Die Vision gibt es schon seit über drei Jahrzehnten: Eine "Kreislaufwirtschaft" soll das bisherige Wirtschaften ablösen, das enorme Mengen an Rohstoffe und Energie benötigt und viele Abfälle erzeugt, die deponiert werden müssen. Der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) machte das Konzept populär, das 1991 mit dem "Grünen Punkt" bei den Verpackungen erstmals versucht wurde umzusetzen.
Inzwischen hat sich das Leitbild einer Wirtschaft ohne Abfall in Deutschland durchgesetzt. Die Praxis allerdings hinkt hinterher.
Dabei könnten zum Beispiel die energieintensiven Industrien Stahl, Zement und Kunststoffe mit einer konsequenten Kreislaufwirtschaft ihren CO2-Ausstoß schneller und effizienter senken, wie eine neue Untersuchung zeigt. Weiterer Vorteil: Die Branchen würden weniger abhängig von steigenden Energie- und Rohstoffpreisen.
Alle sprechen von der "zirkulären Ökonomie". Bereits 2015 veröffentlichte die EU-Kommission einen ersten Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, der den Übergang zu einer stärker an Kreisläufen orientierten Wirtschaft in der EU fördern soll.
Auch die Bundesregierung arbeitet an einer "nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie". Es gebe dabei ein "erhebliches Potenzial zur Minderung der Emissionen von Treibhausgasen", heißt es in der Zielbeschreibung.
Freilich ist hier noch viel zu tun. Jeder Deutsche verbraucht rechnerisch rund 16.000 Kilogramm Rohstoffe pro Jahr, wie 2021 eine Studie im Auftrag des Naturschutzbundes Nabu ergab. Nur maximal zwölf Prozent davon stammen aus dem Recycling. Dabei ist das Metallrecycling mit rund 33 Prozent noch relativ gut entwickelt, doch auch hier gibt es noch viel Potenzial.
Laut der jetzt vorgelegten Untersuchung des Thinktanks Agora Industrie könnte eine ausgebaute Kreislaufwirtschaft für Stahl, Zement und Kunststoffe die Kosten für den Übergang zur Klimaneutralität um 45 Prozent und den Energieverbrauch um 20 Prozent senken. Zudem könnten auf diesem Weg bis 2045 rund 25 Prozent der sonst bis dahin anfallenden CO2-Emissionen eingespart werden.
Weiterer Vorteil: Es gäbe Kostenersparnisse, weil die Produktion von Grundstoffen aus Recycling-Rohstoffen billiger ist als aus der "Primärproduktion". Eine solche Industriestrategie reduziere zudem den Bedarf an Infrastruktur für Wasserstoff, der fossile Energien ersetzen soll, sowie für die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS). Letztere wird unter anderem für die Zementindustrie diskutiert.
"Ökologische, aber auch wirtschaftliche Vorteile"
Der Direktor von Agora Industrie, Frank Peter, sagte dazu: "Die Vorteile einer verstärkten Kreislaufführung sind immens und sollten genutzt werden." So ließen sich nicht nur die Klimaziele besser erreichen, die Produktion in Deutschland werde auch resilienter gegenüber Lieferkettenproblemen und hohen Energiepreisen. Der Wirtschaftsstandort werde gestärkt.
Durch die stärkere Nutzung von Recycling-Rohstoffen und die Konzentration auf lokale Ressourcen könnten Unternehmen widerstandsfähiger werden gegenüber externen Schocks, die sie etwa in den letzten Jahren durch Corona und die Folgen des Ukraine-Kriegs getroffen haben.
Als Beispiele nannte Peter die Automobilindustrie und den Gebäudesektor. In der Autoproduktion könne allein durch Gestaltungsoptimierung der Materialverschnitt bei Metallen halbiert werden. In Gebäuden wiederum lasse sich beim Einsatz von Stahl die Materialeffizienz um 16 Prozent erhöhen.
Die Umstellung nützt laut der Analyse auch der Wettbewerbsfähigkeit. So würden durch die effiziente Wiederverwendung von Produkten und die Förderung von Recyclingverfahren neue Innovationsfelder geschaffen. "Deutschland und Europa sind ideal positioniert, um die Vorteile der Kreislaufwirtschaft zu nutzen", sagte Peter.
Die Expertise, die über Jahrzehnte im Bereich Recycling aufgebaut wurde, und eine starke gesellschaftliche Unterstützung für nachhaltige Wirtschaftsmodelle seien gute Voraussetzungen, um innovative Geschäftsmodelle und Technologien zu ermöglichen. "Daraus ergeben sich nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile."
Neue Geschäftsmodelle könnten aus der Maximierung der Lebensdauer von Produkten sowie in den Bereichen 3D‑Druck, digitale Produktpässe, optimierte Produktdesigns und intelligente Sortier- und Recyclingtechnologien entstehen.
Die Transformation zu einer ressourcenschonenden Produktion muss laut dem Thinktank von der Politik gezielt gefördert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zirkulärer Geschäftsmodelle zu stärken. So müssten Ziele für die Ressourceneffizienz und den Einsatz von wiederverwerteten Stoffen gesetzt sowie ein geeignetes Monitoring-System für wichtige Materialströme etabliert werden.
Peter dazu: "Mit der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie sollte die Bundesregierung jetzt den Rahmen für die Entwicklung eines Leitmarkts für zirkuläre Technologien und Produkte schaffen." Die Studie "Resilienter Klimaschutz durch eine zirkuläre Wirtschaft" wurde im Auftrag von Agora Industrie vom Münchner Beratungsunternehmen Systemiq ausgearbeitet.