Aufnahme von unten durch grüne Bäume in den Himmel – genau in einer Lücke zwischen den Baumwipfeln ist ein Flugzeug zu sehen.
Kurzstreckenflüge möchten die meisten abgeschafft sehen – wenn es Alternativen gibt. (Foto: Sergej Tinjakow/​Shutterstock)

Wirksamer Klimaschutz braucht eine wirksame Klimapolitik. Die wiederum braucht politische und gesellschaftliche Mehrheiten, die Maßnahmen für gut befinden und mittragen. Doch wie sieht es damit aus?

Bei den im Bundestag vertretenen Parteien lässt sich das relativ einfach beantworten. Bei der Gesamtbevölkerung ist das schon schwieriger.

Was die Menschen in Deutschland über die Klimakrise denken und welche Gegenmaßnahmen sie sehen wollen, darüber ist erstaunlich wenig bekannt. Es fehlt schlicht an Daten.

Zwar gibt es immer wieder Umfragen zu einzelnen Punkten, etwa zum Tempolimit oder zur Energiewende. Doch das sind oft nur Momentaufnahmen mit begrenzter Aussagekraft. Eine regelmäßige, systematische Erhebung zu klimapolitisch relevanten Themen wird bislang nicht durchgeführt.

Ohne verlässliche Daten bleibt Klimapolitik hinter ihren Möglichkeiten zurück. Dieses Datenproblem gibt es in vielen Bereichen. Es ist derzeit beispielsweise nicht möglich, Hitzeschutz gezielt für besonders gefährdete Menschen zu organisieren, weil es kein Register gibt, wer zu dieser Gruppe überhaupt gehört.

Auch ein Klimageld, bei dem die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürger:innen zurückfließen, lässt sich nicht umsetzen, weil der Staat bei vielen Menschen gar nicht weiß, wohin er ihnen das Geld überweisen soll.

Die Datenlücke bei der Einstellung zum Klimaschutz schließt nun die Studie "Planetary Health Action Survey", kurz PACE, die von der Psychologin Cornelia Betsch geleitet wird. Das Projekt der Universität Erfurt ist auf zwei Jahre angelegt.

Seit Juni führt das Team um die Professorin für Gesundheitskommunikation monatlich Befragungen durch – zu Wissen, Risikowahrnehmung, Vertrauen, Einstellungen und Verhalten in der Klimakrise. Ähnlich ging Betsch auch bei der Cosmo-Studie zur Coronapandemie vor, die kürzlich mit dem Thüringer Forschungspreis ausgezeichnet wurde.

Handlungsbereitschaft sehr ungleich verteilt

"Beim Klimathema muss noch viel stärker kommuniziert werden", sagt Cornelia Betsch gegenüber Klimareporter°. "Es ist wichtig zu wissen, welche Maßnahmen akzeptiert sind und wo Hindernisse liegen und man noch besser erklären und vermitteln muss."

Da die Ergebnisse der PACE-Studie jeweils kurz nach den Befragungen veröffentlicht werden, liegen bereits erste Resultate vor. Die haben es durchaus in sich.

Die Zustimmung zu Klimaschutzmaßnahmen ist hoch. Zwischen 60 und 75 Prozent sind für den Ausbau der Bahn, wollen eine klimafreundlichere Landwirtschaft und Ernährung und dass erneuerbare Energien günstiger sind als fossile, und sie befürworten die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude und die Abschaffung von Kurzstreckenflügen, wenn es Alternativen gibt.

Beim Kohleausstieg bis 2030 und beim Verbot von Öl- und Gasheizungen sowie Verbrennungsmotoren liegt die Zustimmung bei knapp der Hälfte.

Das deckt sich mit bisherigen Umfragen. Betschs Team stellt aber noch weitere Fragen, und da wird es interessant. Zustimmung und Handlungsbereitschaft sind demnach sehr ungleich verteilt – extrem ausgeprägt bei der Parteipräferenz (siehe Kasten).

Wer will wie viel?

Die Bereitschaft, in Sachen Klimaschutz zu handeln, ist je nach Parteienpräferenz sehr unterschiedlich ausgeprägt. Menschen, die die Grünen wählen, sind laut PACE-Studie am ehesten handlungsbereit (83 Prozent), gefolgt von Wähler:innen der Linken (67) und der SPD (62). Bei der Union sind es weniger als die Hälfte (42) und noch deutlich weniger bei der FDP (26) und der AfD (21 Prozent). Bei Nichtwähler:innen liegt die Handlungsbereitschaft bei 31 Prozent. Die Erhebung wurde im Juli durchgeführt.

Zwischen den Wähler:innen der Grünen (über 80 Prozent Handlungsbereitschaft), und der FPD (rund ein Viertel) liegen regelrecht Welten. Für die Klimapolitik der Ampel ist das keine gute Nachricht.

Entscheidend sind aber auch andere Faktoren. So hat etwa das Wissen über Umwelt und Klimawandel einen beachtlichen Einfluss. Schlicht gesagt: Wer mehr weiß, hat auch eine fast doppelt so hohe Handlungsbereitschaft. Erhoben wird der Wissensstand in der Studie durch eine Reihe von allgemeinen Wissensfragen.

Das Interesse an Informationen zum Thema ist generell hoch. Gut 40 Prozent der Befragten informieren sich häufig bis sehr häufig über den Klimawandel, weitere 26 Prozent gelegentlich. "Klimamüdigkeit" ist demnach kein weit verbreitetes Phänomen, ganz anders als bei der Coronakrise, als viele Menschen es nach einiger Zeit satthatten, noch von dem Thema zu hören.

Eine höhere Handlungsbereitschaft ist auch vorhanden, wenn Menschen es einfach finden, sich klimafreundlich zu verhalten, also ein Gefühl von Selbstwirksamkeit haben. Auch hier gibt es sehr große und aufschlussreiche Unterschiede.

Was hilft?

Ob Menschen sich klimafreundlich verhalten und Klimaschutzmaßnahmen unterstützen, wird vor allem von fünf Faktoren beeinflusst: Wahrnehmung von klimabedingten Gesundheitsrisiken, Vertrauen in Institutionen, soziale Faktoren ("die anderen machen auch mit"), hohe wahrgenommene Selbstwirksamkeit und mehr Wissen über Umwelt- und Klimafragen.

Laut Studie finden es die meisten leicht, Müll zu trennen, Produkte lange zu nutzen, keine Lebensmittel wegzuwerfen oder Obst und Gemüse regional zu kaufen. Das ist gut, spart aber relativ wenig Emissionen.

Verhaltensweisen, die mehr CO2-Einsparung bringen, werden hingegen als schwieriger empfunden: umweltfreundliche Verkehrsmittel nutzen, das eigene Zuhause klimafreundlich ausstatten oder auch – Gas sparen.

"Hier könnten Kampagnen ansetzen", sagt Cornelia Betsch. "Am besten mit konkreten, alltagsnahen Tipps, die die Selbstwirksamkeit erhöhen."

Wie bei Betschs Cosmo-Studie sind auch bei PACE unter anderem das Robert-Koch-Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit an Bord. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Bundesgesundheitsministerium.

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