Ein Füller schreibt ein Fragezeichen auf ein Stück Papier.
Was das Klimakabinett beschließen wird, ist immer noch offen. (Foto: Markéta Machová/​Wikimedia Commons)

Bis das am Freitag tagende Klimakabinett entscheidet, erwarten Beobachter eine lange Nachtsitzung – und zwar von Donnerstag zu Freitag. Da wollen Union und SPD zusammenkommen, um die bisher weit auseinander liegenden Vorstellungen doch noch unter einen Hut zu bringen. Ob das wirklich gelingt, wagt noch niemand vorauszusagen.

Nach wie vor ist einer der größten Streitpunkte die Frage, wie man die CO2-Emissionen mit einem Preissignal versieht. Auch wenn die SPD öffentlich nicht mehr so gern von einer CO2-Steuer spricht, so ist sie doch – wie auch die große Mehrheit der Experten – dafür, die Nutzung fossiler Energie so schnell wie möglich mit einem Preisaufschlag zu versehen.

Der könnte schon ab 2020 gelten, ist bürokratietechnisch einfach und hätte einen Zusatznutzen: Mit den Einnahmen ließen sich soziale Härten abfedern oder kostensenkende Modernisierungen fördern.

Davon will die Union aber offenbar nichts wissen. Ihr Wirtschaftsflügel hat, wie zu hören ist, schon den Gedanken an neue Steuern zu einem Tabu erklärt. In ihrem zu Wochenbeginn beschlossenen Klimakonzept plädiert die CDU denn auch dafür, einen nationalen Emissionshandel in den Bereichen einzuführen, wo dieser noch nicht gilt: im Verkehr und im Gebäudesektor.

Der Vorteil hier aus Unionssicht: Der Handel würde frühestens in drei Jahren greifen, also nach der Bundestagswahl 2021. Mit den Zertifikaten handeln würden dann auch die großen Öl- und Gasversorger, die die Kosten an den Bürger weiterreichten. Das neue Preisschild käme dann nicht vom Staat, sondern aus der Privatwirtschaft.

CDU will CO2-Preis deckeln

Allerdings kommt der CDU-erdachte Emissionshandel nicht ohne Tricks aus: Weil besonders im Verkehr seit 1990 kein CO2 eingespart wurde und die Emissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu sinken haben, müsste die Zahl der Zertifikate entsprechend knapp bemessen werden, ihr Preis könnte in ungeahnte Höhen steigen und zum Beispiel Kraftstoffe kräftig verteuern.

Deswegen will die Union hier eine Obergrenze einziehen und den nationalen Emissionshandel mit einem Maximalpreis für die Zertifikate versehen. Über dessen Höhe schweigt sie sich selbstverständlich aus, um keine Rückschlüsse auf mögliche Belastungen zuzulassen.

Ein gedeckelter Preis vermindert allerdings die Klimawirkung. Aus dem Unionskonzept lässt sich sogar herauslesen, dass nicht einmal der Maximalpreis das Erreichen der Klimaziele für 2030 garantiert.

Wird dieser Preis erreicht, könne es erforderlich sein, sinniert die Union in ihrem Konzept, in Deutschland "zusätzliche" Emissionszertifikate zu generieren, etwa mit der Renaturierung von Mooren oder Maßnahmen für Waldschutz und Aufforstung. "Wer mit Bäumen CO2 bindet, kann dafür Zertifikate erhalten", schreibt die Union wörtlich.

Deutschland soll also Bäume pflanzen, damit der Verkehr – und da geht es vor allem um die privaten Autos – weiter über Gebühr Klimagase ausstoßen kann. Das ist offensichtlich eine Mogelpackung. Auch den Umweltschützer Michael Schäfer vom WWF stößt am Unionskonzept auf, dass die Klimaziele nur erreicht werden könnten, wenn die Emissionen sinken und zusätzlich noch aufgeforstet wird.

CDU-Konzept unterläuft geltende EU-Regelungen

Zudem haben sich die EU-Staaten bei der sogenannten Lastenteilung ("Effort Sharing") darauf geeinigt, dass jedes Land bei den Sektoren, die nicht Teil des europäischen Emissionshandels sind, einen festen Beitrag entsprechend seiner Wirtschaftskraft leisten muss.

Wenn die CDU nun CO2-Emissionen kompensieren statt einsparen will, widerspricht das den Vereinbarungen innerhalb der EU. "In dem CDU-Papier steckt der Versuch, die geltenden EU-Regelungen zum Effort Sharing aufzuweichen", warnt Schäfer.

Covering Climate Now

Klimareporter° beteiligt sich wie rund 250 andere Zeitungen und (Online-) Magazine weltweit an der Initiative "Covering Climate Now". Die teilnehmenden Medien verpflichten sich, vor allem in der Woche vor dem New Yorker UN-Klimagipfel am 23. September über die Klimakrise zu berichten. Wir freuen uns über die Bewegung in der Medienlandschaft. Klimaschutz braucht guten und kritischen Journalismus.

Ob die SPD so etwas mitmacht, ist offen. SPD-Finanzminister Olaf Scholz hatte zuletzt erklärt, man erwarte vom Klimakabinett einen "großen Wurf". Inzwischen ist aber nicht einmal mehr klar, ob die Sozialdemokraten noch hinter dem Klimaschutzgesetz ihrer Umweltministerin stehen.

"Ohne ein Klimaschutzgesetz mit konkreten Sektorzielen kommen wir nicht weiter", sagt Lisa Badum, die klimapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. "Fehlen diese, haben die ganzen Klimamaßnahmen keine Basis. Da hilft auch die schöne Glasur nichts, den die Koalition jetzt am Freitag beschließen will."

Einen Konsens zwischen Union und SPD gibt es vor allem bei Maßnahmen, wo Fördermilliarden ausgegeben werden können: nochmals erhöhte Kaufprämien für E-Autos, besondere Förderung der E-Mobilität innerhalb des Dienstwagenprivilegs oder bei der Entfernungspauschale, Aufstocken des Ladesäulenprogramms, Absenken der Mehrwertsteuer für Bahntickets, steuerliche Förderung der Gebäudesanierung.

Angedacht sind außerdem Nachlässe bei der Stromsteuer oder das Erlassen der EEG-Umlage, wenn Ökostrom gespeichert oder an Nachbarn geliefert wird, sowie eine erhöhte Ticketabgabe auf Inlandsflüge.

Groko will nicht an klimaschädliche Subventionen ran

Kompromisse sind auch in der Streitfrage "Steuer oder Emissionshandel" möglich. Selbst die Grünen könnten sich einen Kompromiss in der Art vorstellen, dass man zunächst mit einem CO2-Preis beginnt und diesen dann in ein Emissionshandelssystem eingliedert, meint Badum. Aber auch dazu plane die Koalition bisher nichts. "Gewisse Kräfte in der Union haben Angst davor, dass Emissionen jetzt einen sichtbaren Preis bekommen sollen."

Äußerst unwahrscheinlich ist allerdings, dass das Klimakabinett den Abbau milliardenschwerer klimaschädlicher Subventionen wie beim Dieselprivileg beschließt.

Diese Art Klimaschutz gegen die Marktkräfte lässt den von Experten erwarteten "bunten Blumenstrauß" an Klimamaßnahmen ziemlich teuer werden. Auf 40 Milliarden Euro jährlich werden die Kosten dessen geschätzt, worauf sich die Koalitionäre einigen könnten.

Der Verzicht auf eine sofortige Steuer oder einen Subventionsabbau schafft damit noch ein Haushaltsproblem. Nach den Vorstellungen der Regierung sollen die zusätzlichen Milliardenkosten aus dem Energie- und Klimafonds bestritten werden. Der finanziert sich derzeit aus Bundeszuschüssen sowie aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten an Kraftwerke und die energieintensive Industrie.

Der Fonds ist gegenwärtig rund sechs Milliarden Euro schwer. Weil ein nationaler Emissionshandel, wie er der CDU vorschwebt, erst in einigen Jahren starten würde, hätte der Fonds ein enormes Einnahmeproblem.

Da müsste der Bundeshaushalt einspringen. Aus dem sollen aber auch die jährlich zwei Milliarden Euro kommen, die für den Strukturwandel in die Kohleregionen fließen. Wie die Ergebnisse der langen Nacht zum Freitag finanziert werden, ist also auch noch unklar.

Interview mit Energieökonomin Claudia Kemfert: "Klimaschädliche Subventionen abbauen"

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