der Importe in die Europäische Union mit einer Abgabe belastet, die ihrem CO2-Gehalt entspricht.
Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte dieses Instrument vor zwei Jahren als Teil des "Green Deal" angekündigt, um in der EU anspruchsvollere klimapolitische Ziele verfolgen zu können, ohne dass energieintensive Sektoren ihre CO2-Emissionen ins Ausland verlagern ("Carbon Leakage").
Die Gesetzesvorlage muss nun im Detail durch die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament ausbuchstabiert werden.
Dabei sollte der Fokus neben der klimapolitischen Effektivität auch auf den außenpolitischen Wirkungen liegen. Denn internationale Kooperation ist der Schlüssel zum Erfolg eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus und muss daher eine zentrale Rolle für die Entscheidungen der europäischen Gesetzgeber spielen.
Die EU sendet mit ihrem Vorstoß klare Signale nach außen und will sich erneut als globale Vorreiterin in der Klimapolitik positionieren. Doch auf dem internationalen Parkett gibt es bereits zahlreiche negative Reaktionen auf das Vorhaben. Dabei gibt es drei Lesarten.
Die erste lautet, dass die EU den Mechanismus einführen will, um die heimische Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Eine zweite Lesart ist, dass die EU keine Rücksicht auf negative Konsequenzen für den Handel mit kleinen und armen Ländern nimmt. Drittens, so der Anschein, ist die EU vor allem daran interessiert, mit der CO2-Grenzabgabe ihre Kassen zu füllen.
Clara Brandi
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn. Die Ökonomin ist zudem Dozentin an der Universität Duisburg-Essen.
Wie könnte der Grenzausgleichs-Vorstoß verbessert werden?
Erstens: Im nun anstehenden EU-Gesetzgebungsprozess muss der Hauptzweck des Grenzausgleichs, nämlich der Klimaschutz, klar im Mittelpunkt stehen und international auch vermittelt werden.
Der Grenzausgleichs-Entwurf erweitert die Logik des bestehenden EU-Emissionshandelssystems, indem die Importeure für im Ausland erworbene Güter aus fünf Branchen – Stahl, Zement, Dünger, Aluminium und Strom – den aktuellen Preis für CO2-Zertifikate zahlen sollen.
Das soll anhand von Emissionsdaten aus dem Ausland geschehen. Dieses Vorgehen braucht Kooperationsbereitschaft und eine Einbettung in die klimapolitische Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern.
Zweitens: Die EU muss garantieren, dass arme Länder vom CO2-Grenzausgleich nicht betroffen sind. Das gebieten sowohl das Gerechtigkeitsprinzip des Pariser Klimaabkommens als auch die Sonderregeln der Welthandelsorganisation WTO für die am wenigsten entwickelten Länder, die Least Developed Countries (LDC).
Möglich ist ein solcher Schritt beispielsweise durch Bagatellklauseln: Wer sehr wenige der betroffenen Güter in die EU liefert, sollte von der Grenzabgabe ausgeklammert werden.
Drittens: Die EU sollte die Einnahmen des CO2-Grenzausgleichs überwiegend für klimapolitische Zwecke im Ausland einplanen. Bei der Verwendung der Einnahmen sollte der Schwerpunkt bei Investitionen in die Dekarbonisierung der fünf genannten Sektoren in den Schwellen- und Entwicklungsländern liegen.
Susanne Dröge
Die Ökonomin forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu den Zusammenhängen zwischen Klimapolitik und Außenhandel, zum Emissionshandel sowie zu Klimasteuern und Grenzausgleichsmaßnahmen.
Möglich sind hier die Einrichtung eines Investitionsfonds oder auch der Aufbau gezielter bilateraler Klimapartnerschaften.
Da internationale Zusammenarbeit der Schlüssel zum Erfolg beim Grenzausgleich ist, sollte die EU ablehnenden Reaktionen im Ausland den Wind aus den Segeln nehmen. Dazu sollten die EU-Kommission, das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten diese Punkte in das weitere Verfahren zum Fit-for-55-Paket einflechten und mit ihren Handelspartnern intensive Gespräche führen.
Dazu gehört auch, dass die EU-Akteure ihr Vorgehen erklären und über Details der Anwendung sowie Ausnahmen für Entwicklungsländer verhandeln. Dann erst wird es gelingen, eine handelspolitische Sanktionsdynamik zu verhindern und den Führungsanspruch sowie die Glaubwürdigkeit der EU in der Klimapolitik weiter zu stärken.