Viele Menschen, Bürgerinitiativen und Umweltverbände arbeiten mit Idealismus daran, unseren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Doch wo gesellschaftlich Bewegung ist und dramatische Narrative in der Politik erzählt werden, entstehen auch wirtschaftliche Chancen. Darauf setzt die rot-grün-gelbe Regierung in Berlin, wenn sie ein "grünes Wirtschaftswunder" verspricht.
Und auch die alte und neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hofft auf einen "grünen, gerechten und wettbewerbsfähigen Wandel", der die Wirtschaft gleichzeitig dekarbonisieren und industrialisieren soll.
Mittlerweile wachsen allerdings in Wirtschaft und Gesellschaft die Zweifel. Aktuell stehen die Zeichen nicht allein bei Landtagswahlen eher auf Sturm der Entrüstung.
Durch die hohen Energiepreise büßen Unternehmen in Deutschland und Teilen Europas global an Wettbewerbsfähigkeit ein, die E‑Mobilität wird von der Unlust der Hersteller und Verbraucher und angeblich fehlenden Ladesäulen ausgebremst, und klimaneutraler Wasserstoff, auf den Europas Industrie für die grüne Transformation setzt, ist bestenfalls noch Vision.
Tausend Prozent Preissteigerung
An anderer Stelle wird derweil richtig dicke Kasse gemacht. Profit treibt bekanntlich den Kapitalismus an, und Gewinnstreben motiviert ebenfalls Millionen Anleger in aller Welt. Immer wieder werden sie von heißen Börsen-Themen in den Bann gezogen. Wer vom nächsten großen Ding profitieren will, sollte rechtzeitig investieren, heißt es unter Finanz-Zockern.
Im Bereich der grünen Technologien geht es dabei neben Wasserstoff vor allem um Metalle wie Lithium oder Kobalt, die als unverzichtbar für die zukünftige Mobilität und Energieversorgung erachtet werden.
"Als Joe Biden im November 2021 ein riesiges Infrastrukturprogramm für die USA auflegte, wähnten sich viele Anleger im ultimativen Windschatten für Investitionen in 'saubere Energie'", lässt sich Thomas Grüner, Gründer des Vermögensverwalters Grüner Fisher Investments (GFI), in einer Pressemitteilung zitieren. Neu aufgelegte Indizes rund um Lithium, Batterien und Ähnliches seien dann durch die börsianische Decke geschossen.
Lithium gilt manchen als "Öl des 21. Jahrhunderts" – so bezeichnen Finanzanalysten mittlerweile einen Rohstoff, der gar kein Energierohstoff ist, sondern ein Leichtmetall. Doch in Sachen Bedeutung schien Lithium zeitweilig dem Öl schnell den Rang abzulaufen.
Ohne Lithium gehe nichts in der Stromspeicherung und damit auch in der Elektromobilität, so das Argument. Verzeichnete der Markt noch bis vor einigen Jahren ein Überangebot, so wurde Lithium mit der grünen Transformation plötzlich überaus knapp. So knapp, dass die Preise laufend neue Rekordhöchstwerte erreichten.
Dümpelte der Lithium-Kurs lange Zeit um einen Euro herum, bewegte er sich seit Mitte 2020 in Richtung zwölf Euro. Das entspricht einer Steigerung des Preises für das existenzielle Metall um mehr als 1.000 Prozent. Wer also rechtzeitig Lithium-Wertpapiere gekauft und nach zwei, drei Jahren wider verkauft hat, erzielte eine sagenhafte Rendite.
Zeitlose Lehren
Mittlerweile sind die Kurse für Lithium und andere "grüne" Rohstoffe wieder schwungvoll abgestürzt. Im Falle der sauberen Energie haben hohe Kosten für eine Enttäuschung gesorgt. Trotz großzügiger Steuererleichterungen und staatlicher Subventionen haben die Kosten die Gewinne der (potenziellen) Abnehmer von Lithium beeinträchtigt – damit sank deren Nachfrage nach den Metallen der grünen Transformation.
Bei Rohstoffkursen kommt es neben der Nachfrage aber zugleich erheblich auf die Angebotsseite an. Und hier gilt es auch einmal eine gute Nachricht zu verkünden.
Bei Metallen treibt eine ansteigende Nachfrage die Preise üblicherweise erst einmal schnell nach oben. Hohe Preise schaffen aber dann Anreize für neue Bergwerke, sodass Investitionen in neue Produktionsstätten sprunghaft ansteigen.
Zwar sind die Vorlaufzeiten bis zum ersten Spatenstich in einer Mine lang, sodass die Preise zunächst hoch bleiben, da Unternehmen um das weiterhin begrenzte Angebot konkurrieren. Schließlich werden aber neue Gruben in Betrieb genommen und die Preise stabilisieren sich.
Bald wird aus der Knappheit eine Angebotsschwemme – und die treibt die Preise in den Börsenkeller. Eine Entwicklung, die zukünftig etwa auch für Wasserstoff zu erwarten sein dürfte. Und die noch zu einem Segen für Elektromobilität und die grüne Transformation insgesamt werden kann.
Tatsächlich ist die jährliche Lithiumproduktion nach Berechnungen von GFI seit 2010 über alle Kurszyklen hinweg um etwa 540 Prozent gestiegen, einschließlich eines Anstiegs um 68 Prozent seit 2021. Die jährliche Produktion von Kobalt legte seit 2010 um 157 Prozent zu, mit einem Anstieg von fast 40 Prozent seit Ende 2021.
Selbst wenn die Preise mittlerweile drastisch gefallen sind, erhöhen frühere Investitionen weiterhin das Angebot. Und die Preise dürften weiter fallen – bis die Nachfrage deutlich ansteigt. Und vielleicht ein neuer Preis-Angebots-Zyklus beginnt.
Aus all dem schrillen Rohstoff-Rauschen an den Börsen lässt sich zum Schluss noch für Anleger eine zeitlose Lehre ziehen. "Wo der Hype regiert, sollten Anleger vorsichtig sein", resümiert GFI-Chef Grüner.
Heiße Hoffnungen und große Geschichten sind keine nachhaltige Investitionsgrundlage für Kleinanleger und Sparer. Der Kapitalismus, seine Märkte und Börsen ticken im eigenen, gierigen Takt.