Serielle Sanierung von Mehrfamilienhäusern: Klimaschutz könnte schneller gehen. (Bild: Fabrice Singevin/​ICF Habitat/​Energiesprong/​Flickr)

Wie teuer wäre es, weltweit eine klimaneutrale Wirtschaft zu erreichen? Laut einer 2021 erschienenen Studie der Internationalen Energieagentur IEA müsste der Anteil des jährlichen globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP), der für Energie ausgegeben wird, nur zwei Prozentpunkte höher sein als jetzt.

Auch in einer Umfrage unter Klimaökonomen aus demselben Jahr herrschte weitgehend Einigkeit, dass die Kosten nur zwei bis drei Prozent betragen würden. Andere Schätzungen liegen etwas niedriger – sogar nur ein Prozent wird genannt – oder etwas höher, aber allesamt im einstelligen Bereich des jährlichen weltweiten BIP.

Das heißt: Es kostet nicht wirklich die Welt, die Welt zu retten.

Natürlich müssen die Investitionen in die Energiewende vor allem von Unternehmen und vom Staat aufgebracht werden. Doch auch die Bürgerinnen und Bürger weltweit sind gefordert, etwa durch verändertes Konsumverhalten umzusteuern.

E-Autos, Wohnen in energiesanierten Häusern, nachhaltig erzeugte Lebensmittel – all das erfordert, zumindest anfänglich, höhere Ausgaben. Auch könnten höhere Steuern für mehr CO2-Einsparung und Anpassung nötig werden.

Insofern sind die Ergebnisse einer aktuellen, weltweit angelegten repräsentativen Umfrage hochinteressant, inwieweit Bürgerinnen und Bürger Klimaschutzmaßnahmen unterstützen und auch bereit sind, Kosten dafür in Kauf zu nehmen.

"Enorm ermutigend"

Die Resultate sind überaus positiv: Eine überwältigende Mehrheit von 89 Prozent fordert verstärkte politische Maßnahmen und 86 Prozent befürworten "klimafreundliche soziale Normen". Zudem sind 69 Prozent der Menschen bereit, einen Beitrag von mindestens einem Prozent ihres persönlichen Einkommens für den Klimaschutz aufzuwenden.

In Ländern, die durch die globale Erwärmung besonders betroffen sind, ist die Bereitschaft, den Klimawandel zu bekämpfen, dabei überdurchschnittlich hoch. In reichen Ländern hingegen ist sie tendenziell niedriger als in anderswo.

Die Umfrage wurde in 125 Ländern gemacht, insgesamt nahmen rund 130.000 Menschen teil. Auf die einbezogenen Länder entfallen 96 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, 96 Prozent des globalen BIP und 92 Prozent der Weltbevölkerung.

Durchgeführt wurde die Untersuchung von Teams des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE in Frankfurt am Main sowie der Universitäten Bonn und Kopenhagen. Sie ist als Studie in der Fachzeitschrift Nature Climate Change erschienen.

Der Studien-Leiter und SAFE-Ökonom Peter Andre betonte, es gebe in fast allen Ländern eine weit verbreitete Zustimmung zu Klimaschutz-befürwortenden sozialen Normen – also etwa zu der Aussage, dass die Menschen in ihrem Land versuchen sollten, die globale Erwärmung zu bekämpfen.

Mitautor Armin Falk, Verhaltensökonom und Professor in Bonn, nannte die Ergebnisse "enorm ermutigend". Das Weltklima sei ein globales öffentliches Gut und sein Schutz erfordere eine gemeinsame Anstrengung der Weltbevölkerung. "Wir stellen fest, dass sich eine breite Mehrheit der Weltbevölkerung für den Klimaschutz ausspricht", sagte er.

Die Zustimmung der anderen wird unterschätzt

Allerdings stellten die Forschenden auch fest, dass in jedem Land die Bereitschaft der Mitmenschen, ebenfalls den Klimawandel zu bekämpfen, unterschätzt wird. Laut der Studie schätzen die Befragten den Anteil derer, die bereit sind, ein Prozent ihres Einkommens für den Klimaschutz aufzuwenden, im Schnitt nur auf 43 Prozent, sie liegen also um 26 Prozentpunkte zu niedrig.

Vor zwei Jahren hatten ähnliche Umfragen in den USA und Deutschland bereits eine solche verzerrte Wahrnehmung gezeigt. So glaubten Befragte in den USA, die Zustimmung ihrer Landsleute zu verschiedenen Klimaschutzmaßnahmen erreiche nur Werte um die 40 Prozent. Tatsächlich waren die Raten annähernd doppelt so hoch.

"Die systematische Fehleinschätzung der Bereitschaft anderer, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, kann ein Hindernis für den erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel darstellen", schlussfolgert Falk. Denn wer die allgemeine Unterstützung für den Klimaschutz unterschätzt, sei oft weniger dazu bereit, selbst aktiv zu werden.

Das Forschungsteam empfiehlt auch eine Strategie, um die Zustimmung zum Klimaschutz weiter zu erhöhen: Anstatt die Bedenken einer lautstarken Minderheit aufzugreifen, die jede Form von Klimaschutz ablehnt, müsse wirksam vermittelt werden, "dass die große Mehrheit der Weltbevölkerung bereit ist, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, und von der Politik erwartet, dass sie handelt".

Andre formuliert es so: "Der aktuell verbreitete Pessimismus entmutigt und lähmt." Die Ergebnisse der Studie legten nahe, dass sich "durch mehr Optimismus in Sachen Klimaschutz eine positive Dynamik entfalten lässt".

Argumente für aktivere Klimapolitik

Das Ein-Prozent-Ziel beim Einkommen könnte nach Einschätzung von Fachleuten durchaus Summen erbringen, die etwas bewirken. Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie an der TU Kaiserslautern-Landau, meint, so käme möglicherweise "mehr als genug" zusammen, "um Klimaschäden aufzufangen beziehungsweise Klimaschutz sozial gerecht zu finanzieren".

Gleichzeitig sei der Betrag so niedrig, dass er für viele Menschen – vor allem in den reichen Ländern, die überproportional für die globalen Klimaschäden verantwortlich sind – erschwinglich wäre. In Deutschland, wo das verfügbare Einkommen privater Haushalte mehr als 25.000 Euro je Einwohner beträgt, ginge es um 258 Euro pro Kopf und Jahr.

Die Frage bleibt allerdings, ob wirklich alle Menschen, die sich in einer Umfrage dazu bekennen, das Geld tatsächlich dafür aufbringen würden. Reese bezweifelt das: "Es gibt immer eine Lücke zwischen Einstellung und Verhalten."

Man könne wohl nicht davon ausgehen, dass von den 69 Prozent der Befragten auch alle den Ein-Prozent-Anteil in der Praxis beitragen würden. Allerdings sei es in der Studie schon sehr konkret um das eine Prozent gegangen, "sodass ich denke, dass viele Menschen das wirklich machen würden – wenn viele andere mitzögen".

 

Generell sehen Fachleute, die sich zu der neuen Studie äußerten, den Wert darin, dass sie Argumente für eine aktivere, wirksamere Klimapolitik liefert. Die Grazer Soziologieprofessorin Ilona Otto, die zu den gesellschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels forscht, meint:

"Insgesamt geben die Umfrageergebnisse Anlass zur Hoffnung, dass die Staats- und Regierungschefs und Entscheidungsträger der Welt auf die Mehrheit der Bevölkerung hören und mehr Mut haben könnten, strenge politische Maßnahmen und Vorschriften zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und zur Förderung erneuerbarer Energien umzusetzen."