Eine Person kauft mit dem Smartphone ein.
Im Internet einkaufen ist nicht besonders klimafreundlich. Noch mehr CO2 versursacht aber die Fahrt mit dem Auto zum Shoppingcenter. (Bild: Hannes Edinger/​Pixabay)

Gemütlich zu Hause sitzen und shoppen. Das gibt es nicht erst, seitdem der Onlinehandel über Amazon, Zalando und Co und boomt. Früher studierte man die Katalog-Wälzer von Quelle, Otto und Neckermann, um dann telefonisch oder per Post zu bestellen.

Seit das Aussuchen, Bestellen und Bezahlen durch das Internet noch einmal viel einfacher geworden ist, hat das Nach-Hause-Liefern-Lassen aber ganz andere Dimensionen angenommen – und so auch die Umwelt- und Klimabelastung durch die zahllosen Transporte, die dadurch notwendig werden.

Doch es gibt Möglichkeiten, die negativen Auswirkungen zu minimieren. Das zeigt eine Analyse, die das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe für den Bundesverband E‑Commerce und Versandhandel (BEVH) durchgeführt hat.

Unter anderem bei Büchern ist der Anteil des E‑Commerce hoch, er beträgt hier über 40 Prozent. Das heißt, fast jedes zweite Buch wird nicht mehr im Laden, sondern am Computer gekauft. Im Schnitt aller Warengruppen des Einzelhandels beträgt der Anteil laut dem EHI Retail Institute in Köln rund 20 Prozent.

Am meisten Geld umgesetzt wird allerdings im Segment Kleidung, und hier ist die Klimabilanz besonders kritisch. Bekanntermaßen gibt es hier viele Retouren und Neubestellungen, bis die richtigen Klamotten gefunden sind – der CO2-Fußabdruck vergrößert sich.

Bei den Paketzustellungen bis zur Haustür kommt so einiges an Treibhausgasen zusammen. Eine typische Lieferung verursacht im Schnitt rund 1,42 Kilogramm CO2, wie das Fraunhofer ISI ermittelte. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa einer zehn Kilometer langen Fahrt in einem Pkw mit Benzin- oder Dieselantrieb.

Wie viel CO2 aber tatsächlich bei einer Bestellung anfällt, hängt sehr stark vom Einzelfall ab, wie eine vom ISI angestellte Vergleichsrechnung zeigt – und daraus ergeben sich auch die Möglichkeiten, klimafreundlicher zu werden.

In der Untersuchung wurden erstmals detailliert die gesamten Klimafolgen eines Online-Einkaufs aufgeschlüsselt – von der Bestellung über digitale Weiterbearbeitung, Verpackung und Logistik bis zur Zustellung, gegebenenfalls auch mit Retoure. Die umstrittene CO2-Kompensation war dabei natürlich ausgeschlossen.

Optimierte E-Transporte würden viel einsparen

Im hypothetischen "Best Case" würden statt 1,42 nur 0,47 Kilogramm entstehen, also ein Drittel. Dies sähe laut ISI so aus: Bestellung nach kurzer Produktsuche per Smartphone (im W-Lan), bei optimal geplantem Versand (letzte Meile durch Elektrofahrzeug an eine Packstation), mit einer recycelten Mehrwegversandverpackung (hohe Anzahl von Umläufen), über energetisch optimierte Logistikzentren sowie ohne nachfolgende Retoure.

Der "Worst Case" ist drastisch klimaschädlicher. Kennzeichen hier: lange Produktsuche am Desktop-Computer, Transport per Dieselfahrzeug, Zustellung erst im dritten Versuch an der Haustür, materialintensive Mehrwegversandverpackung (nicht faltbar für Rückversand, wenige Umläufe, kein recyceltes Material). Außerdem: Die Logistik- und Verteilzentren sind energetisch nicht optimiert.

Kommt noch eine Retoure samt Ersatzbestellung hinzu, entstehen rund 4,43 Kilogramm CO2, also mehr als dreimal so viel wie im Standardfall und fast zehnmal so viel wie im "Best Case".

Es gebe "ganz konkrete Ansatzpunkte und real umsetzbare Hebel, wie der Onlinehandel zukünftig noch nachhaltiger werden kann", sagte Hauptautor Matthias Gotsch vom ISI. Das Institut sieht zum Beispiel große Potenziale bei der Elektrifizierung der Auslieferung. Mit E‑Transporten könnten danach die Emissionen auf der "letzten Meile" um 24 Prozent gesenkt werden.

Weitere bis zu 25 Prozent wären beim Ausliefern einzusparen, wenn Logistiker sich bei der Belieferung ländlicher Regionen zusammenschlössen, statt jeweils eigene Fahrzeuge fahren zu lassen. Große Effekte kann laut der Untersuchung auch die gebündelte Zustellung an Paketshops und Packstationen haben, die für die Kundschaft fußläufig erreichbar sind. Sie würden nur halb so viele Emissionen wie eine Haustür-Zustellung verursachen.

Branche fordert Anreizsystem

Ein nicht unerheblicher Posten in der Klima- und Umweltbilanz sind auch die Verpackungen, in denen die Produkte geliefert werden. So können durch die Nutzung von Mehrweg-Versandtaschen – "viele Umläufe, faltbar für Rücktransport, recyceltes Material" – 60 bis sogar 98 Prozent der CO2-Belastung aus diesem Bereich wegfallen. Hier müssten allerdings noch effiziente Wege gefunden werden, diese Taschen wieder zum Händler zurückzubringen. Dafür etwa die Post zu nutzen, wäre zu teuer.

Ein weiterer Ansatz zum Materialsparen: Hersteller verpacken ihre Produkte gleich in versandfähigen, also stabilen Kartons. Dann könnten die zusätzlichen Versandkartons einfach entfallen.

Die Studie zeigt also: Die Logistiker haben durchaus Stellhebel, um den E‑Commerce klima- und umweltfreundlicher zu machen.

Es bewegt sich auch schon das eine oder andere in diese Richtung. So nimmt die Elektrifizierung der Lieferflotten Fahrt auf. Der Marktführer DHL zum Beispiel setzt auf der letzten Meile, die von knapp 61.000 Transportern bedient wird, bereits rund 40 Prozent E‑Fahrzeuge ein. Auch die Konkurrenten wie GLS, DPD und GLS ziehen hier nach, wenn auch bisher auf deutlich niedrigem Niveau.

BEVH-Geschäftsführer Christoph Wenk-Fischer betonte aber mit Blick auf die ISI-Studie, nötig für weitere Fortschritte seien ein "entsprechendes Anreizsystem, der Abbau bürokratischer Hürden sowie realistische und zielführende Regelungen". Dafür müsse die Politik sorgen.

Klar wird aus der Studie allerdings auch die Verantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher, die zu Hause am Computer oder am Handy entscheiden, was und wie oft gekauft wird. Entscheiden sie sich zum Beispiel, etwas von einer der zunehmend beliebten Recommerce-Plattformen schicken zu lassen, die gebrauchte Produkte anbieten, gegebenenfalls neu aufbereitet, lohnt sich das trotz des Lieferaufwandes in der Umweltbilanz allemal.

Im gesamten Lebenszyklus von Produkten ist der Handel im Schnitt nämlich nur für einen einstelligen Prozentanteil des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich, auch das ergab die Studie. Die meisten Emissionen fallen bei der Produktion an – und je länger die Produkte genutzt werden, desto besser.