Der Gebäudesektor ist ein Ressourcen- und Klimakiller. Wohnungen und andere Infrastruktur für mehr als acht, bald wohl zehn Milliarden Menschen zu schaffen, ist eine gewaltige Herausforderung.

Vor ein paar Jahren sorgte die Berechnung eines kanadischen Umweltforschers für Aufsehen, wonach allein durch den Bauboom in China in den Jahren 2011 bis 2013 so viel Beton verbraucht wurde wie in den USA im ganzen 20. Jahrhundert.

 

Nun hat das UN-Umweltprogramm Unep eine andere Rechnung aufgemacht, die die Problemlage ebenfalls verdeutlicht: Die rasante weltweite Urbanisierung führt dazu, dass alle fünf Tage rechnerisch Gebäude im Volumen der Stadt Paris hinzukommen. Doch das Unep entwirft auch eine Vision, wie der Bausektor bis 2050 ressourcenschonend und sogar klimaneutral werden könnte.

Das Unep verfolgt dabei einen Dreifach-Ansatz: Nötig sei es, Material einzusparen, etwa durch Umnutzung bestehender Gebäude statt Neubau, zudem Baustoffe wie Stahl und Beton möglichst CO2-frei herzustellen sowie mehr nachwachsende Rohstoffe wie Holz oder Bambus zu nutzen, durch die Gebäude zum CO2-Speicher werden.

Ausgeführt ist das in einem neuen Report, der vom Unep und dem Zentrum für Ökosysteme und Architektur (CEA) der Yale-Universität in den USA erarbeitet wurde. Der Bericht "Constructing a New Future" ist jetzt veröffentlicht worden.

Die Analyse untermauert, dass der Gebäudesektor neben dem Verkehr am schwierigsten zu dekarbonisieren ist. Er sei heute bereits für 37 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, heißt es darin. Bis 2060 soll sich nach Schätzungen der Verbrauch von Rohstoffen in dem Bereich sogar noch verdoppeln, wenn nicht gegengesteuert wird, ebenso die Siedlungsfläche der Städte.

Vermeidung von Neubau als "wichtigste Option" 

Die Leiterin der Unep-Wirtschaftsabteilung Sheila Aggarwal-Khan sagte dazu, moderne Materialien wie Beton und Stahl vermittelten "oft nur die Illusion von Dauerhaftigkeit", sie landeten meist irgendwann auf Deponien und trügen zur wachsenden Klimakrise bei. "Netto null Emissionen im Baugewerbe sind bis 2050 erreichbar, sofern die Regierungen die richtigen politischen Maßnahmen, Anreize und Vorschriften schaffen, um die Branche zum Handeln zu bewegen", fügte sie hinzu.

Aggarwal-Khan erinnerte daran, dass bis vor der beschleunigten Urbanisierung, die im 20. Jahrhundert einsetzte, "die meisten Gebäude aus lokalem Lehm, Stein, Holz und Bambus gebaut wurden". Eine Rückbesinnung darauf kann laut dem neuen Report ein Teil der Lösung sein.

Vier Bauarbeiter arbeiten an einer Stahlbetonkonstruktion.
Stahlbeton ließe sich nur mit sehr großen Mengen Grünstrom dekarbonisieren. (Bild: Peggy Lachmann-Anke/Pixabay)

Die Unep-Fachleute dringen darauf, den gesamten Bauzyklus ins Visier zu nehmen. Bisher werde versucht, Gebäude klimafreundlicher zu nutzen, wenn sie schon gebaut sind, etwa beim Heizen, Kühlen und Beleuchten. Gemeint sind damit Maßnahmen wie Umstellung auf Wärmepumpen oder sparsame LED-Lampen.

Hier gebe es auch Fortschritte, weil der Anteil von erneuerbarem Strom kontinuierlich ansteigt. Im Gegenzug nehmen laut Unep der CO2-Ausstoß und der Ressourcenverbrauch durch die Bautätigkeit rasant zu.

Hier müsse angesetzt werden. Industrieländer sollten stärker auf die Umnutzung bestehender Gebäude und das Recycling von Baustoffen setzen. Entwicklungs- und Schwellenländern hingegen wird empfohlen, die nicht nachhaltigen Bautechnologien aus dem letzten Jahrhundert quasi zu überspringen.

Generell sollte laut dem Dreifach-Ansatz geprüft werden, ob weniger neu gebaut werden kann, indem man bestehende Gebäude "umnutzt" – also etwa in Zeiten von Homeoffice weniger gefragte Büros zu Wohnungen umgestaltet. Dies sei die "wichtigste Option", da dabei 50 bis 75 Prozent weniger Emissionen anfielen als beim Neubau.

Weitere Vorschläge: Förderung eines materialsparenden und recyclinggerechten Bauens. Schon in der Planung solle konzipiert werden, wie das Gebäude später demontiert und die Bauelemente wiederverwertet werden können.

Beton und Stahl nur dort, wo es nicht auch anders geht

Im zweiten Schritt geht es um die Umstellung auf nachhaltig gewonnene "biobasierte" Baumaterialien, darunter Holz, Bambus und andere erneuerbare Rohstoffe. Dies kann laut dem Report in vielen Regionen bis 2050 zu Emissionseinsparungen von bis zu 40 Prozent in diesem Sektor führen. Gebäude, die überwiegend aus solchen Materialien gebaut werden und damit Kohlenstoff langfristig einlagern, könnten damit sogar "CO2-negativ" werden, die Treibhausgas-Bilanz also entlasten.

Das Bauen mit Holz wird unter anderem von der EU und auch der Bundesregierung als wichtiger Hebel für Klima- und Ressourcenschutz gesehen und gefördert. Im Unep-Bericht heißt es, dieser Ansatz müsse generell politisch stärker unterstützt werden. Die Nutzung der Biomaterialien stelle wahrscheinlich "die beste Hoffnung auf eine radikale Dekarbonisierung" des Sektors dar.

 

Der dritte Ansatz betrifft die "grüne" Herstellung von Baustoffen wie Beton, Stahl und Aluminium in Bereichen, wo sie nicht ersetzt werden können. Allein diese drei Materialien sind heute für 23 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Das Unep schlägt hier die Elektrifizierung der Produktion mit erneuerbaren Energiequellen vor, außerdem mehr Nutzung von Recyclingmaterial und die Durchsetzung innovativer Technologien.

Die Unep-Studie wurde übrigens von den deutschen Bundesministerien für Wirtschaft sowie Entwicklung finanziert. Vera Rodenhoff vom Wirtschaftsministerium sagte dazu: "Die Dekarbonisierung des Gebäude- und Bausektors ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erreichung des Ziels, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen." Die Studie liefere dazu nun "sehr praktische Empfehlungen".