Das Bild zeigt Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit EU-Parlamentschef David Sassoli, der die Arme einladend öffnet.
Frankreichs Präsident Macron, EU-Parlamentschef Sassoli und Kanzlerin Merkel (von links) beim EU-Gipfel am Donnerstag: Bald muss sich die EU auf ein neues Klimaziel verständigen. (Foto: EU)

Die EU-Staaten machen sich bereit für die Verhandlungen über das neue Klimaziel für 2030. Auf einem Gipfel in Brüssel diskutierten die Staats- und Regierungschef:innen heute über den Vorschlag der EU-Kommission, auf eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 hinzuarbeiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte am Vormittag ihre Unterstützung für den Vorschlag und forderte die anderen Staaten auf, ihr das bis Ende des Jahres gleichzutun. Eine Erklärung von elf ihrer Amtskolleg:innen, in der diese dasselbe fordern, hat Merkel allerdings nicht unterschrieben.

In dem Statement verweisen die Elf darauf, dass es folgerichtig wäre, das Ziel für 2030 anzuheben, nachdem die EU-Staaten im vergangenen Dezember beschlossen haben, bis 2050 klimaneutral zu werden.

"Geben wir als Gemeinschaft eine starke und glaubwürdige Antwort auf die Klimakrise und erhöhen wir unser Klimaziel auf mindestens 55 Prozent, um bis 2050 klimaneutral zu werden", heißt es in der Erklärung von Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal, Schweden und Spanien.

Bislang will die EU bis zum Ende des Jahrzehnts lediglich um 40 Prozent unter das Emissionsniveau von 1990 kommen. Diese Entscheidung stammt aus dem Jahr 2014, fiel also lange vor dem Beschluss zur Klimaneutralität und auch vor dem Pariser Weltklimaabkommen von 2015.

Im Paris-Abkommen haben sich die Staaten der Welt verpflichtet, alle fünf Jahre ihre Klimaziele zu überprüfen, zu aktualisieren und dem UN-Klimasekretariat zu melden. Das steht dieses Jahr zum ersten Mal an.

Die Zeit für eine Einigung in der Europäischen Union drängt also. Vor allem, weil die EU-Staaten diesmal keine individuellen Klimaschutz-Vorhaben melden, sondern nur alle zusammen das EU-Ziel.

Die EU ist spät dran

Eigentlich ist die Einreichungsfrist nach dem Paris-Vertrag schon im Februar abgelaufen – neun Monate vor dem Weltklimagipfel des betreffenden Jahres. Da der Gipfel inzwischen wegen der Coronakrise um ein Jahr auf November 2021 verschoben wurde, ergibt diese Regelung aber keinen Sinn mehr und das kommende Jahresende ist per stiller Übereinkunft zur neuen Frist geworden. Die EU ist also in jedem Fall spät dran.

Damit ist sie nicht allein, nur wenige Länder haben bisher neue Ziele abgegeben. Das Paris-Abkommen sieht keine Sanktionen für Staaten vor, die den Klimaschutz vernachlässigen – es legt nicht einmal fest, wie viel Klimaschutz für jeden Staat angemessen wäre.

Die Hoffnung ist vielmehr, dass Klimaschutz dadurch allgemein attraktiv wird, dass ihn genug Länder vormachen. Die Welt schaut deshalb besonders auf die EU als Bund aus reichen Industriestaaten.

Ein neues Klimaziel ist dafür natürlich nur der erste Schritt – entscheidend ist seine Erfüllung. Sollten die bisher bei den Vereinten Nationen gemeldeten Ziele komplett erreicht werden, würde das nach verschiedenen Berechnungen immer noch auf eine Erderhitzung um durchschnittlich drei bis vier Grad hinauslaufen.

Es besteht also allseits Nachholbedarf – denn das Paris-Abkommen soll erklärtermaßen dazu führen, dass mit dem Aufheizen der Erde bei "deutlich unter zwei Grad" Schluss ist, möglichst sogar bei 1,5 Grad. Jenseits der 1,5-Grad-Grenze droht die Aktivierung von Kippelementen im Klimasystem, durch die der Klimawandel unkontrollierbar werden könnte.

Das EU-Parlament will ein stärkeres Klimaziel

Einige EU-Staaten sind dennoch skeptisch, was den 55-Prozent-Vorstoß angeht. Darunter sind die Kohleländer Polen und Tschechien. Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš zeigte sich aber grundsätzlich offen für das von der EU-Kommission vorgeschlagene Ziel – solange andere EU-Mitglieder ausgleichen würden, was sein Land selbst nicht schaffen könne.

Solch eine Regelung gibt es bereits, zumindest für die Wirtschaftsbereiche, die sich nicht am europäischen Emissionshandel beteiligen müssen. Das sind Verkehr, Bauen und Landwirtschaft. Wie viel jedes einzelne Land dabei schaffen muss, hängt von seiner Wirtschaftskraft ab.

Wenn die EU-Staaten sich untereinander auf eine Position geeinigt haben, müssen sie noch mit dem EU-Parlament verhandeln. Das Parlament will über die Pläne der EU-Kommission hinausgehen und das CO2-Einsparziel für 2030 auf 60 Prozent anheben.

Ergänzung am 16. Oktober: Der EU-Gipfel hat die Entscheidung über das höhere Klimaziel auf Dezember verschoben.

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