Hoodia bainii ist eine kaktusähnliche Wüstenpflanze. Sie wird traditionell von den indigenen San im südlichen Afrika genutzt, die bei ihren langen Wanderungen damit Hunger und Durst stillen.
Doch das Gewächs hat auch eine steile Karriere als Schlankmacher gemacht, da es appetithemmende Inhaltsstoffe enthält. Internationale Pharmafirmen brachten vor gut einem Jahrzehnt Diätmittel auf Hoodia-Basis auf den Markt, die Millionenumsätze generieren. Naturschutz- und Menschenrechtsorganisationen befürchteten eine Ausbeutung des Pflanzenbestandes zu Lasten der San und warnten vor "Biopiraterie".
Hoodia ist kein Einzelfall. Die Nutzung genetischer Ressourcen von Pflanzen und Tieren, zumeist aus dem globalen Süden, für Produkte wie Arzneimittel, Kosmetik und Chemikalien sowie in Biotechnologie, Landwirtschaft und anderen Sektoren ist ein gigantischer Markt.
Von Biopiraterie wird gesprochen, wenn sich private Konzerne oder staatliche Institutionen die Ressourcen aneignen, ohne die Herkunftsländer und die lokale Bevölkerung an den daraus entstehenden Gewinnen zu beteiligen. Das Problem wird seit Langem diskutiert.
Das 2014 in Kraft getretene "Nagoya-Protokoll" zur Biodiversitätskonvention schreibt denn auch vor, dass ein "Vorteilsausgleich" erfolgen muss. Ziel ist dabei, unter anderem indigene Völker und deren reiches Wissen über Pflanzen- und Tierarten zu schützen. In vielen Ländern ist das auch ins jeweilige nationale Recht aufgenommen worden.
Digitale Gen-Informationen bisher nicht geschützt
Trotzdem ist das Problem längst nicht beseitigt – und spielt beim derzeitigen Naturschutz-Gipfel in Montreal erneut eine große Rolle.
Aktuell geht es darum, ob auch der Zugang zu internationalen Datenbanken mit genetischen Informationen über Pflanzen, Tiere und Mikroben beschränkt werden soll. Um diese sogenannten Digitalen Sequenz-Informationen (DSI) ist in den Vorverhandlungen zu dem Gipfel ein heftiger Streit entbrannt – und dieser könnte eine Einigung über neue Ziele für den globalen Naturschutz torpedieren.
Der Konflikt entzündete sich daran, dass das Nagoya-Protokoll bisher nur für die physische Entnahme etwa von Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen gilt, nicht aber für digitale Informationen zur Genetik der Organismen, die in Datenbanken zu finden sind.
Unternehmen, die die Gen-Ressourcen für neue Produkte nutzen wollen, müssen oftmals gar nicht mehr in den Herkunftsländern selbst tätig werden, sondern können die digitalen Informationen auswerten. Eine Reihe von Entwicklungsländern fordert nun, auch den Zugang zu den DSI einzuschränken.
Auf der anderen Seite stehen nicht nur die Interessen von Unternehmen, die Profite mit den Genressourcen machen wollen. Auch aus der Wissenschaft kommt Widerstand gegen zu restriktive Regelungen. Agrar- und Genforscher:innen sehen die Zukunft ihrer Arbeit in Gefahr. Der uneingeschränkte Zugang zu genetischen Daten sei essenziell.
Genforscher schlägt gewinnabhängige Beteiligung vor
Der Leiter der Geschäftsstelle des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben, Jens Freitag, zum Beispiel sagt: "Nur mit einem freien Zugang lassen sich globale Ziele wie die Gesundheitsvorsorge, Ernährungssicherheit und der Schutz der biologischen Vielfalt erreichen."
Der Agrarforscher plädiert dafür, den Zugang zu DSI-Datenbanken für Ausbildung, Forschung und Wissenschaft weiterhin frei zu ermöglichen, die Nutzung der Gendaten für eine kommerzielle Nutzung durch Unternehmen aber abgabepflichtig zu machen – je nachdem, wie viel Umsatz mit dem so hergestellten Produkt erzielt wird. Der Vorschlag gilt als aussichtsreich, um den Montrealer Knoten zu durchschlagen.
Die San sind übrigens eine der wenigen indigenen Völkergruppen der Welt, die an den Profiten beteiligt wurden, die mithilfe ihres Wissens entstanden sind. Sie haben in den letzten zwei Jahrzehnten mehrere Vereinbarungen mit Unternehmen dazu abgeschlossen, darunter zu den Pflanzen Hoodia, Rooibos und Kanna. Digitale Gen-Informationen spielten dabei aber noch keine Rolle.