Die Manta-Gemeinschaft in Bangladesch hat durch Flussufer-Erosion ihr Land verloren und lebt seitdem auf ihren Booten. (Bild: Chowdhury Abrar Zahin/​ICCCAD)

Die Auswirkungen des Klimawandels haben allein im Jahr 2022 weltweit mehr als 30 Millionen Menschen innerhalb ihres jeweiligen Landes vertrieben.

Klimagefahren, ausgelöst durch intensivere und häufigere extreme Wetterereignisse – darunter Wirbelstürme, Dürren oder Starkregen – und langsam einsetzende Veränderungen wie der Anstieg des Meeresspiegels zerstören Leben und Lebensgrundlagen und verhindern die Rückkehr der bereits innerhalb ihrer Länder Vertriebenen.

Während die Welt auf dem Weg zu einer globalen Erwärmung von mindestens drei Grad ist, wird das Risiko weiterer Klimagefahren erheblich zunehmen, wenn die derzeitigen Treibhausgasemissionen nicht rasch reduziert werden. Dies wird die Gefährdung der Menschen durch klimabedingte Verluste und Schäden ("Loss and Damage") und das Risiko von Vertreibungen weiter erhöhen, wenn Anpassungsgrenzen erreicht werden.

Vertreibung als Teil von "Loss and Damage"

Obwohl es keine offizielle Definition gibt, wird "Loss and Damage" immer wieder mit den Risiken und negativen Folgen des Klimawandels in Verbindung gebracht, die sowohl aus extremen Wetterereignissen als auch aus langsam einsetzenden Veränderungen resultieren.

Im Allgemeinen sind "Schäden" mit Auswirkungen verbunden, die gemildert oder repariert werden können, wie beispielsweise die Beschädigung von Häusern oder Ernten, wohingegen "Verluste" irreversibel sind und zudem den Verlust von Menschenleben oder Artenvielfalt umfassen.

Neben den ökonomischen gibt es auch nicht-ökonomische Verluste und Schäden (Non-Economic Loss and Damage, NELD). Dazu gehören der Verlust von Menschenleben, kulturellem Erbe, lokalem Wissen oder Ökosystemdienstleistungen.

Während Vertreibung eine Form von Verlusten und Schäden ist, die die Verletzlichkeit aufrechterhält, ist sie selbst auch eine Form von NELD. Vertreibung, die Menschen dazu zwingt, ihre Häuser und Gemeinschaften zu verlassen, beeinträchtigt ihr Wohlergehen, ihre Identität und ihre grundlegenden Menschenrechte.

Landverlust zwingt Menschen in die Städte

Als siebtgefährdetstes Land der Welt trägt Bangladesch nur 0,4 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Während das Land für seine weltweite Führungsrolle bei der Katastrophenvorsorge und der Anpassung an den Klimawandel anerkannt ist, haben schwerwiegende Klimarisiken und -auswirkungen aufgrund langsam einsetzender und extremer Wetterereignisse die Verwundbarkeit von Menschen und Ökosystemen erhöht.

Im Jahr 2022 waren 7,3 Millionen Menschen von den schlimmsten Überschwemmungen seit einem Jahrhundert betroffen, mehr als zwei Millionen mussten ihre Häuser verlassen und in andere Gebiete abwandern.

Überschwemmungen und starke Regenfälle führen zur Erosion der Flussufer, was Verluste und Schäden an Häusern und landwirtschaftlichen Flächen zur Folge hat und jedes Jahr durchschnittlich das Leben von 200.000 Menschen beeinträchtigt. Der Verlust von Land zwingt jedes Jahr Tausende dazu, in die Städte abzuwandern und dort in Slums mit unzureichender oder gar keiner externen Unterstützung zu leben.

Manta-Gemeinschaft ohne Schutz

Die Manta, eine seit Langem bestehende "schwimmende Gemeinschaft" in der südwestlichen Küstenregion Bangladeschs, gehören zu den ältesten Fischergemeinden des Landes.

Seit sie vor Jahrzehnten ihr Land durch Flussufererosion verloren haben, sind die heute etwa 300.000 Manta gezwungen, auf ihren Booten zu leben. Ohne Schutz sind sie durch das Leben auf dem Fluss bei Extremwetterereignissen wie starken Regenfällen oder Zyklonen besonders gefährdet.

Bild: privat

Charlotte Kaeppel

arbeitet als unabhängige Beraterin und ist Gast­forscherin am Inter­national Centre for Climate Change and Development (ICCCAD) in Dhaka, wo sie an Forschungs­projekten zu klima­bedingten Schäden und Verlusten und lokal gesteuerter Anpassung beteiligt ist. Zuvor war sie für nationale und inter­nationale Organisationen in der Friedens­förderung und Konflikt­transformation tätig. 

"Jedes Mal, wenn sich ein Sturm zusammenbraut, müssen wir auf kleinere Flussarme ausweichen, um nicht in Sturmfluten zu kentern. Für die meisten von uns führt die häufige Durchnässung zu Krankheiten, da für unseren Stamm keine Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung stehen", erzählt eine Frau der Gemeinde.

Da sie keinen festen Wohnsitz haben, steht den Manta keine staatliche Unterstützung zu und der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird oft durch weit entfernte Krankenhäuser und hohe Arztgebühren erschwert.

Selbst im Todesfall benötigen die Manta die Erlaubnis von Landbesitzern, um ihre Toten bestatten zu können. Viele Manta wünschen sich für ihre Kinder ein anderes Leben und möchten, dass sie eine Ausbildung erhalten, doch Bildung ist teuer oder überhaupt nicht zugänglich.

Als Vertriebene, denen Unterstützung, Ressourcen und Gerechtigkeit verwehrt bleiben, gehören die Manta zu den am stärksten von den negativen Folgen des Klimawandels bedrohten Gemeinschaften in Bangladesch. Durch Vertreibung werden Ungleichheit und Verwundbarkeit, denen marginalisierte Menschen oder Gruppen bereits ausgesetzt sind, oftmals noch verschärft.

Dabei werden die Auswirkungen nicht-ökonomischer Verluste und Schäden, wie psychische Belastungen, weniger Sicherheit oder fehlende Gesundheitsversorgung, unterschiedlich erlebt. Frauen, Kinder, ältere und behinderte Menschen sind wegen der bereits bestehenden Gefährdungen zumeist am stärksten betroffen. 

Bild: privat

Nusrat Naushin

arbeitet am Inter­national Centre for Climate Change and Develop­ment (ICCCAD) in Dhaka, wo sie das "Loss and Damage"-Programm koordiniert und an verschiedenen Forschungs­projekten beteiligt ist. Zuvor war sie im Vorsitz des Climate Vulnerable Forum in Bangladesch tätig.

"Uns werden unsere Grundrechte wie Nahrung, Unterkunft, Bildung verweigert – und das setzt sich von Generation zu Generation fort. Wir stehen im Schatten der Zivilisation", sagt ein Manta-Oberhaupt.

Die Manta wollen an Land leben und einige hoffen, ihren Beruf wechseln zu können, da der Fischfang immer gefährlicher wird und oft nicht mehr rentabel ist. Um eine steigende Schuldenlast zu vermeiden, sind viele von ihnen gezwungen, zum Fischen in tiefere Gewässer zu gehen, wo sie ihr Leben und den Lebensunterhalt ihrer gesamten Familie riskieren.

Die Treibhausgasemissionen und die daraus resultierenden Klimagefahren nehmen weiterhin zu und führen zu immer mehr Verlusten und Schäden, einschließlich der Vertreibung innerhalb von Staaten und über nationale Grenzen hinweg. Dadurch schließt sich für Millionen Menschen auf der ganzen Welt bereits das Zeitfenster für die Sicherung einer lebenswerten Zukunft.

Um die verschiedenen klimabedingten Folgen abzuwenden, zu minimieren oder zu beheben, müssen die Wissens- und Verständnislücken über ihr Auftreten und ihre Auswirkungen über Gemeinschaften und Gruppen hinweg geschlossen werden.

 

Die Berücksichtigung aller Formen von Verlusten und Schäden ist unbedingt erforderlich, um maßgeschneiderte finanzielle und technische Strategien zu entwickeln, damit gefährdete Länder bei der Prävention und Reaktion auf Vertreibungen zukünftig unterstützt werden können.

Dabei erfordert jeder Schritt im Umgang mit Verlusten und Schäden lokal geführte Maßnahmen. Denn die betroffenen Gemeinden sind die ersten, die auf klimabedingte Gefahren jeglicher Art reagieren. Sie wissen am besten, wie nachhaltige Lösungen umgesetzt werden können.