Von Erleichterung und Enttäuschung war die Stimmung im Saal geprägt, als vor drei Wochen auf der Klimakonferenz COP 29 in Baku nach fast anderthalbtägiger Verlängerung der Hammer fiel und damit eine Entscheidung über ein neues internationales Klimafinanzierungsziel, das "New Collective Quantified Goal" (NCQG).
Auf den ersten Blick stellt das neue Klimafinanzierungsziel eine Verdreifachung der 2009 vereinbarten und 2022 erreichten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr auf mindestens 300 Milliarden ab 2035 dar. Dennoch ist die Finanzierung weit davon entfernt, eine ambitionierte Aufstockung der internationalen Klimafinanzierung zu signalisieren.
Die 300 Milliarden, fällig in zehn Jahren, spiegeln auch nicht die Dringlichkeit der benötigten Unterstützung wider. Auch erfordert dieses Ziel keine großen zusätzlichen Anstrengungen der traditionellen Geber, da es die Inflation nicht berücksichtigt und Beiträge aus multilateralen Quellen und dem Privatsektor einschließt.
Insbesondere schließt das neue Ziel – neben freiwilligen Beiträgen von Entwicklungsländern wie China – klimabezogene Finanzmittel der multilateralen Entwicklungsbanken ein, zu denen auch die Schwellenländer beitragen.
Einige Punkte fallen hinter das Paris-Abkommen zurück
Zwar wurde die von den Entwicklungsländern auf der Grundlage wissenschaftlicher Berechnungen ihres Bedarfs angestrebte Klimafinanzierung von 1,3 Billionen Dollar ab 2035 in den Beschlusstext der COP 29 aufgenommen, allerdings nur mit einem unverbindlichen Appell, wonach alle Akteure zusammenarbeiten sollten, um dies zu erreichen.
Der Zeitraum bis 2035 zur Zielerreichung ist viel zur groß bemessen, um nötige Emissionsreduktionen vor 2030 mit einer nicht schuldenbasierten Klimafinanzierung zu unterstützen.
Mariya Aleksandrova
ist Projektleiterin am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn. Die promovierte Klimawissenschaftlerin arbeitet zu Klimarisiko-Governance und Finanzierungsmechanismen.
Beim neuen Klimafinanzierungsziel ging es zudem nicht allein um die Aufstockung der Finanzmittel. Vielmehr soll es auch einen globalen Rahmen schaffen, der eine gerechte Verteilung und einen besseren Zugang zu begrenzten Ressourcen gewährleistet, die Wirksamkeit steigert und Transparenz garantiert.
Einige Passagen des NCQG-Entscheidungstextes scheinen sogar hinter die im Pariser Klimaabkommen getroffenen Vereinbarungen zurückzufallen.
So übersieht die den multilateralen Entwicklungsbanken zugewiesene Rolle, dass diese weder gegenüber den Klimakonferenzen rechenschaftspflichtig sind noch an zentrale Prinzipien der UN-Klimakonvention und des Paris-Abkommens gebunden sind, etwa zur Klimagerechtigkeit.
Zudem enthält die Entscheidung zum NCQG weder einen auf Zuschüssen basierenden Kern der öffentlichen Finanzierung noch Mindestzuwendungen für die am stärksten gefährdeten Länder oder konkrete Ziele, um deren Zugang zur Klimafinanzierung zu verbessern.
"Kreative" Buchführung und Doppelzählungen möglich
Darüber hinaus fehlt eine gezielte Unterstützung für den Umgang mit den Verlusten und Schäden durch den Klimawandel. So besteht die Gefahr, dass die seit Langem bemängelten Probleme des begrenzten Zugangs und der unzureichenden Unterstützung für gefährdete Länder sich noch verstärken.
Schließlich gibt es im NCQG auch keine Vorgaben, die die nötige Transparenz gewährleisten und "kreative Buchführung" oder die Doppelzählung von Entwicklungs- und Klimafinanzierung verhindern könnten. So droht der "Wilde Westen der Klimafinanzierung" noch wilder zu werden.
Im NCQG-Beschluss ist auch die "Baku to Belém Roadmap" verankert. Diese zielt darauf ab, die Klimafinanzierung für Entwicklungsländer nach und nach auf 1,3 Billionen Dollar zu erhöhen. Die Roadmap war von Kolumbien mit der Unterstützung einer Staaten-Allianz aus Lateinamerika, Afrika und Asien eingebracht worden und wird nun von einigen als Mittel zur Mobilisierung und Erhöhung privater Klimafinanzierung gepriesen. Doch dies ist kaum das Hauptziel der Initiatoren.
Vielmehr soll es bei der Roadmap darum gehen, innovative Finanzierungsquellen zu erschließen, besonders durch Instrumente wie Solidaritätsabgaben, die Besteuerung von fossilen Gewinnen des Luft- und Seeverkehrs sowie von "Superreichen". Dadurch ließen sich größere finanzielle Spielräume erschließen, unter anderem für Zuschüsse und vergünstigte Finanzierungen, um die Schuldenlast der Entwicklungsländer zu berücksichtigen.
Die "Baku to Belém Roadmap" resultierte aus der Enttäuschung über die mangelnden Fortschritte, die die Entwicklungsländer auf der COP 29 erzielen konnten, sowie über den unbefriedigenden Umfang des NCQG selbst.
EU muss ihrem Führungsanspruch wieder gerecht werden
Der gefundene Kompromiss beim Finanzziel erscheint auch deshalb fragil, weil bei seiner Aushandlung viel Vertrauen verspielt wurde. Angesichts der bevorstehenden zweiten Trump-Präsidentschaft und ihrer befürchteten Haltung zur Klimapolitik – mangelnde Kooperation, womöglich sogar Obstruktion – ist die EU dringend gefordert, ihrem Führungsanspruch wieder besser gerecht zu werden. Von diesem war in Baku zu wenig zu sehen.
Steffen Bauer
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IDOS. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Steuerungskomitees des Earth System Governance Project und des Forschungsrats der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN).
Zwar stehen auch die europäischen Länder innenpolitisch unter Druck und sehen sich mit Haushaltsbeschränkungen und der Herausforderung durch Rechtspopulisten konfrontiert, die internationales Engagement und damit verbundene Ausgaben unverhohlen infrage stellen. Was in Baku geschah, muss jedoch eher als diplomatisches Versagen bewertet werden.
Die Taktik der EU in Baku, erst in allerletzter Minute eine Zahl für das NCQG auf den Tisch zu legen, wurde weithin kritisiert – auch von der aserbaidschanischen Konferenzpräsidentschaft.
Zudem kam der Versuch der EU, das unbefriedigende Verhandlungsergebnis als Erfolg darzustellen, bei den Entwicklungsländern nicht gut an. Wohlfeile Bewertungen im Sinne von "nicht perfekt, aber ein Fortschritt", die auf fast jede COP zutreffen könnten, bagatellisieren die Bedeutung des Kompromisses von Baku und kommen für die klimavulnerablen Entwicklungsländer einem Affront gleich.
Gemeinsames Verständnis von Klimafinanzierung gesucht
Die EU kann zwar mit dem – ihren Verhandlungszielen im Wesentlichen entsprechenden – Kompromiss zur Klimafinanzierung zufrieden sein. Offenkundig unzufrieden ist sie aber mit den mangelnden Fortschritten beim Arbeitsprogramm zur Emissionsminderung und der fehlenden Unterstützung anderer Länder für ehrgeizigere Ziele zur Treibhausgasreduktion.
Auf der COP 30 in einem Jahr in Brasilien werden sich die Verhandlungen jedoch genau darauf konzentrieren, wie diese Ambitionen gesteigert und beschleunigt werden können, da die Staaten bis dahin turnusgemäß Aktualisierungen ihrer nationalen Klimapläne, der sogenannten NDCs, vorlegen müssen.
Svea Koch
ist Sozialwissenschaftlerin im Forschungsprogramm "Inter- und transnationale Zusammenarbeit" beim IDOS. Die promovierte Politikwissenschaftlerin forscht zu europäischer Klima- und Entwicklungspolitik.
Für viele Entwicklungsländer hängen höhere Klimaziele verständlicherweise in hohem Maße von der Aussicht auf externe finanzielle Unterstützung ab. Das nun beschlossene NCQG gibt ihnen dafür aber keine Sicherheit. Sie dürften deshalb zögern, entsprechenden Erwartungen der EU nachzukommen.
Um dennoch die Unterstützung des globalen Südens für eine ehrgeizigere Emissionsreduzierung zu gewinnen, muss die EU die Belém-Roadmap ernst nehmen und konstruktiv auf legitime Bedenken der Entwicklungsländer eingehen.
Schließlich sind die Defizite der bestehenden Klimafinanz-Architektur nicht dadurch verschwunden, dass man sie in Baku ignoriert hat.
Was sollte die EU jetzt tun angesichts der innenpolitischen Lage und mutmaßlich damit verbundenen Restriktionen gegenüber einer Aufstockung der zuschussbasierten Klimafinanzierung?
Zuvorderst sollte die EU die Belém-Roadmap als Gelegenheit nutzen, um kritische qualitative Aspekte der Klimafinanzierung in Kooperation mit den Entwicklungsländern zu regeln und ein gemeinsames Verständnis davon zu schaffen, was eine gute, bezahlbare, transparente und wirksame Klimafinanzierung ausmacht.
Auf diese Weise könnten alle Parteien die Scherben von Baku aufsammeln und gemeinsam weitergehen. Letztlich müssen sie aufhören, darüber zu streiten, ob das Glas der Klimafinanzierung halb voll oder halb leer ist, sondern praktikable Mittel und Wege finden, es aufzufüllen.