Heute Morgen, Punkt acht Uhr, ist die 20-stündige Frist verstrichen, die die Bundesregierung gesetzt hatte. Am gestrigen Dienstag um zwölf hatte der Zeitraum begonnen, in dem Naturschutz- und andere Verbände zum Referentenentwurf für eine Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes (LNGG) und des Energiewirtschaftsgesetzes Stellung nehmen konnten.

Der Entwurf ist, wie darin zu lesen ist, noch nicht einmal in der Regierung abgestimmt. Er soll vom Kabinett im Umlaufverfahren angenommen werden.

"Eine Verbändeanhörung über Nacht ist keine angemessene Frist für eine Stellungnahme zu einer umstrittenen Gesetzesänderung", kritisierte Nabu-Geschäftsführer Leif Miller das Vorgehen. "Wir erleben ein erneutes Foulspiel des Bundeswirtschaftsministeriums."

Wieder werde mit hoher Eilbedürftigkeit argumentiert, so der Naturschützer. Oder solle nur öffentlicher Widerspruch gegen ein Gesetz vermieden werden, dessen Bedarf und Nutzen zweifelhaft sei?

Zweck des Gesetzentwurfs ist vor allem, mit dem Hafen Mukran auf der Insel Rügen einen neuen Standort ins beschleunigte Bauregime aufzunehmen. Konkret sind ein oder sogar zwei schwimmende LNG-Terminals in dem einstigen Fährhafen vorgesehen, dazu der Bau einer Gasfernleitung von Mukran durch die Ostsee zum Gasanschlusspunkt Lubmin. Dafür entfällt der bisher im Beschleunigungsgesetz vorgesehene LNG-Standort Hamburg-Moorburg wegen Nichtrealisierbarkeit.

Die Stationierung von bis zu zwei weiteren schwimmenden Terminals, englisch abgekürzt FSRU, die dann ins Fernleitungsnetz bei Lubmin einspeisen, sei zur Vermeidung einer Gasverknappung oder gar eines Gasmangels notwendig, heißt es zur Begründung im Gesetzentwurf.

Auch Extremwetter muss als Begründung herhalten

Niedrige Temperaturen, geringe strukturelle Einsparungen in der Industrie oder Wechselwirkungen mit der Versorgung der Nachbarländer betrachtet das federführende Wirtschaftsministerium dabei als "Negativfaktoren", die LNG-Lieferungen über Mukran erfordern. Der Ostseestandort sichere auch die Versorgung osteuropäischer Staaten, wiederholt der Gesetzentwurf ein bekanntes Argument.

Damit nicht genug, macht das Papier auch neue Probleme in der Gasversorgung aus. Selbst wenn die Gasspeicher im Sommer 2023 vollständig gefüllt sein sollten, sei für das darauffolgende Jahr mit Blick auf mögliche Extremwetterlagen die Einspeisung durch FSRU an der Ostseeküste erforderlich, heißt es in der Unterlage.

Ohne die Aufnahme Mukrans ins LNG-Beschleunigungsgesetz würde die erforderliche Gasinfrastruktur voraussichtlich erst 2025 gebaut, warnt das Ministerium vorsorglich.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den Gesetzentwurf als überhastet und mangelhaft. Mit der Aufnahme von Mukran in die Terminal-Liste solle unter anderem die gesetzliche Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen und die Öffentlichkeitsbeteiligung stark eingeschränkt werden.

Im Entwurf fehle eine nachvollziehbare energiepolitische Begründung für das neue LNG-Terminal genauso wie ein Hinweis auf die zusätzlichen Kosten für den Bau, die sich auf mehr als 1,5 Milliarden Euro beliefen, so die Umweltschützer. Sie fordern Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf, den Gesetzentwurf zurückziehen.

Versprochener Dialog mit Rügenern fällt offenbar aus

Vor wenigen Wochen habe Habeck den Rügenern und den Naturschutzverbänden noch einen Dialog versprochen, sagte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Angesichts der wenigen Stunden, die für die Stellungnahme eingeräumt wurden, falle dieser Dialog nun wohl aus. Offenbar wolle der Minister das LNG-Terminal auf Rügen jetzt mit der Brechstange durchsetzen.

Im Weiteren vollzieht der Gesetzentwurf sich abzeichnende technische Entwicklungen nach, etwa die, dass "grüne" Import-Energie künftig weniger in Form von Wasserstoff, sondern vor allem als Ammoniak über die Meere transportiert wird.

Der Betreiber hat dabei laut Entwurf nachzuweisen, dass seine Anlage spätestens bis Anfang 2044 so umgerüstet werden kann, dass sie für verflüssigtes Ammoniak nutzbar ist.

Auch diese Bestimmungen kritisiert die DUH als "vage". Konkrete technische Regelwerke würden nicht genannt. Auch fehle ein klares Bekenntnis zu grünem Ammoniak aus erneuerbaren Energien. Deswegen könne prinzipiell konventioneller Ammoniak aus Erdgas auch über 2044 hinaus importiert werden.

Verbände klagen über anhaltenden Zeitdruck

Trotz einer seit Monaten anhaltenden Kritik hat sich an der Praxis des Bundeswirtschaftsministeriums bisher nicht viel geändert, Bewertungen der Gesetzentwürfe von zu beteiligenden Verbänden unter großem Zeitdruck einzuholen.

So beschwerten sich kürzlich Verbände, der Gesetzentwurf zum neuen Bundes-Immissionsschutzgesetz sei erst nach einem Jahr Wartezeit fertig geworden, sei dann aber kurzfristig den Verbänden zur Stellungnahme über die Ostertage zugegangen.

Für den 23. Mai haben Rügener Bürger und Umweltverbände jetzt zu einem "alternativen Erörterungstermin" zum LNG-Terminal eingeladen. Bau und Inbetriebnahme des Rügener Terminals und der Offshore-Pipeline gefährdeten gesetzlich bindende Klimaziele, argumentieren sie.

Außerdem stellten die Pläne eine gewaltige Bedrohung für den Tourismus auf Rügen, den Greifswalder Bodden, die Ostsee und die umliegenden Schutzgebiete dar, heißt es weiter. Die Bundesregierung und die zuständigen Behörden hätten es trotzdem bislang unterlassen, Bürgerinnen und Bürger am Planungsprozess zu beteiligen.