Abbau von Kohle in einem Bergwerk
Saubere und sichere Abbautechnik werde verwendet, versprechen die Planer des neuen Kohlebergwerks in Nordengland. Weder Lärm noch Luftverschmutzung seien zu befürchten. Über Klimagase sagen sie nichts. (Foto: West Cumbria Mining)

Kein Zweifel, beim Brexit machen die Briten keine gute Figur. Das Land ist tief gespalten und hat sich bei dem seit Jahren anhaltenden Streit über Remain oder Leave in eine Selbstblockade manövriert, die es schwer macht, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.

Ganz anders beim Klimaschutz. Hier ist Großbritanniens Agenda klar, in sich schlüssig und zukunftsweisend – und sie heißt: Raus aus der Kohle und runter mit dem Ausstoß von Treibhausgasen.

Als erste Industrienation überhaupt hat sich das Vereinigte Königreich vor einem Jahr auf den Weg gemacht, seinen Ausstoß von Klimagasen in Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel zu bringen. Dieses Limit hat die Weltgemeinschaft mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 beschlossen.

Schon 2008, vor gut zehn Jahren, hat sich Großbritannien ein Klimaschutzgesetz gegeben, das die Weichen in Richtung Dekarbonisierung stellt. Der Climate Change Act schreibt vor, dass jeweils fünfjährige Emissionsbudgets festgelegt werden, die rechtlich bindend sind.

In Deutschland, das sich selbst immer noch gern als Energiewende-Vorreiter sieht, sind solche Regulierungen hingegen bislang undenkbar. Sie werden als "Planwirtschaft" gegeißelt und rigoros abgelehnt. Das ist nicht ohne Ironie, schließlich hat Großbritannien als Mutterland der liberalen Marktwirtschaft keinerlei Problem mit den CO2-Budgets.

Auch beim Kohleausstieg ist Großbritannien Vorreiter. Schon 2013 führte London einen CO2-Mindestpreis ein, der die Kohlenutzung zuverlässig verteuerte und damit regelrecht zum Absturz brachte. Im Paris-Jahr 2015 wurde der Ausstieg aus dem besonders klimaschädlichen Energieträger bis 2025 beschlossen.

Eine Auswertung der aktuellen britischen Energiestatistik, die das Online-Klimaportal Carbon Brief kürzlich vornahm, zeigt, dass Großbritanniens CO2-Ausstoß 2018 bereits zum sechsten Mal in Folge gesunken ist – ein Rekord.

Die britischen CO2-Emissionen betrugen demnach im vergangenen Jahr nur noch rund 360 Millionen Tonnen. Das sind rund 39 Prozent weniger als im Referenzjahr 1990. Rechnet man auch die anderen Treibhausgase wie Methan und Lachgas ein, ist die Reduktion sogar noch größer. Wenige Jahre zuvor, 2012, waren es noch rund 500 Millionen Tonnen.

Der erstaunliche Erfolg der britischen Klimapolitik ist in Gefahr

Damit liegen die Pro-Kopf-Emissionen der Briten mittlerweile bei bloß noch 5,4 Tonnen jährlich. Das ist der niedrigste Stand seit 1858.

Wie groß und wie erstaunlich der Erfolg der britischen Klimapolitik ist, zeigt der Vergleich mit Deutschland. Hier liegen die Emissionen bislang nur rund 32 Prozent unter dem Niveau von 1990. Der Pro-Kopf-Ausstoß ist fast doppelt so hoch wie in Großbritannien – bei rund neun Tonnen CO2 pro Jahr (die anderen Treibhausgase sind dabei nicht mitgerechnet, sonst wären es rund elf Tonnen CO2-Äquivalent; in Großbritannien sind es, alle Treibhausgase eingerechnet, rund acht Tonnen CO2-Äquivalent pro Kopf).

Der entscheidende Unterschied ist die jeweilige Haltung zum Energieträger Kohle. In Großbritannien sind 97 Prozent der Emissionsreduktionen, die in den letzten sechs Jahren geschafft wurden, auf den eingeleiteten Kohleausstieg zurückzuführen.

In Deutschland hingegen, das erst jetzt zaghaft in den Kohleausstieg einsteigt, gehen die bislang geschafften Einsparungen vor allem auf den Zusammenbruch der DDR-Industrie zurück sowie auf den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Die zahlreichen Programme und Maßnahmenpakete der letzten Jahren – etwa das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 oder der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (Nape), beide von 2014 – haben dagegen nicht genug gebracht, um Deutschland auf Klimaschutzkurs zu halten.

Entwurf der geplanten neuen Kohlemine in Nordengland, die komplett überdacht sein soll
So wie in dieser futuristischen Darstellung aus der Unternehmens­­werbung soll das neue Kohlebergwerk in Cumbria mal aussehen – jedenfalls die Anlagen über Tage. (Foto/​Montage: West Cumbria Mining)

Doch nun droht Großbritannien ein Rückschlag. Während London den Kohleausstieg vorantreibt und im kommenden Jahr die wichtige Weltklimakonferenz COP 26 ausrichten will, soll in der Grafschaft Cumbria im Nordwesten Englands erstmals seit Jahrzehnten wieder ein neues Kohlebergwerk entstehen.

Es wäre ein Wiedereinstieg in den Kohleabbau, von dem sich Großbritannien bereits verabschiedet hat. Ende 2015 wurde Kellingley, das letzte Steinkohlebergwerk des Königreichs, geschlossen. Das Kapitel Kohlebergbau schien beendet.

Doch in dieser Woche gab die lokale Verwaltung von Cumbria grünes Licht und sprach sich einstimmig für das Projekt aus. Ganz zur Freude des Unternehmens West Cumbria Mining, das nun eine "aufregende Zukunft" bevorstehen sieht. Das entscheidende Argument waren offenbar die 500 Arbeitsplätze, die die Firma verspricht, falls ihr die Erlaubnis zur Kohleförderung erteilt wird.

Schon seit 2014 treibt West Cumbria Mining das Projekt voran. Nach eigenen Angaben will das Unternehmen pro Jahr 2,5 Millionen Tonnen Kohle abbauen, und zwar auf dem West Cumbrian Coalfield, das sich vor der Küste von Whitehaven unter dem Meeresboden erstreckt.

Dort gab es über einen Zeitraum von 70 Jahren bereits ein Kohlebergwerk, das Haig Colliery. 1986 wurde es geschlossen. 3.500 Jobs gingen damals verloren. 

Nach den Plänen von West Cumbria Mining soll die geförderte Kohle in die Stahlproduktion in Großbritannien und in der EU gehen. Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein, zwei Jahre später soll die Kohleförderung starten können.

Wie Rebecca Willis von der Universität Lancaster berichtet, würden die Kohlepläne von West Cumbria Mining einen zusätzlichen Ausstoß von neun Millionen Tonnen CO2 pro Jahr bedeuten – voraussichtlich über einen Zeitraum von 50 Jahren. So lange will das Unternehmen die Mine nach eigenen Angaben betreiben.

Großbritanniens Klimapolitik würde das weit zurückwerfen.