Luftbild einer quadratkilometergroßen Fläche mit Flüchtlingszelten, alles ist mit rotbraunem Staub bedeckt.
Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien an der syrischen Grenze: Viele Gewaltkonflikte entstehen vor dem Hintergrund von Umwelt- und Klimakrisen. (Foto: US Department of State/​Wikimedia Commons)

Klimareporter°: Frau Strack-Zimmermann, Frau Vogler, Herr Scheffran, welche Folgen hat die Globalisierung der Umweltzerstörung aus Ihrer Sicht für den Frieden?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Mit Blick auf die aktuelle globale Konfliktlage halte ich die Globalisierung der Umweltzerstörung für einen möglichen, aber nicht allein entscheidenden Destabilisator für den Frieden in der Welt.

Während wir im Nahen Osten einen kalten Krieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran beobachten, sind es in Südamerika vor allem innenpolitische sowie wirtschaftliche Konflikte. Zudem existiert eine reelle Bedrohung an der Ostgrenze Europas. All diese Konflikte haben keinen direkten Klimabezug.

Kathrin Vogler: Reden wir zuerst über Chancen: Immer mehr Menschen wissen, dass Erderwärmung, Artensterben, Verseuchung des Wassers und Zerstörung der Böden nicht an Staatsgrenzen haltmachen und deswegen gemeinsam und solidarisch bekämpft werden müssen. Sie organisieren sich grenzüberschreitend und verstärken gemeinsam den Druck auf die Regierungen, endlich wirksam zu handeln.

Dabei geraten sie in Konflikt mit den Kräften, die im globalisierten Kapitalismus die reale Macht haben und von der Umweltzerstörung profitieren: die großen transnationalen Konzerne, die Banken und Börsen. Diese Auseinandersetzungen gewaltfrei zu führen und autoritäre Tendenzen zurückzudrängen ist meiner Ansicht nach notwendig, um Ökologie, Frieden und Gerechtigkeit miteinander zu verbinden.

Jürgen Scheffran

ist Professor für Integrative Geografie am Institut für Geografie der Universität Hamburg. Der Physiker und Konflikt­forscher leitet die Forschungs­gruppe Klimawandel und Sicherheit (Clisec) am Centrum für Erdsystem­forschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität.

Jürgen Scheffran: Der menschliche Raubbau an der Natur gefährdet weltweit Ökosysteme und lebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Boden, Wälder und Arten. Globale Erwärmung und Wetterextreme verstärken Risiken für die menschliche Sicherheit, belasten soziale Systeme und gesellschaftliche Stabilität, untergraben politische Akzeptanz und staatliche Autorität.

Aus der Unzufriedenheit der Bevölkerung wird eine Gefahr für den Frieden. In fragilen Brennpunkten der Erde verbinden sich Umwelt- und Klimaänderungen mit gesellschaftlichen Problemen und den Folgen der Globalisierung in komplexen Konfliktkonstellationen.

Beispiele sind Ruanda und Darfur, Mali und Tschad, Arabischer Frühling und Syrienkonflikt oder Spannungen in Südasien, Lateinamerika oder der Arktis.

Ist die Zunahme von Umweltflüchtlingen eine Gefahr für den Frieden?

Scheffran: Indem Umweltzerstörung und Klimawandel Lebensgrundlagen weltweit untergraben, von den Dürrezonen Afrikas bis zu den Überflutungs- und Sturmregionen Asiens oder Amerikas, fördern sie Vertreibungen, zusammen mit Armut, Hunger, Verfolgung und Gewalt. Massenflucht exportiert menschliche Not und schafft Spannungen, die gesellschaftliche Stabilität überfordern können.

Die EU-Krise von 2015 verstärkte die Flüchtlingsabwehr an den Außengrenzen, auf Kosten von humanitärer Hilfe und sozialer Integration. Vertriebene wurden zum Konfliktfaktor und Spielball von Machtinteressen – wie im Fall der Türkei – und zum Ziel rassistischer und rechter Gewalt.

Gelingt es nicht, den Klimawandel als Fluchtursache einzudämmen, entstehen weitere Gefahren für den Frieden.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann

ist Bundestags­abgeordnete und Mitglied des FDP-Bundes­vorstandes. Die promovierte Publizistik­wissen­schaftlerin ist Sprecherin ihrer Fraktion für Verteidigungs­politik und für Kommunal­politik. Von 2008 bis 2014 war sie Vize-Oberbürger­meisterin von Düsseldorf.

Strack-Zimmermann: Zunächst beinhaltet der Begriff "Umweltflüchtling" verschiedene Aspekte. Ein Bauer, dessen Feld nicht mehr für eine agrarische Nutzung zu gebrauchen ist, verlässt sein Land in erster Linie, weil ihm seine wirtschaftliche Lebensgrundlage genommen wurde. Zudem kommen Faktoren wie beispielsweise staatliche Inaktivität bei Umweltkatastrophen hinzu.

Aber worauf Sie wahrscheinlich hinauswollen: Die Umweltzerstörung trägt dazu bei, dass sich Menschen gezwungen sehen, ihre Heimat zu verlassen und ihr Glück in einem anderen Land zu suchen. Dies ist beispielsweise für einen Teil der Bevölkerung Afrikas der Fall.

Ich sehe hier keine schwerwiegenden Folgen für den Frieden, solange das jeweilige Land durch klare Einwanderungsgesetze, unter Berücksichtigung humanitärer Bedingungen, Ordnung schafft, um so den inneren Frieden zu garantieren.

Vogler: Nicht die Flüchtenden, sondern diejenigen, die durch ihr wirtschaftliches und militärisches Handeln deren Lebensgrundlagen zerstören und sie zur Flucht zwingen, sind eine Gefahr für den Frieden.

Wenn ganze Länder im Meer versinken oder fruchtbare Regionen versteppen, wird es zwangsläufig zu stärkeren Konflikten zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen kommen. Wer Krieg und Hunger sät, wird Flüchtlinge ernten.

Deswegen sagen wir als Linke: Klimaschutz, Stopp der Rüstungslieferungen und eine gerechtere Weltwirtschaft sind notwendig, um Fluchtursachen zu bekämpfen und das friedliche Zusammenleben auf einem lebenswerten Planeten zu ermöglichen.

Wie stehen Sie zu dem Zwei-Prozent-Ziel für den Verteidigungshaushalt angesichts des hohen Investitionsbedarfs für den Klimaschutz?

Strack-Zimmermann: Beides ist wichtig und verdient eine angemessene Finanzierung. Klimaschutz ist eine Jahrhundertaufgabe. Umweltbewusstere Lebensweisen werden daher immer wichtiger, und das erfordert langfristig auch Investitionen in Forschung und Wirtschaft.

Es geht meines Erachtens nicht darum, ob, sondern wie wir diesem Wandel entgegenwirken möchten. Wir sollten uns beispielsweise nicht voreilig auf batteriebetriebene Systeme verlassen, sondern die Entwicklung alternativer Energiequellen, wie Wasserstoff, weiter vorantreiben.

Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato ist ebenso wichtig. Es geht immerhin um die Verteidigung unseres Landes in einem strategischen Bündnis. Die Vermeidung militärischer Konflikte, unterstützt durch die Erhöhung des Wehretats und der damit verbundenen Kräfteprojektion, gehört zu den elementaren Aufgaben der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.

Zudem ist es ein Zeichen des Respekts unseren Soldatinnen und Soldaten gegenüber, dafür zu sorgen, dass ihre Ausrüstung in einem tadellosen Zustand ist. Deutschland hat die Mittel für Klimaschutz und Sicherheit.

Kathrin Vogler

ist Bundestags­abgeordnete und friedens­politische Sprecherin der Linksfraktion. Zuvor war sie leitend bei der Deutschen Friedens­gesellschaft – Vereinigte Kriegsdienst­gegnerInnen und beim antimilitaristischen Bund für Soziale Verteidigung tätig.

Vogler: Die geplante Verdopplung des Rüstungshaushalts ist kein Beitrag zu mehr Sicherheit, sondern der verzweifelte Versuch der Reichen, ihre Privilegien gewaltsam abzusichern und ihre Interessen militärisch durchzusetzen.

Angesichts des engen Zeitfensters und der drängenden Notwendigkeit, in allen Politik- und Lebensbereichen einen Aufbruch für mehr Klimagerechtigkeit zu initiieren, benötigen wir alle personellen, geistigen und finanziellen Ressourcen unserer Gesellschaft.

Dazu kommt, dass Krieg immer mit schwerster Umweltzerstörung einhergeht und das Militär selbst einer der größten Klimakiller ist. Allein das US-Militär verbraucht mehr fossile Energieträger als ganz Afrika. Deswegen ist Aufrüstung und Kriegsvorbereitung auch unabhängig von den Kosten eine Gefahr für die menschliche Sicherheit.

Scheffran: Wachsende Rüstungsausgaben verschärfen Konflikte, statt sie zu lösen. Der deutsche Verteidigungshaushalt ist von knapp 32 Milliarden Euro 2014 auf 43 Milliarden Euro 2019 gestiegen. Das Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht einer Verdoppelung. Die Rüstungsausgaben der USA liegen noch weit darüber und sind etwa zehnmal höher als in Russland.

Solche Finanzmittel fehlen zur Bewältigung anderer Probleme wie der Klimakrise. Während die Bundesregierung die Rüstungsziele von 1,5 bis zwei Prozent verfolgt, droht sie die Klimaziele von 1,5 bis zwei Grad zu verpassen, wie die massive Kritik am Klimapaket zeigt.

So werden Krisen doppelt angeheizt: Klimawandel erzeugt weltweit neue Konfliktherde, während die Aufrüstung Öl ins Feuer gießt und die Umwelt belastet.

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