Große Autobahn-Baustelle in Deutschland, die Autobahn soll verbreitert werden.
Neue Autobahnabschnitte sollen künftig mit Solaranlagen an den Fahrbahnrändern einen grünen Anstrich bekommen. (Foto: Wolfgang Filser/​Shutterstock)

2021 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Beschluss die damalige Bundesregierung gemahnt, den Klimaschutz endlich ernst zu nehmen. Denn nur noch jetzt können wir in Freiheit über Maßnahmen entscheiden, um die CO2-Mengen wie notwendig zu reduzieren.

Tun wir das nicht, werden in wenigen Jahrzehnten so drastische Einschnitte in die Freiheitsrechte erforderlich sein, dass der Corona-Lockdown dagegen wie ein Kindergeburtstag wirkt.

Die Bundesregierung hat sich aber offensichtlich entschlossen, die Verkehrspolitik der 1950er Jahre konsequent und ohne Kompromisse fortzusetzen.

Die FDP hat sich im Koalitionsausschuss wieder einmal durchgesetzt und wird mehr als 100 neue Autobahnteilabschnitte neu bauen lassen – und dies ohne sorgfältige Umweltverträglichkeitsprüfung und auch ohne Flächenausgleich. Diese Entscheidung steht schon fest.

Das bedeutet: Wir versiegeln weiter die Landschaft, aber ohne dass dies notwendig wäre. Weil die Gesellschaft spätestens nach der Pandemie zeit- und ortsflexibel arbeitet, stagnieren die Fahrleistungen bereits jetzt. Zudem zeigt der demografische Wandel seine verkehrlichen Folgen. Immer mehr Ältere fahren weniger lange Autostrecken.

Privilegien des Autos nicht einmal debattiert

Es gibt also keinen Grund für noch mehr neue Straßen. Die bekannten Privilegien des Autos, wie die Entfernungspauschale, die steuerliche Behandlung der Dienstwagen sowie die Subventionierung des Diesels wurden von der Koalition nicht einmal debattiert! Von einem längst überfälligen Tempolimit ganz zu schweigen.

Vielmehr wiederholt man Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag und erneuert das Versprechen, das aus der Nazizeit stammende Straßenverkehrsgesetz mit eingebauter Vorfahrt für das Auto anzupassen und mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden und Klimaschutzaspekte einzuführen.

Porträtaufnahme von  Andreas Knie.
Foto: David Außerhofer

Andreas Knie

Der Sozial­wissen­schaftler mit den Schwer­punkten Wissen­schafts­forschung, Technik­forschung und Mobilitäts­forschung lehrt an der TU Berlin und leitet die Forschungs­gruppe Digitale Mobilität am Wissen­schafts­zentrum Berlin. Andreas Knie ist Mitglied im Herausgeberrat von Klimareporter°.

Getan hat der Bund auf diesem Feld bisher gar nichts!

Die avisierte Erhöhung der Lkw-Maut ist seit mehreren Jahren überfällig und fällt im internationalen Vergleich mehr als bescheiden aus. Eine Verkehrslenkung ist auch mit dem neuen Preis nicht zu erwarten.

Die Einnahmen daraus will man zu 80 Prozent in die Modernisierung der Schiene stecken. Aber mehr Geld hilft hier nicht. Es braucht längst eine Bahnreform 2.0, die die Fehler der ersten Reform korrigiert und aus einer völlig zerfledderten Schiene wieder ein System aus einem Guss herstellt.

Zwar hat der Verkehrsminister die Bahn zur "Chefsache" gemacht. Aber passiert ist auch hier bisher nichts. Abgesehen natürlich davon, dass Kommissionen gegründet und Berater engagiert wurden.

Im Beschlussdokument der Koalition folgen weitere Versprechungen und Ankündigungen, mehr für das Fahrrad und den öffentlichen Verkehr tun zu wollen. Die sind völlig unverbindlich und enden teilweise im Klein-Klein.

Was suchen Grüne noch in der Regierung?

So will man nun die Bahncard 100 auch in das neue Deutschlandticket integrieren, ohne aber endlich über steuerliche Anreize nachzudenken. In ganz Deutschland gibt es weniger als 100.000 solcher Vielfahrerabos.

Bezieht man noch Deutschlands peinlichen Auftritt bei der Aufschiebung des Verbrenner-Verbots für Autos auf EU-Ebene ein, dann muss jetzt die Frage gestellt werden, was die Grünen in dieser Regierung noch zu suchen haben.

Tacheles!

In unserer Kolumne "Tacheles!" kommentieren Mitglieder unseres Herausgeberrats in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.

Es ist nichts, aber auch wirklich nichts zu erkennen, womit man diesen kompletten Rückschritt in die Verkehrspolitik der Adenauerzeit legitimieren könnte: keine Veränderung des Ausländerrechts, keine Veränderung der Vermögenssteuer, kein wirklich verbesserter Klimaschutz, einfach nichts!

Vielmehr plündern einige Herren diesen Planeten, um kurzfristig ihren Autointeressen zu frönen, verkaufen dies aber als Gemeinwohl. Das kann man nicht mehr durchgehen lassen.  Widerstand ist jetzt Pflicht!

 

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