Bild: Kristin Rabaschus

Deutschlands Anteil am globalen CO2-Ausstoß hat sich seit dem Jahr 2000 halbiert. Kein Grund zum Jubeln – vor allem, weil im selben Zeitraum die Emissionen weltweit massig angestiegen sind.

Und die globalen CO2-Emissionen steigen weiter. Ein wichtiger Grund ist die anhaltende Nutzung fossiler Brennstoffe. Öl- und Gasunternehmen bauen sogar ihr Engagement aus. Finanziert wird dies von Investoren.

Laut der Finanzrecherche "Investing in Climate Chaos" der Umweltorganisation Urgewald und mehrerer Partnerorganisationen haben Banken, Fonds und Versicherungen derzeit 4,3 Billionen US-Dollar (3,9 Billionen Euro) in Anleihen und Aktien von Unternehmen investiert, die in fossilen Industrien aktiv sind.

Zumindest paradox ist es, dass viele der Investoren versuchen, die CO2-Emissionen in ihren Kapitalanlagen zu senken. Zu einem nützlichen Instrument könnten sich dabei noch die vielfach kritisierte "Taxonomien" entwickeln.

Davon zeigen sich jedenfalls die Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin überzeugt: "Nachhaltige Finanztaxonomien können den Übergang zur Klimaneutralität unterstützen."

Ob und wie das im betriebswirtschaftlichen Alltag gelingen kann, ist durchaus umstritten. So hat die Umweltorganisation WWF kürzlich ihre "wissenschaftsbasierte" Taxonomie ISBT für Finanzinstitute vorgestellt.

Und die Verbände von Banken und Versicherungen in Deutschland haben einen "ESG-Datenkatalog" zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für Großunternehmen veröffentlicht. In der Praxis tut sich also etwas.

Taxonomie-Check von Russland bis Kolumbien

Das Berliner DIW hat nun 26 nachhaltige Finanztaxonomien weltweit untersucht. Konzepte, die über alle Kriterien hinweg die meisten Punkte erhielten, sind die EU‑Taxonomie, die Taxonomie der südostasiatischen Asean-Staaten sowie der Länder Kolumbien, Georgien, Singapur, Südkorea und Sri Lanka.

Taxonomien mit der niedrigsten Punktzahl sind die von Israel, Malaysia, Russland, Südafrika und Usbekistan. Dabei hat das DIW – und darauf kommt es hier an – nicht die aktuelle Wirkung der Taxonomien bewertet, sondern deren Transformationspotenzial für die Zukunft.

"Große Unterschiede zeigen sich bereits bei der Namensgebung", sagte Studienleiterin Catherine Marchewitz. Viele Taxonomien dienten lediglich der Orientierung und seien freiwilliger Natur, andere seien bindend, aber nur für einen kleinen Kreis von Unternehmen. Vor allem zeigten sich große Unterschiede bei der Klassifizierung von Wirtschaftsaktivitäten.

Dabei spricht Marchewitz den Regierungen nicht ihren guten Willen ab, Transparenz zu schaffen, Orientierungshilfe zu geben, Greenwashing zu vermeiden sowie das Kapital in nachhaltige Aktivitäten zu lenken. "Aber die Umsetzung gestaltet sich doch sehr unterschiedlich."

Das könnte sich auf Geschäftsmodelle negativ, also klimaschädlich auswirken, befürchtet Marchewitz. Beispielsweise, wenn der Zugang zu Kapital durch die unterschiedliche Bewertung in den Taxonomien beeinflusst wird.

Der nationale Fokus hilft beim Klima nicht weiter

Es droht also die Verlagerung von Finanzierungen schmutziger Industrien in Länder mit geringerem Taxonomie-Niveau – oder ganz ohne ein solches Reglement – sowie ein "Wasserbetteffekt": Das hierzulande stillgelegte Kohlekraftwerk wird dortzulande neu errichtet.

Daraus sollte die Politik lernen. Der Fokus der Klimapolitik muss stärker auf eine "reziproke", wechselseitige Kooperation der Staaten gerichtet werden.

Das würde freilich auch ein Umdenken in weiten Teilen der Umweltbewegung bedeuten, die sich lieber an nationalen oder gar persönlichen Klimabilanzen orientieren. Helfen sollte dabei, dass es maßgeblich der britische Ölkonzern BP war, der das populistische Konzept des individuellen CO2-Fußabdrucks populär gemacht hat.

"Wenn institutionelle Anleger weiterhin expandierende Kohle-, Öl- und Gasunternehmen unterstützen, ist der rechtzeitige Ausstieg aus fossilen Brennstoffen unmöglich", mahnt Katrin Ganswindt. Sie leitet die Finanzrecherche bei Urgewald.

 

Allemal werden taxonomierte Finanzmärkte benötigt, damit Pensionsfonds, Versicherer, Vermögensverwalter, Hedgefonds, Staatsfonds, Stiftungsfonds und Vermögensverwalter eine moderne Klimazeitenwende mitfinanzieren.

Doch der Markt schafft dafür aus sich heraus zu wenige Anreize. Die Politik muss mit Klimaabkommen international einheitliche Kriterien schaffen. Diese dürfen dann durchaus die eine oder andere nationale Eigenheit berücksichtigen.