Kohlearbeiter im mittlerweile geschlossenen Tagebau Espenhain 1986

Kohlearbeiter im Tagebau Espenhain bei Leipzig im Jahr 1986. Nach der Wende wurde der Tagebau wie viele weitere geschlossen – statt eines Strukturwandels gab es damals einen Strukturbruch. 

(Foto:

Friedrich Gahlbeck/​ADN-Zentralbild/​Bundesarchiv/​Wikimedia Commons

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Es ist das erste Gremium zur Befriedung der Energiewende in Deutschland überhaupt. Doch bevor die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" überhaupt startet, schmeißen die Gegner eines Kohleausstieges mächtig mit Grubendreck um sich.Es ist das erste Gremium zur Befriedung der Energiewende in Deutschland überhaupt. Doch bevor die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" überhaupt startet, schmeißen die Gegner eines Kohleausstieges mächtig mit Grubendreck um sich.

Es sei "unseriös", die Kommission auf einen "radikalen Kohleausstieg" zu reduzieren, sagte Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), als Seitenhieb gegen Klimaschützer. Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer gibt den Angstmacher. Der Ausstieg aus der Kohle dürfe "keinen abrupten Abbruch wie 1990" lostreten, sagte er. Zur Erinnerung: die "blühenden Landschaften" im Osten hat immer noch seine Partei zu verantworten. 

Die sinnvolle Forderung nach einer geteilten Federführung von Wirtschafts- und Umweltministerium in der Kommission watschte der Lausitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Freese als dumme "Beton-Ideologie" ab. Auch der CDU-Parlamentarier Klaus Peter Schulze aus Brandenburg tritt auf die Vollbremse. Ein Datum für den Ausstieg aus der Kohleverstromung dürfe keine Priorität für die Kommission haben.

Die Hoffnung auf eine dringend notwendige Beschleunigung der Energiewende hat dann diese Woche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in Grund und Boden getrampelt. Auf einer internationalen Energie-Konferenz in Berlin erklärte der Ex-Umweltminister, Deutschland werde seine "Kohleproduktion bis 2030 um die Hälfte reduzieren". Das ist eine De-facto-Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens. Überhaupt werde die Energiewende eben nicht "zwei, drei Jahre dauern" (Frage: Wer behauptet das?), "sondern viel länger", sagte Altmaier. Merkels Obervertrauter spielt auf Zeit.

Den Kopf angesichts dieses Sperrfeuers jetzt in den märkischen Sand stecken? Natürlich nicht! Jetzt erst recht! Die Kommission hat laut Groko-Vertrag den unmissverständlichen Auftrag, "einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung" zu erarbeiten. Und zwar "einschließlich eines Abschlussdatums".

Um das Feld nicht den ewigen Bremsern der Energiewende zu überlassen, muss auch Die Linke über das sanfte Ende der Kohleindustrie mitentscheiden. Darum hat auch die Parteivorsitzende Katja Kipping einen Brief an Altmaier geschickt und eine Teilnahme angemahnt, um nicht wie schon bei der Atomkommission ausgegrenzt zu werden.

Lorenz Gösta Beutin, Die Linke
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 Die Linke

Zur Person

Lorenz Gösta Beutin ist klima- und energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

Schließlich sind wir neben den Grünen eine der beiden politischen Kräfte in Deutschland, die ein konkretes Ausstiegsdatum im Programm haben. Die Linke ist ein relevanter politischer Akteur. In zwei der drei großen Kohleregionen Deutschlands, nämlich in der Lausitz und im Mitteldeutschen Braunkohlerevier, wurde sie in Fraktionsstärke in die Landesparlamente gewählt: in Brandenburg, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Brandenburg und Berlin hat die Linke sogar Regierungsverantwortung. Für uns wäre es darum schwer vorstellbar, dass die Kommission ohne Linke den richtigen Weg einschlägt.

Der Einstieg in den Ausstieg muss endlich losgehen. Weil Zeit und CO2-Budget für das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, rasend schnell verrinnt, muss auch Deutschland seine Klimapolitik verschärfen. Allein im Energiesektor muss das künftige Reduktionstempo im Vergleich zu 1990 bis 2014 vervierfacht werden.

Ohne sofortiges Handeln wird das Klimaziel der Bundesregierung für 2020 krachend verfehlt. Die Kommission muss – nimmt sie ihren Auftrag laut Koalitionsvertrag ernst – Sofortmaßnahmen vorlegen, "um die Lücke zur Erreichung des 40-Prozent-Reduktionsziels bis 2020 so weit wie möglich zu reduzieren". Die Abschaltung der 20 dreckigsten Kohlemeiler wäre so ein Startschuss. Neben der ordnungsrechtlichen Kraftwerksabschaltung wäre die Einführung eines CO2-Mindestpreises sinnvoll, wie es jüngst das renommierte Öko-Institut vorgeschlagen hat.

Die Linke an Bord der Kohle-Kommission braucht es gerade auch wegen ihrer sozialen Kompetenz und als Ostdeutschland-Expertin. Unser Rezept gegen Jobverlust-Panikmache und eine zweite De-Industrialisierung im Osten:

  • ein langfristiger sozial-ökologischer Umbau- und Strukturwandelplan
  • 400 Millionen Euro Steuermittel jährlich für einen vollen Strukturwandelfonds zugunsten der betroffenen Reviere
  • Abschaffung der Stromsteuer zur Entlastung privater Haushalte, um einen möglichen Strompreisanstieg infolge von CO2-Mindestpreisen zu kompensieren und damit die Akzeptanz der Energiewende in der breiten Bevölkerung spürbar zu befördern
  • Beteiligungsmöglichkeiten für Kommunen und Bürger, denn das Geschäft mit den sauberen Energien darf nicht den großen Kapitaleignern und Konzernen überlassen werden

In der Lausitz, im rheinischen Revier, in Europa oder Übersee, der Ausstieg aus den zerstörerischen Brennstoffen Kohle, Öl und Gas ist ohne Verwerfungen nur dann möglich, wenn diese große Energie-Revolution sozial, gerecht und ökologisch über die Bühne geht. Das Ruder des Handelns dürfen wir nicht den Gegenkräften überlassen.

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