Grafik: Kristin Rabaschus

"Nachhaltigkeit ist in der Finanzberatung zu einem gleichberechtigten Mitspieler neben bekannten Kriterien wie Sicherheit, Laufzeit und Rentabilität geworden", gibt sich Madlen Müller, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen, optimistisch. Nachhaltigkeit anzusprechen, gehöre heute einfach dazu, "völlig egal, ob es um Versicherungen, Geldanlage oder die Kontoführung geht".

Klingt gut, ist in der Praxis aber gar nicht so einfach.

So gibt es vielerlei Varianten, in denen die Finanzbranche versucht, Nachhaltigkeit abzubilden. Das kann bedeuten, auf bestimmte Unternehmen oder Branchen völlig zu verzichten.

Es kann aber auch bedeuten, in "schmutzige" Branchen zu investieren. Dort werden dann Unternehmen ausgewählt, die im Branchenvergleich strengere Kriterien erfüllen als das Gros.

Erschwert wird jede Auswahl durch eigenartige Abkürzungen und Begrifflichkeiten, die sich die Finanzwelt nach Bedarf zu eigen macht. So steht das Kürzel ESG für environmental, social, governance (Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung), die ebenfalls häufig verwendete Formel SRI meint socially responsible investment (sozial verantwortliches Investieren) und so weiter.

Gerade dieses Spiel mit mehr oder weniger ungeschützten Begriffen und Namen verschafft der Finanzbranche einige Möglichkeiten. So suchen Unternehmen angesichts der wachsenden Bedeutung von Klimaschutz sowie ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit nach Möglichkeiten, ihr öffentliches Image zu ändern – indem sie ihren Firmennamen aufhübschen.

Ein grüner Anstrich des Namens kann allerdings eine spezielle Art des Greenwashings sein. Dies belegt eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE in Frankfurt am Main.

Die SAFE-Forscher haben sich Aktiengesellschaften angeschaut, die bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC gemeldet sind. Dabei zeigte sich tatsächlich eine deutlich positive Reaktion des Aktienmarktes auf Namensänderungen mit Öko-Anstrich wie "Green", "Clean" oder "Environment" (grün, sauber, Umwelt).

Paradox: Insbesondere dann reagierten Börsen mit Kursgewinnen, wenn das betreffende Unternehmen zum Zeitpunkt der Ankündigung noch nicht an nachhaltigen Aktivitäten beteiligt war.

Studienautor Carmelo Latino zeigt sich allerdings optimistisch, dass Namenswäsche nicht wirklich funktioniert. "Der positive Effekt verschwindet, sobald das Greenwashing von den Anleger:innen entdeckt wird."

Schaffen tausend Daten den Durchblick?

Latinos Optimismus mag ein wenig naiv erscheinen. Hilfreich auf einer solchen Entdeckungstour könnten bald freilich Banken, Versicherungen und andere große Unternehmen sein, die zur jährlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung durch eine EU-Richtlinie verpflichtet sind.

Im vergangenen Dezember hatte die Europäische Union mit ihren "European Sustainability Reporting Standards", kurz ESRS, entsprechende Regeln erlassen. Das Projekt war an dieser Stelle mehrfach skeptisch gelobt worden.

Tue Gutes und zähle es: Betroffene Unternehmen müssen nach den neuen EU-Regeln nicht weniger als 1.110 Datenpunkte erheben – vom CO2-Ausstoß der Lieferanten bis zur Altersstruktur ihrer Belegschaft – und niederschreiben.

Ein riesiger Aufwand, für den es außerdem an Fachleuten und handfesten Informationen fehlt. Hinzu kommt wie in der normalen Finanzberichterstattung ein erheblicher Ermessensspielraum, den die ESG-Buchhalter haben. Zudem fehlt es an hinreichender Kontrolle.

Das bedeutet: Die Umsetzung der EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen könnte weitgehend ins Leere laufen. Dabei waren der Regelsetzung in Brüssel jahrelange quälende politische Streitigkeiten vorausgegangen – Stichworte Atomenergie und Erdgas.

Laut dem German Business Panel, das fortlaufend von der Universität Mannheim erhoben wird und alle Wirtschaftszweige, Regionen und Größenklassen in Deutschland repräsentativ abbildet, erwarten mehr als 80 Prozent der berichtenden Unternehmen, dass die Anwendung der ESRS-Taxonomie gar nichts an ihrer eigenen Geschäftspolitik ändern wird.

Ob sich die hohen politischen Erwartungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung erfüllen, muss vor diesem Hintergrund bezweifelt werden. Dabei gelten die neuen grünen Regeln bereits ab dem laufenden Geschäftsjahr. 2025 werden also die ersten Nachhaltigkeitsberichte erscheinen, die der Taxonomie-Ordnung entsprechen. Man darf gespannt sein.

Gespannt sein dürfen auch Sparer, die ihr Geld "grün" anlegen wollen. Schließlich zielen die Nachhaltigkeitsberichte nicht allein auf Kapitalgeber und Investoren, auf Finanzaufsicht, Lieferanten, Beschäftigte und Kunden, sondern auch auf Kleinanleger.

Bis dahin heißt es improvisieren: So informiert die Verbraucherzentrale Sachsen – wie andere Verbraucherzentralen auch – ständig über verschiedene Aspekte der nachhaltigen Finanzplanung, vom Girokonto bis zum Aktieninvestment. Eine Checkliste für nachhaltige Geldanlagen unter dem Motto "Darauf sollten Sie achten" finden Sie auf der Internetseite der Verbraucherschützer.