Aufgeständerte Konstruktion aus Metallstreben in Form einer großen waagerechten Scheibe vom Durchmesser eines Hauses, oben ein Kranz dachsirenen- oder gartenlampenähnlicher Sender, auf einer leichten Anhöhe im freien Feld.
DVOR-Drehfunkfeuer in Nordrhein-Westfalen: Anlagen der Flugsicherung verhindern viele Windräder. (Foto: Tsungam/​Wikimedia Commons)

Der Streit um die Windkraft verschärft sich. Das zeigen allein die Reaktionen auf eine von der Fachagentur Windenergie an Land und dem Bundesverband Windenergie (BWE) am Freitag vorgelegte Branchenumfrage. Beteiligt haben sich daran in der Zeit von April bis Juni dieses Jahres rund 90 Unternehmen, die laut den Angaben für 30 Prozent der genehmigten, aber noch nicht realisierten Windkraftprojekte in Deutschland stehen.

Die Umfrage sei damit nicht repräsentativ, betonen Fachagentur und BWE unisono – dennoch zeigen die Ergebnisse nach Ansicht von Andreas Lahme, Vizechef des Landesverbandes Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW), "sehr deutlich, dass sich ein Akteur zum Hauptkläger gegen neue Windparks in Deutschland entwickelt hat".

Lahme meint damit den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und geht im Besonderen mit dem nordrhein-westfälischen Landesverband ins Gericht. Dieser habe in den letzten Jahren die Windenergie zum Hauptgegenstand seiner Verbandsklagen gemacht.

Unter allen Gefahren sei aber "der Klimawandel die größte Bedrohung für hiesige Arten, die wir nur mit einer dynamischen Energiewende aufhalten können", insistiert Lahme. Der Nabu müsse Farbe bekennen, ob der Verband noch zu den Zielen des Klimaschutzes und der Energiewende stehe.

In den Umfrageergebnissen selbst nennen Fachagentur und BWE keine Vereinigung beim Namen. Nach den Zahlen stammen 61 Prozent der rund 325 erfassten Klagen von Umwelt- oder Naturschutzverbänden. 29 Prozent der Klagen würden, heißt es in der Studie allgemein, durch einen "einzelnen, bundesweit tätigen Verband" angestrengt – den der LEE NRW als den Naturschutzbund identifiziert hat.

"Wir sind keine Klagehansel"

Die Vorwürfe des Erneuerbaren-Verbandes hält Nabu-Landesvize Heinz Kowalski für "reine Polemik", wie er gegenüber Klimareporter° betont. "Die Klagen werden ausschließlich wegen Verstößen gegen den Artenschutz geführt, der einigen Investoren und dem LEE ziemlich egal zu sein scheint", wehrt sich Kowalski.

"Wir sind keine Klagehansel – von den über 3.300 Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen betreffen unsere Klagen weniger als 0,1 Prozent", so der Ornithologe. Außerdem habe der Nabu in dem Bundesland alle Klagen gewonnen.

Fragt man übrigens bundes- und europaweit tätige Nabu-Experten nach den Gründen des Artensterbens, sprechen sie mehr über ausgeräumte Felder und Wälder und über die Blockadepolitik des Landwirtschaftsministeriums und weniger über Windräder.

Umweltverbände wie der Nabu sind beileibe nicht die einzigen, die wegen des Artenschutzes gegen Windkraft klagen. Der Grund spielt bei mehr als 230 Klagen eine Rolle, ergab die Umfrage. Vor Gericht ziehen auch Einzelpersonen (36 Prozent der Klagen) sowie Bürgerinitiativen (14 Prozent) und betroffene Gemeinden (zwölf Prozent).

Die Umfrage untermauert dabei den in den letzten Jahren entstandenen Eindruck, dass die windkraftkritische Bewegung inzwischen länderübergreifend tätig und gut vernetzt ist. So ist im Umfragebericht die Rede davon, dass vier weitere Verbände gegen 19 Windräder in drei Bundesländern klagen würden. Einige Verbände würden dabei nicht nur Windräder in ihrem regionalen Umfeld, sondern auch in anderen Bundesländern angreifen.

Windkraftverbot wegen militärischer und ziviler Flüge

Während der Streit mit Windradgegnern die Emotionen hochkochen lässt und die Zeitungsspalten füllt, gibt es wenig öffentliche Aufmerksamkeit für die Blockade der Windkraft durch die Interessen des Militärs und des Flugverkehrs. Laut der Umfrage können mehr als 1.000 Anlagen mit zusammen 4.800 Megawatt Nennleistung zurzeit nicht installiert werden, weil sie Anlagen zur Flugnavigation beeinflussen sollen. Der Umfang der betroffenen Projekte habe sich damit seit der letzten Umfrage 2015 verdoppelt, heißt es.

Die Genehmigung der Windanlagen scheitert dabei an sogenannten Drehfunkfeuern. Diese senden ein UKW-Signal aus, an dem sich ein Flugzeug ausrichten kann. Die Deutsche Flugsicherung hat festgelegt, dass im Umkreis von 15 Kilometern um diese Funkfeuer keine Windkraftanlagen errichtet werden dürfen.

Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO verlangt dagegen für eine der beiden Arten von Drehfunkfeuern – diejenige mit dem Kürzel DVOR – nur einen Schutzbereich von zehn Kilometern. Die deutsche Sonderregelung mit den 15 Kilometern blockiere derzeit den Bau von 360 Anlagen mit 1.450 Megawatt, ergab die Umfrage.

Noch größer ist laut dem Bericht die Zahl der durch militärische Belange verhinderten Windprojekte: 900 Anlagen mit insgesamt 3.600 Megawatt können derzeit "aufgrund von verteidigungsspezifischen Restriktionen des Luftraums nicht genehmigt werden", schreiben die Autoren. Vor allem Tiefflugkorridore für Hubschrauber oder für Kampfjets sowie die Radarüberwachung stehen demnach der Windkraft im Wege – mit einem Anteil von jeweils einem Drittel an den gesamten militärisch blockierten Projekten.

Bleibt festzuhalten: Luftverkehr und Militär blockieren möglicherweise deutlich mehr Windkraft als Artenschutz oder Bürgerbelange.

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