Aufnahme des Heizkraftwerks Reuter West
Bislang speist das Heizkraftwerk Reuter West noch Wärme aus Import-Steinkohle in Fernwärmenetz von Berlin ein. Bis 2030 soll damit Schluss sein. (Foto: Alexander Karnstedt/​Wikimedia Commons)

Ein Gutes hat die Machbarkeitsstudie von Vattenfall und dem Berliner Senat: Das vom Aachener Beratungsunternehmen BET angefertigte Gutachten belegt, dass die Hauptstadt wie geplant bis 2030 aus der Kohle aussteigen kann.

Die 1,3 Millionen Haushalte, die am Berliner Fernwärmenetz angebunden sind, müssen auch nach dem Ende der Steinkohle-Verbrennung nicht in unbeheizten Wohnungen hocken.

Dennoch will Eric Häublein vom Bündnis Kohleausstieg Berlin kein gutes Haar an dem Papier lassen. "Der Senat hat sich über den Tisch ziehen lassen", sagt Häublein am heutigen Mittwoch in Berlin. Es sei gut, dass Berlin aus der Kohle aussteige, aber auch Erdgas sei ein fossiler Brennstoff.

Und an dem will das Energieunternehmen Vattenfall in Berlin noch ziemlich lange festhalten. 2030 soll Erdgas einen Großteil der Wärmeversorgung gewährleisten. Weitere Leitungen sollen sogar dafür gebaut werden.

Kerstin Doerenbruch von Greenpeace Berlin befürchtet deshalb Fehlinvestitionen und Lock-in-Effekte. "Statt mittelfristig auf Erdgas und Müllverbrennung zu setzen, hätten dezentrale Ansätze viel stärker berücksichtigt werden müssen", sagt Doerenbruch über die Machbarkeitsstudie. Es sei notwendig, die Wärmewende vorausschauend und weitsichtig zu planen und auf Lösungen zu setzen, die sich langfristig auszahlen.

Vattenfall setzt auf zentrale Anlagen

Auf dezentrale Wärme habe Vattenfall aber gar nicht geschaut, kritisieren die im Kohleausstiegs-Bündnis vertretenen Berliner Umweltorganisationen und -initiativen. Denn solche Ansätze böten kein Geschäftsmodell für den schwedischen Staatskonzern.

"Vattenfall will seinen Markt behalten und nicht darüber nachdenken, wie eine wirkliche Transformation gelingen kann", sagt Julia Epp vom BUND Berlin. Dann müsste der Konzern über seine eigene Abschaffung nachdenken.

Ohnehin ist der Umweltschützerin, die im Begleitkreis zur Machbarkeitsstudie involviert war, das Ergebnis nicht ehrgeizig genug. "Selbst das ambitionierte Szenario mit Emissionsminderungen um 95 Prozent bis 2050 erreicht nicht einmal das Zwei-Grad-Ziel", sagt Epp. 

Noch weitere Annahmen kritisieren die Umweltorganisationen. So rechne Vattenfall mit einer Sanierungsquote im Gebäudebestand von 2,2 Prozent, während diese aktuell weit unter einem Prozent liege. Dennoch enthalte das Gutachten keine Maßnahmen, um die Quote zu erhöhen.

Auch der Solarwärme erteilt das Gutachten eine Absage. Eine zentrale solarthermische Anlage samt Speicher benötige eine Fläche so groß wie der Tiergarten, heißt es zur Begründung.

Klimaschützer legen selbst Gutachten vor

Wie die Wärmewende in der Stadt gelingen könnte, auch wenn Berlin nicht – wie etwa Hamburg – Eigentümer des Fernwärmenetzes ist und somit keinen direkten Zugriff hat, hat das Kohleausstiegs-Bündnis in einem eigenen, heute vorgestellten Gutachten untersuchen lassen. Darin werden rechtliche Varianten entwickelt, die das Land Berlin beschließen könnte, um die CO2-Emissionen von Kraftwerken, die ins Fernwärmenetz einspeisen, zu senken.

Demnach sind ein Gesetz mit "Grenzwerten" für zulässige CO2-Mengen im Wärmenetz sowie ein Mindestanteil erneuerbarer Quellen bei der Fernwärme die Varianten, die am meisten Erfolg versprechen.

Höhere Nutzungsgebühren für Fernwärme aus CO2-intensiven Brennstoffen oder die Beschränkung des Netzzugangs für CO2-intensive Kraftwerke hätten dagegen nicht den gewünschten Effekt oder seien juristisch unsicher.

Die Chancen, dass das Regierungsbündnis aus SPD, Linken und Grünen noch ein Wärmegesetz verabschiedet, stehen aus Sicht von Eric Häublein gut. Rot-Rot-Grün habe im Koalitionsvertrag vereinbart, ein entsprechendes Gesetz vorzulegen.

Die Berliner Klimaschutzsenatorin Regine Günther habe jetzt noch zwei Jahre Zeit, ein solches Gesetz zu entwickeln, sagt Häublein. Neben Machbarkeitsstudien solle die Senatorin konkrete Schritte für die Wärmewende einleiten.

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