Eigentlich war der Entwurf schon vorbereitet. Doch im letzten Moment hat die Bundesregierung die für heute geplante Einsetzung der sogenannten Kohlekommission zurückgezogen. Medienberichten zufolge war die CSU nicht mit Detailfragen einverstanden. Offenbar passte der Partei die vorgesehene personelle Besetzung nicht.
Doch auch die Umweltverbände und Vertreter der Ökostrombranche sind unzufrieden. Ihnen ist die geplante Kommission zu stark mit Kohlebefürwortern besetzt. "Es ist zu befürchten, dass die Kohle-Lobby die erneute Verzögerung zu ihren Gunsten nutzt", warnt Tina Löffelsend, Energieexpertin des Umweltverbandes BUND. Es bestehe das Risiko, dass Mandat und Besetzung der Kommission noch weiter aufgeweicht werden.
In der Tat ist der jetzige Entwurf noch schwammiger als das ursprüngliche Mandat. Das Papier liest sich wie ein Konjunkturprogramm für die betroffenen Regionen. Die Reduzierung der Kohleverstromung inklusive Ausstiegsdatum steht im Mandat an fünfter Stelle. Zuvor nennt das Papier Arbeitsplätze, wirtschaftliche Entwicklung und Investitionen in die Kohleregionen.
Schon Ende Oktober soll die Kommission ihren Maßnahmenkatalog vorlegen. "Das aus dem Entwurf zur Kohlekommission hervorgehende Programm ist angesichts der Frist bis Ende des Jahres vollkommen unrealistisch" warnt Lorenz Gösta Beutin, klimapolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. In sechs Monaten könnten kaum sinnvolle und ernsthafte Schritte zum Strukturwandel festgeklopft werden.
Es sei fahrlässig, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von ihrer Richtlinienkompetenz keinen Gebrauch mache, um das unwürdige Gezerre um die Kohlekommission zu beenden, findet Beutin. "Ihr Wahlversprechen, die 2020er Klimaschutzlücke zu schließen, bricht sie damit ein zweites Mal."
Das Bundesumweltministerium wiegelt ab. Der geplante Beginn sowie der Auftrag der Kommission, bis zum Jahresende ein Ergebnis vorzulegen, stünden fest. "Nein, kein Zank. Wir sind einig. Und auf die Zeitplanung für die Strukturwandelkommission wird das keine Auswirkungen haben", schreibt Staatssekretär Jochen Flasbarth auf Twitter.
Allerdings ist die grundsätzliche Ausrichtung der geplanten Kommission Gegenstand der Kritik. "In dieser Form steht die Kommission unter der Logik des Strukturwandels", sagt der SPD-Politiker Michael Müller, der zwischen 2014 und 2016 gemeinsam mit Ursula Heinen-Esser die Endlager-Kommission geleitet hat, gegenüber Klimareporter. Stattdessen müsse das Gremium die Klimafrage und die naturwissenschaftlichen Fakten vornan stellen, da reiche es auch nicht, einen einzelnen prominenten Klimaforscher ins Boot zu holen.
Umweltverbände drohen mit Fernbleiben
Mittlerweile kursiert auch eine Liste von 22 Personen, die dem Gremium angehören sollen. Offiziell bestätigt sind die Mitglieder bisher nicht. Neben einigen Teilnehmern von Forschungseinrichtungen und Umweltverbänden sind darunter vor allem Wirtschaftsvertreter: vom Energie-Branchenverband BDEW und dem Industrieverband BDI, vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), von der Arbeitgebervereinigung BDA wie auch der Bergbau- und Energiegewerkschaft IG BCE. Vor allem Letztere dürfte für eine möglichst lange Laufzeit der Kohlekraftwerke kämpfen.
Die bisher als Leiter der Kommission Genannten finden sich nicht auf der Liste. Im Gespräch sind die ehemaligen Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Matthias Platzeck und Stanislaw Tillich. Beide sind umstritten, weil sie sich in der Vergangenheit für die Kohleindustrie starkgemacht hatten. Unterstützt werden sollen Platzeck und Tillich bei der Leitung des Gremiums offenbar vom Ex-Kanzleramtsminister und derzeitigen Bahnvorstand Ronald Pofalla und der Wissenschaftlerin Barbara Praetorius, die die entsprechende Expertise vorweisen kann und die Zustimmung der Umweltverbände genießt.
Ob die Umweltverbände dennoch ausreichend Gehör für ihre Forderungen erhalten werden, ist strittig. "Nach wie vor gibt es Schwierigkeiten, die Bedingungen der Umweltverbände an die Kommission zu erfüllen", sagt Michael Müller. Die Verbände fordern ein klares Abschaltdatum für die Kohlekraftwerke und einen Stopp der Waldrodung am RWE-Braunkohlentagebau Hambach. "Solange die Kommission tagt, kann nicht die alte Linie weitergefahren werden", sagt auch Müller.
Sollte die Ausgewogenheit des Gremiums nicht gewahrt sein, wollen die Umweltverbände nicht mitmachen. "In diesem Fall müssten wir selbstverständlich unsere Teilnahme erneut prüfen", betont BUND-Expertin Löffelsend.
Schon vergangenen Mittwoch wollte die Bundesregierung in ihrer wöchentlichen Kabinettssitzung einen Beschluss über die Mitglieder der Kohle-Kommission fassen. Auch da war der Tagesordnungspunkt gestrichen worden.
Redaktioneller Hinweis: Michael Müller ist Mitherausgeber von Klimareporter
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