Vom Hochwasser unterspültes Bahngleis neben der Ahr, daneben angespültes Holz.
Dernau an der Ahr nach der Hochwasserkatastrophe, Mitte August 2021. (Foto: Gerrit/​Wikimedia Commons)

Das extreme Hochwasser, das vor einem Jahr unter anderem Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verwüstete, zählt zu den fünf schwersten und teuersten Naturkatastrophen der vergangenen 50 Jahre in Europa.

Über 180 Menschen starben, weit über 10.000 Gebäude wurden beschädigt, viele Straßen, Brücken und Bahnstrecken wurden zerstört, ebenso wie Strom- und Wasserversorgungsnetze. Der Gesamtschaden in Deutschland wird auf 32 Milliarden Euro geschätzt.

Das zeigt: Besserer ökologischer Hochwasserschutz ist nötig, denn die Zahl von Hochwasser-Ereignissen in Westeuropa und ihre Intensität wird steigen, wie Forschungen zeigen.

Das Tiefdruckgebiet "Bernd" hatte am 14. und 15. Juli 2021 zugeschlagen. Im Ahrtal in Rheinland-Pfalz sowie an der Erft in Nordrhein-Westfalen fielen binnen 24 Stunden 100 bis 150 Liter Regen auf den Quadratmeter, wobei der Großteil der Wassermassen in einem kurzen Zeitfenster von zehn bis 18 Stunden vom Himmel kam.

Bereits in früheren Jahrhunderten hat es zumindest an der Ahr ähnlich starke Niederschläge und Wasserabflussmengen geben, so bei den historischen Hochwasserereignissen 1804 und 1910. Allerdings lagen die Pegelstände im Jahr 2021 in mehreren Orten deutlich höher als damals, ebenso die dadurch angerichteten Schäden.

Dafür geben mehrere Faktoren zusammen den Ausschlag: Das Flusstal ist stärker bebaut worden, die Böden haben ihre Schwammfunktion teilweise verloren und auch das Material, das durch ein Hochwasser mittransportiert wird, hat sich erheblich verändert.

Forschungsteams des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben sich inzwischen intensiv mit der Ahrtal-Katastrophe befasst. Grundsätzlich muss danach wegen des Klimawandels mit stärkeren Niederschlägen gerechnet werden. "Die Intensität solcher Niederschlagsereignisse nimmt um etwa sieben Prozent pro Grad Erwärmung zu", erläuterte KIT-Experte Patrick Ludwig.

Gegenüber den vorindustriellen Bedingungen habe sich die Niederschlagsmenge bereits um elf Prozent erhöht. "Bei fortschreitender globaler Erwärmung müssen wir also von einer weiteren Verstärkung des Niederschlags ausgehen", erläutert Ludwig.

Zugbahnen der Wettersysteme haben sich verschoben

Hinzu kommt laut den am KIT durchgeführten Zukunftsprojektionen: Solche Extremereignisse dehnen sich sowohl räumlich als auch zeitlich aus, und ihre Häufigkeit nimmt zu. Die Erdatmosphäre hat sich im globalen Schnitt bereits um rund 1,2 Grad erwärmt, und derzeit befindet die Welt sich laut dem Weltklimarat IPCC auf einem Pfad zu drei Grad oder mehr bis zum Ende des Jahrhunderts.

Dass in Deutschland mit mehr Extremen an den Flüssen gerechnet werden muss, zeigt auch ein weiteres, internationales Forschungsprojekt. Danach hat die Häufigkeit von Hochwassern in Westeuropa bereits spürbar zugenommen. Vor allem Mittel- und Nordwesteuropa befänden sich in einer "hochwasserreichen Periode, und es sieht nicht so aus, als ob sie aufhören würde", sagte der renommierte Hydrologe Günter Blöschl von der TU Wien.

Blöschls Team hat zusammen mit Instituten aus Deutschland und der Schweiz Daten aus den vergangenen 500 Jahren ausgewertet. Danach ist der Effekt, dass die Atmosphäre durch die höheren Temperaturen mehr Wasser aufnimmt, das dann wieder abregnet, zwar vorhanden, hat aber nur einen geringen Einfluss auf die regionalen Hochwasser.

Vielmehr nähmen Hochwasser etwa in Deutschland oder Großbritannien zu, weil sich die Zugbahnen der Wettersysteme, die Hochwasser auslösen, weiter in den Norden verschoben haben. "Es ist eher eine globale Änderung der Zirkulationsmuster, die den Unterschied macht", so Blöschl – und diese wiederum sei zu einem gewissen Grad durch den Klimawandel bedingt.

Neuartiges Treibgut zerstört Brücken

Die Karlsruher Expert:innen betonen unterdessen: Das schwere Hochwasser im Juli 2021 habe gezeigt, wie wichtig es ist, auf derartige Ereignisse vorbereitet zu sein und angemessen zu reagieren. Sie weisen in diesem Zusammenhang übrigens auf einen Aspekt hin, der bisher noch kaum beachtet wurde.

"Wir haben gesehen, dass sich die Art des Geschiebes – also Material, das durch ein Fließgewässer mittransportiert wird – erheblich verändert hat", erläuterte Susanna Mohr, die Geschäftsführerin des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (Cedim) am KIT.

Nicht nur weggespülte Sedimente und Totholz hätten sich an den Brücken im Ahrtal gestaut, sondern auch viele menschengemachte Dinge wie Autos, Wohnwagen, Mülltonnen oder Baumaterialien. Das habe zu zusätzlichen Engpässen geführt und die Auswirkungen des Hochwassers weiter verschärft, so Mohr.

Der Wasserexperte Nik Geiler vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) hält dieses Problem ebenfalls für unterschätzt. Die großen Mengen Treibgut hätten dazu geführt, dass die Brücken dem gewaltigen Druck nicht mehr standhalten konnten, die Verklausungen seien dann explosionsartig gebrochen. "Im Ahrtal wurden auf diese Weise von 170 Brücken 60 Prozent beschädigt oder völlig zerstört", sagt Geiler.

Leider würden nun in den Hochwasserregionen vielerorts die Brücken wieder wie vorher aufgebaut. Für Geiler ein großer Fehler: "Mit der Falschdimensionierung der Brücken ist die nächste Hochwasserkatastrophe programmiert."

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