Eine Tankstelle
Bei einem nationalen Emissionshandel im Verkehr werden voraussichtlich die großen Kraftstofflieferanten die Zertifikate erwerben und die Kosten dann auf die Preise aufschlagen. (Foto: Elastic Compute Farm/​Pixabay)

Klimareporter°: Herr Frondel, bei der CO2-Bepreisung stehen sich in der Großen Koalition eigentlich gegensätzliche Konzepte gegenüber – die SPD will eine CO2-Steuer, die Union einen Emissionshandel. Kann es hier einen Kompromiss geben?

Manuel Frondel: Natürlich sind viele Möglichkeiten denkbar, auch Mischformen, bei denen ein Sektor wie der Verkehr in den Emissionshandel integriert und in anderen Sektoren eine CO2-Steuer eingeführt wird. Dies hätte allerdings den Nachteil, dass es dann zu verschiedenen CO2-Preisen kommt. Eine kosteneffiziente Lösung würde jedoch einen einheitlichen Preis erfordern.

Ein Kompromiss ist ja auch in zeitlicher Hinsicht denkbar: Man fängt mit einer CO2-Steuer in Höhe der Emissionshandels-Zertifikate an und leitet diese dann in ein Emissionshandelssystem über.

Mittelfristig die Ausweitung des Emissionshandels anzustreben und übergangsweise aber eine CO2-Steuer einzubauen, wäre ebenfalls nicht wünschenswert. Gegenüber dem Emissionshandel hat eine CO2-Steuer gravierende Nachteile und zudem ist kaum damit zu rechnen, dass eine einmal eingeführte CO2-Steuer wieder abgeschafft wird. Deshalb sollte die Politik auf einen solchen Kompromiss verzichten.

Beim Emissionshandel will die Union einen Höchstpreis einziehen, um soziale Verwerfungen zu verringern. Geht damit aber nicht zugleich die angestrebte Lenkungswirkung verloren?

Definitiv. Deswegen sollte im Sinne der Effektivität dieses Instruments auf einen Höchstpreis verzichtet werden. Bei einer Ausweitung des EU-weiten Emissionshandels zum Beispiel auf die Sektoren Verkehr und Gebäude in Deutschland ist mit einem Höchstpreis aber nicht zu rechnen, denn einem solchen müsste die EU-Kommission zustimmen. Deutschland könnte dies nicht allein bestimmen.

Ein weiterer Einwand gegen den Emissionshandel ist, dass es beispielsweise im nationalen Ölmarkt zu wenig Unternehmen gibt, als dass eine wirkliche Konkurrenzsituation entstünde. Die Unternehmen könnten leicht Marktabsprachen treffen. Was sagen Sie dazu?

Porträtaufnahme von Manuel Frondel.
Foto: Julica Bracht/​RWI

Manuel Frondel

ist Energieökonom und leitet den Bereich Umwelt und Ressourcen vom RWI Leibnitz-Institut für Wirtschafts­forschung in Essen. Außerdem ist er Professor für Energie­ökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum.

Selbst wenn dies der Fall wäre, was ich stark bezweifle – inzwischen gibt es selbst die einstigen Marktabsprachen unter den großen Tankstellenbetreibern nicht mehr –, wäre dieses Argument in Bezug auf die CO2-Bepreisung doch wenig relevant: Eine, wie gesagt, wenig realistische Absprache, einen CO2-Preis, gleich ob aus einer Steuer oder einem Emissionshandel, zu hundert Prozent an die Verbraucher weiterzugeben, wäre doch ganz im Sinne der Effektivität einer CO2-Bepreisung.

Der Union schwebt, um den Emissionshandel schneller zu etablieren, zunächst ein nationales System vor. Wo kommen eigentlich die Zertifikate her, die dann gehandelt werden sollen?

Wie beim bestehenden EU-weiten Emissionshandel auch würden Zertifikate versteigert und an entsprechenden Handelsplätzen wie der Leipziger Strombörse EEX gehandelt werden. Bei einem nationalen System würde ebenfalls eine entsprechende Menge an "Deutschland-CO2-Zertifikaten" von der Bundesregierung veräußert werden. Diese können dann ebenfalls national gehandelt werden, etwa an der EEX.

Wie läuft das praktisch? Erlässt die Bundesregierung dazu ein Gesetz, in dem sie festlegt, dass zum Beispiel die aktuellen CO2-Emissionen im Verkehr nun in einer entsprechenden und über die Jahre sinkenden Zahl von Emissionszertifikaten repräsentiert sind? Und weil kaum jeder Bürger Emissionshandel betreiben kann und will, würden dann zu Beispiel die Tankstellenbetreiber die Zertifikate erwerben und die Kosten auf dem Kraftstoff aufschlagen?

Richtig. Es müsste ein entsprechendes Gesetz für einen nationalen Emissionshandel verabschiedet werden, in dem die Obergrenzen für die in dieses Handelssystem integrierten Sektoren für jedes Jahr klar beziffert werden. Und natürlich müsste nicht jeder Bürger Zertifikate kaufen und auch nicht jeder Tankstellenbetreiber, sondern die großen Kraftstofflieferanten. Die Kosten für die Zertifikate dürfen diese gerne an die Verbraucher weitergeben, das ist ja Sinn der Sache.

Gestritten wird auch um die Finanzierung des Klimaschutzes. Das Paket, das das Klimakabinett derzeit schnürt, soll um die 30 Milliarden Euro kosten. Ließe sich das nicht aus den Einnahmen aus einem Emissionshandel oder einer CO2-Steuer finanzieren statt neuer Schulden, die ja auch nicht gemacht werden sollen?

Natürlich könnten die Einnahmen für alles Mögliche "verpulvert" werden, so wie das bereits jetzt mit den milliardenschweren Einnahmen aus der Versteigerung der Emissionshandelszertifikate geschieht. Um jedoch die Akzeptanz nicht zu gefährden, sollten die Einnahmen aus einer jeglichen CO2-Bepreisung gänzlich an die Verbraucher zurückgegeben werden, anstatt mit dem Geld Wohltaten für einige wenige Lobbygruppen zu finanzieren.

Die Vorschläge, die dazu derzeit kursieren, sind zumeist wenig effektiv und alles andere als kosteneffizient. Sie widersprechen der Idee, die mit einer möglichst einheitlichen CO2-Bepreisung verfolgt wird, in eklatanter Weise.

Was soziale Aspekte betrifft, so ist die Idee einer Pro-Kopf-Rückzahlung über eine Art Bonus aus der politischen Debatte verschwunden, stattdessen geht es eher um vereinzelte Zuschüsse wie Erhöhung der Pendlerpauschale oder Bezuschussung des Ölheizungstauschs. Halten Sie das für ausreichend, um die Skepsis gegenüber steigenden Energie- und Mobilitätspreisen abzubauen?

Nein – und ich wiederhole mich gerne: Um die Akzeptanz einer CO2-Bepreisung nicht zu gefährden, sollten die Einnahmen daraus möglichst allen Verbrauchern zugutekommen, nicht nur den vermeintlich besonders Betroffenen.

Leider wird mit Vorschlägen wie der Bezuschussung des Ölheizungstausches eine Klientelpolitik betrieben, die mit dem Instrument der CO2-Bepreisung ja gerade vermieden werden soll.

Zur Finanzierung wurde auch die Idee eines staatlichen Klimaschutz-Anlagefonds hervorgeholt. Ähnliche Vorschläge gab es auch schon zum Netzausbau, wo man sich vor Jahren fragte, warum nur die finanziell ohnehin starken Netzbetreiber von der dortigen Garantierendite von aktuell sechs Prozent profitieren sollen. Sind die Chancen für so einen Fonds jetzt größer geworden, angesichts auch der anhaltenden, die Sparer belastenden Nullzinspolitik der EZB?

Eine CO2-Bepreisung würde einen solchen Fonds unnötig machen. Darüber hinaus wäre ein solcher Fonds ein weiteres Vehikel für Klientelpolitik und wäre unter sozialpolitischen Aspekten fragwürdig, da er wohl vor allem Wohlhabenden zugutekäme. Wirtschaftlich Schwache könnten bekanntlich keine Investitionen in einen solchen Fonds tätigen.

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