Mehr als 100 deutsche Digitalunternehmen haben sich unter dem Namen "Leaders for Climate Action" zusammengeschlossen, um von der Politik Klimaschutz einzufordern. Ihre neue Allianz stellten sie am Dienstag in Berlin vor.
Unter ihnen sind der Online-Modehandel Zalando, der Reisebusanbieter Flixbus, die Essen-Bestellplattform Delivery Hero. Ziel sei es zu zeigen, dass Klimaschutz nicht nur Bürde, sondern auch eine Chance für die Wirtschaft sei.
Dazu müsse aber der politische Rahmen gesetzt werden, hieß es. "Konkret fordern wir die sofortige Einführung einer CO2-Bepreisung von mindestens 50 Euro pro Tonne, die auf mindestens 130 Euro pro Tonne bis 2030 angehoben werden muss", sagt Boris Wasmuth vom Online-Spiele-Anbieter Game Duell.
Er bezieht sich dabei auf ein Szenario, dass die Wirtschaftsweisen in einem Bericht an die Bundesregierung vorgezeichnet hatten. "Die Bepreisung muss sofort und kontinuierlich angepasst werden, sodass auch tatsächlich CO2 reduziert wird."
Welche Art des Preises die Unternehmen fordern, ob das Ziel also über eine CO2-Steuer oder den Emissionshandel erreicht werden soll, ließ Wasmuth offen – seine Forderung dürfte aber auf ein Steuermodell hinauslaufen: "Entscheidend ist, dass eine CO2-Bepreisung spätestens im Januar 2020 eingeführt wird und lenkungswirksam ist."
Die Ausweitung des Emissionshandels auf alle Sektoren dürfte Jahre dauern, nach einer Studie des Thinktanks Agora Energiewende mindestens bis 2023. Eine Steuer wäre deutlich schneller einzuführen, auch wenn der Prozess juristisch nicht einfach ist.
"Komplett aus den fossilen Energien aussteigen"
Neben einem Preis auf Kohlendioxid wollen die Digitalunternehmer, dass Deutschland Energie ab 2035 nur noch erneuerbar gewinnt. "Wir müssen komplett aus den fossilen Energien aussteigen und unseren Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Energien abdecken", sagte David Wortmann von der PR-Agentur DWR Eco.
Derzeit stammen etwa 17 Prozent der hierzulande verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen. Wortmanns Vision von Deutschland: "umweltschonend, lebenswert und klimaneutral".
Bislang tut sich Deutschland schwer, auch nur die Klimaneutralität ab 2050 zu versprechen. Eine Allianz europäischer Länder wirbt für das Ziel, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schloss sich vor einigen Monaten erst nach einigem Hin und Her an. Formal beschlossen ist das Ziel immer noch nicht.
Eine Neuberechnung des globalen CO2-Budgets hat kürzlich gezeigt: 2050 wäre viel zu spät für die Klimaneutralität, wenn das Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen eingehalten werden soll, die Erderhitzung bei höchstens 1,5 Grad zu begrenzen.
Wenn man für das 1,5-Grad-Ziel wenigstens eine Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit haben will, wären auch die Digitalunternehmer mit ihrer 2035er-Marke noch zu spät dran: Dafür müsste die gesamte Welt schon 2030 klimaneutral sein.
Industriestaaten müssen eigentlich noch früher mit der Dekarbonisierung fertig sein, wenn der Rest der Welt etwas länger haben Zeit haben soll. Der hat schließlich weniger Geld und trägt weniger Verantwortung für die Klimakrise.
Reicht einem eine Fifty-fifty-Chance, wäre das Stichjahr 2038. Setzt man dann wieder unterschiedliche Daten für Industrie- und Entwicklungsländer an, könnte man für Deutschland also etwa auf 2035 kommen. Neben den "Leaders for Climate Action" verlangt auch die Schulstreik-Bewegung "Fridays for Future" ein solches Ziel.
Die neue Allianz verspricht auch, bei sich selbst anzusetzen. Die Unternehmen haben sich einen Klima-Kodex gegeben. Als Mindestanforderung für das kommende halbe Jahr gilt demnach: die Ernennung eines Klimaschutzbeauftragten, die Aufstellung einer CO2-Bilanz und die Durchführung von mindestens zwei Klimaschutz-Maßnahmen aus einem Katalog.
Die sogenannten "Flagship Supporter" unter den Unternehmen wollen in den kommenden zwei Jahren klimaneutral werden.