Unwetter
Unwetterlagen werden nicht unbedingt häufiger, bringen aber stärkere Zerstörungen mit sich. (Foto: DWD)

Überschwemmte Straßen, gesperrte Bahnstrecken, vollgelaufene Keller, umgekippte Bäume – schwere Unwetter mit solchen Folgen gab es schon immer. Gerade auch im Frühsommer. Die Monate Juni und Juli sind die typischen Gewittermonate.

Was sich in den letzten Tagen in mehreren Regionen Deutschlands und zuletzt in der Eifel abspielte, hat jedoch eine neue Dimension.

Der Eindruck täuscht nicht: Starkregen und Gewitter fallen heute tendenziell stärker aus als in früheren Jahrzehnten. Dieser Trend ist weltweit nachweisbar, wie ein Team des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) schon 2015 in einer Studie nachwies.

Danach werden seit etwa 1980 immer neue Rekorde bei extremen Regenfällen festgestellt. Bis dahin hätten sich Schwankungen bei Starkregenereignissen mit natürlichen Faktoren erklären lassen. Seither aber gebe es einen "Aufwärtstrend nie dagewesener Regenfälle", so das PIK. Dieser sei nur durch den Einfluss der Erderwärmung zu erklären.

Laut der Studie sind feuchte Regionen auf dem Globus besonders stark betroffen. So gab es in Südostasien eine Zunahme bei den Rekord-Regenfällen um 56 Prozent. Aber auch in Europa ist das Phänomen messbar. Hier lag das Plus bei 31 Prozent.

Auch Deutschland ist betroffen. Beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach heißt es: "Die Extremereignisse werden zwar nicht unbedingt häufiger, fallen aber oft stärker aus", so Sprecher Uwe Kirsche zu Klimareporter°. Das Tiefdruckgebiet "Bernd", das jetzt die Katastrophe auslöste, ist ein Beispiel dafür.

"Wir müssen uns auf ganz neue Extreme einstellen"

Die verantwortliche Großwetterlage dazu ist das "Tief Mitteleuropa", das feucht-warme Mittelmeerluft anzapft. Laut DWD tritt diese Wetterlage heute deutlich häufiger auf als früher. Sie bringt vor allem im Sommerhalbjahr immer wieder Unwetter mit Starkniederschlägen. Die meisten Tage mit einem Tief Mitteleuropa bisher wurden 2002, dem Jahr der großen Elbeflut, gezählt.

Einer DWD-Studie zufolge gab es solche Wetterlagen um 1950 im Schnitt an acht bis zehn Tagen im Jahr. Inzwischen sind es zwischen neun und 15. Bis 2100 rechnet der Wetterdienst mit einem Anstieg auf eine Spanne zwischen zehn und 17. Sprecher Kirsche: "Wir werden uns auf mehr solche Extrem-Wetterlagen einstellen müssen."

Auch Klimaforscher warnen vor mehr Starkniederschlägen, wenn die globalen Treibhausgasemissionen nicht schnell drastisch herunterfahren werden. "Es ist wissenschaftlich plausibel, dass heftige Unwetter zunehmen und sich gerade die stärksten Niederschläge noch intensivieren", sagte der Kieler Professor Mojib Latif, Präsident der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome, gegenüber Klimareporter°.

Der Meteorologe schränkt allerdings ein: Die Datenlage sei noch "sehr schlecht, um das mit hoher Sicherheit nachzuweisen". Bei den Hitzewellen hingegen sei der Zusammenhang mit dem Klimawandel schon klar belegt.

Physikalisch ist die Sache klar: Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Wasserdampf als eine kältere aufnehmen. Pro Grad Celsius sind es sieben Prozent mehr. Entsprechend stärker können die Niederschläge ausfallen. Hierzulande ist die mittlere Temperatur seit Beginn der Messungen 1881 um 1,5 Grad angestiegen.

Latif zufolge sagen die Klimamodelle eine weitere Verschärfung voraus. "Dabei ist der Zusammenhang zwischen Lufttemperatur und Energiegehalt der Luft exponentiell. Wir werden uns auf ganz neue Extreme einstellen müssen", sagte er.

Warme Arktis verlängert Extremwetter

Wetterexperten weisen noch auf einen weiteren Trend hin, der das Wettergeschehen verändert – den zu mehr "stationären", ungewöhnlich lang anhaltenden Wetterlagen. So dominierte hierzulande in den Sommern 2014 bis 2016 Tiefdruckeinfluss, Folge waren in der schwül-warmen Luft häufige Unwetterereignisse.

In den Jahren danach gab es dann lang andauernde Hochdrucklagen, die den Dürresommern 2018 und 2019 einen absoluten Hitzerekord – 42,1 Grad in Duisburg-Baerl und in Tönisvorst (beide Nordrhein-Westfalen) – brachten. Der Meteorologe Björn Alexander erläutert: "Wir erleben im Prinzip öfter die zwei extremen Seiten des Sommerwetters: entweder langanhaltende und sich wiederholende Unwetterlagen oder dürreverheißende Hochdruck-Situationen."

Als Ursache für die häufigeren Dauer-Wetterlagen hat die Klimaforschung Veränderungen im Jetstream ausgemacht. Dieses Starkwindband in der oberen Atmosphäre über der Nordhalbkugel steuert die Abfolge von Hoch- und Tiefdrucksystemen. Man spricht auch von einer "Autobahn für Wettersysteme".

Doch diese Autobahn, deren "Tempo" von den Temperaturunterschieden zwischen Nordpol und Äquator gesteuert wird, wird wegen der besonders starken Erwärmung der Arktis langsamer. So werden ein paar heiße Tage zur Hitzewelle, und ein "steckengebliebenes" Tief führt zu Dauerregen. Latif: "Beide Wettersituationen können dadurch länger anhalten und zu noch größeren Schäden führen."

Der Klima-Lügendetektor:

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