Kohlekraftwerk mit vier Blöcken und vier Kühltürmen, davor ein Feld mit Stromleitungen.
Das Steinkohlekraftwerk in Shuozhou in der nordchinesischen Kohleprovinz Shanxi. (Foto: Kleineolive/​Wikimedia Commons)

Der Start war etwas chaotisch. Erst am Donnerstagabend um kurz vor sechs stand in Peking fest, das Chinas Handel mit Emissionsrechten am Freitag beginnen würde – endlich, nach Jahren der Ankündigung. Das war letzte Woche. Die Regeln für den nun weltgrößten CO2-Markt waren eigentlich schon im Februar in Kraft getreten, praktisch angewendet werden sie erst jetzt.

Am neuen Handelssystem müssen 2.225 Kraftwerke teilnehmen, die zusammen ein Achtel der globalen und 40 Prozent der chinesischen Emissionen verursachen. Damit hat China nun ein größeres Emissionshandelssystem als die EU. Das chinesische funktioniert allerdings anders als das hiesige.

Im EU-System gibt es einen fixen Deckel für die jährlichen Emissionen, der nach und nach abgesenkt wird. In China hingegen geht es letztlich nur um Energieeffizienz: Es gilt ein Grenzwert pro Megawattstunde. Für große Kohlekraftwerke liegt dieser bei 877 Kilogramm CO2. Für jede Megawattstunde, die ein Kraftwerk produziert, bekommt es daher 0,877 CO2-Zertifikate – kostenlos.

Kraftwerke, die weniger CO2 emittieren, können so einen Teil der Zertifikate verkaufen. Und Kraftwerke, die mehr CO2 emittieren, müssen Zertifikate kaufen. Das heißt: Wird mehr Strom produziert, können auch die Emissionen immer weiter steigen und die Effizienzgewinne sofort wieder auffressen.

Außerdem ist der Grenzwert nicht sehr ehrgeizig. Er orientiert sich nicht etwa an Chinas Ziel, bis 2060 CO2-neutral zu werden, sondern entspricht den durchschnittlichen Emissionen der Kraftwerke im Jahr 2019. Praktisch müssen daher nur die absoluten Schlusslichter der Branche Emissionsrechte kaufen, also die besonders alten und ineffizienten Kraftwerke.

Was das System bewirkt, ist umstritten

Ob mit dem Handelssystem die Emissionen im Stromsektor reduziert werden, ist denn auch umstritten. Eine Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) kommt zum Schluss, dass das Handelssystem tatsächlich zu einer Reduktion führt – vorausgesetzt, die Grenzwerte werden regelmäßig verschärft.

Der britische Thinktank Transition Zero ist hingegen pessimistischer. Im Markt gebe es ein Überangebot von 1,56 Milliarden Tonnen CO2. Daher werde "das Handelssystem in seiner jetzigen Form keine Auswirkungen auf die Emissionen in China haben".

Das Hauptproblem ist, dass Chinas Strommarkt anders funktioniert als der europäische. In Europa kann zuerst das billigste Kraftwerk seinen Strom verkaufen. Wenn das die Nachfrage nicht deckt, kommt das zweitbilligste zum Zug und so weiter – die sogenannte Merit Order. In China hingegen wird administrativ geregelt, welches Kraftwerk wann Strom produziert und welchen Preis es dafür bekommt.

Für Chen Zhibin von der Beratungsfirma Sino-Carbon ist das der Schwachpunkt von Chinas Handelssystem: "Es ist, als würde man ein marktbasiertes Instrument in einem Sektor schaffen, der nicht nach den Kräften des Marktes funktioniert", sagte Chen dem britischen Online-Magazin Carbon Brief. Er glaubt: Damit das Handelssystem Wirkung entfalten kann, muss erst der Strommarkt dereguliert werden.

Es gibt Transparenzprobleme

Dem Handelssystem mangelt es aber noch an etwas anderem: einer öffentlichen Website. Der Journalist Stian Reklev von der Branchenpublikation Carbon Pulse twitterte: "Man sollte meinen, dass der größte CO2-Markt der Welt eine schicke Website mit allen Informationen hat, die man braucht, oder? Nun, damit würde man sich täuschen."

Gehandelt werden die Emissionsrechte an der Börse Shanghai Environment and Energy Exchange. Die hat eine Website. Doch diese blockt Zugriffe aus dem Ausland ab. "Chinas CO2-Preis? Handelsvolumen? Das geht Sie nichts an, wenn Sie nicht in China sind", polemisierte Reklev.

Er selbst arbeitet allerdings von Peking aus und hat dementsprechend Zugriff auf die Börsendaten. Für die Eröffnungszeremonie fanden demnach erste, zuvor verabredete Deals statt. Während des Handelstages stieg der Preis für eine Tonne CO2-Emissionen von 48 Yuan auf 51,23 Yuan, das sind zurzeit 6,72 Euro.

Der Handel war rege: Emissionsrechte für mehr als vier Millionen Tonnen wechselten den Besitzer. Diese Woche lag der Preis dann weiter über 50 Yuan, aber das Volumen ist auf gut 100.000 Tonnen eingebrochen.

Zum Vergleich: Im Emissionshandel der EU kostet eine Tonne CO2 zurzeit mehr als 50 Euro. Lange war allerdings auch das europäische System kaum wirksam, weil ein Überangebot an Zertifikaten die Preise ungefähr auf das heutige chinesische Niveau gedrückt hatte.

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