Zwei Dutzend Menschen stehen mit vielen bunten Schildern, Fahnen und Transparenten vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.
Bunter Protest heute vor dem Kanzleramt. (Bild: Jörg Staude)

Die Klimaschutzbewegung in Deutschland hat offenbar ein neues Symbol: das sogenannte "Monster-Terminal" für Flüssigerdgas (LNG) vor der Insel Rügen. Gegen dessen Bau protestierte heute Vormittag vor dem Bundeskanzleramt eine Reihe von Verbänden wie Greenpeace, Nabu, DUH, Fridays for Future und die Bürgerinitiative Lebenswertes Rügen.

Gleichzeitig besetzte am Montagmorgen das Bündnis Ende Gelände den Hafen Mukran auf Rügen, einen der möglichen Standorte des LNG-Terminals. Man nehme den Gasstopp nun selbst in die Hand, erklärte Ende Gelände. Für Ende Mai haben Umweltgruppen außerdem zu einem Protestcamp auf Rügen aufgerufen.

Auch im Bundestag ist der LNG-Monsterplan am heutigen Montag Thema. Der Petitionsausschuss widmete sich ab Mittag der Petition 146339. Direkt vor der Küste der Ostseeinsel, gleich neben dem Biosphärenreservat Südost-Rügen, solle das größte Offshore-LNG-Terminal Europas entstehen, prangert die Petition an.

Initiiert hat sie Marvin Müller, SPD-Mitglied, Landeschef der Jusos Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied der Gemeindevertretung des Badeortes Binz.

Bundestags-Petition mit 95.000 Unterschriften

Mit der Verlegung einer über 38 Kilometer langen Pipeline durch den Greifswalder Bodden sowie der Errichtung und dem Betrieb der Terminals seien erhebliche Störungen und massive Eingriffe in eines der sensibelsten Öko- und Tourismussysteme Europas verbunden, heißt es in der Petition.

 

Diese erhielt in kurzer Zeit fast 95.000 Unterstützungsunterschriften. Das Thema LNG bewege offenbar nicht nur die Rügener, sondern Menschen im ganzen Land, betonte Petent Müller vor dem Kanzleramt. Ihn störe nicht nur, wie das Projekt vom Wirtschaftsministerium durchgedrückt werde, ein Problem sei auch das einseitige, profitorientierte Herangehen.

Ursprünglich hatte der RWE-Konzern geplant, bereits Mitte Mai mit dem Bau des Terminals zu beginnen. Nach neueren Informationen konkurriert RWE mit den anderen in der Region aktiven Gasimporteuren wie Regas und Stena um den Auftrag zur Errichtung eines Importterminals in Mukran oder weiter draußen offshore vor der Küste Rügens.

Jetzt sei es Mitte Mai und immer noch nicht klar, wie viele Kapazitäten wie schnell wirklich gebaut werden sollen, kritisierte Marvin Müller. Erst wenn das feststehe, könne die gesellschaftliche Debatte beginnen. "Dabei muss Rügen mit am Tisch sitzen sowie diejenigen, die betroffen sind, und die Umweltverbände", verlangte Müller vor dem Bundeskanzleramt.

Aufnahme ins LNG-Gesetz soll verhindert werden

Die Petition zielt zunächst darauf ab, dass das Rügener Projekt nicht in das bestehende LNG-Beschleunigungsgesetz aufgenommen wird. Der entsprechende Beschluss sollte, wie zu hören war, eigentlich schon letzte Woche im Bundeskabinett gefasst werden. Das geschah aber nicht.

Die Region stellt sich in jedem Fall auf eine lange, auch rechtliche Auseinandersetzung ein. Selbst wenn das Terminal noch ins Gesetz aufgenommen wird, stelle sich die Frage, welcher Standort dann gewählt werde, erklärte Karsten Schneider, Bürgermeister von Binz und ebenfalls am Bundeskanzleramt dabei, auf Nachfrage.

Dann, so Schneider, werde der Kabinettsbeschluss dort hinkommen, wo er in einer Demokratie hingehöre: in den Bundestag. "Da ist unsere Hoffnung, dass die Mehrheit der Abgeordneten das wahrnimmt, was die Bevölkerung will", sagte der Bürgermeister.

Darüber hinaus könnten dann auch die Planungsverfahren zeigen, dass der vom Kabinett bestimmte Standort ungeeignet ist. "Am Ende bleibt uns immer noch die Möglichkeit zu klagen", gab sich Karsten Schneider zuversichtlich.

Wert der Ostsee-Natur rückt ins Blickfeld

Auch Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), hob vor dem Kanzleramt die große bundesweite Unterstützung für die Petition hervor. Dass nach der Energiekrise mit dem Wegfall des russischen Erdgases etwas geschehen musste, sehe jeder ein, betonte der DUH-Geschäftsführer.

Was aber im Bundeskanzleramt und im Wirtschaftsministerium jetzt geplant werde, habe mit der Krisensituation nichts mehr zu tun, sondern sei die Verfestigung einer Gas-Importstruktur über mindestens zwei oder drei weitere Jahrzehnte. "Machen wir das so, können wir die Klimaziele vergessen", stellte Müller-Kraenner fest.

Der Kampf gegen das Terminal rückt übrigens auch in den Blick, wie wertvoll die vergleichsweise noch naturbelassene Ostseeküste für Tourismus, Natur und Anwohner ist. Für diese Sicht auf die Dinge habe die Auseinandersetzung auch ihn sensibilisiert, räumte Karsten Schneider ein. Das sei, wenn es das überhaupt gebe, das Gute an der Sache.

Natürlich lebe der Ort wie die Region vom Tourismus, erklärte der Binzer Bürgermeister, aber jetzt könne man auch schneller Nein sagen, wenn ein vier- oder fünfstöckiger Block errichtet werden soll. Er hoffe, dass bei diesen Dingen künftig genauer hingeschaut werde.