Die Namen der Mitglieder der geplanten Kohlekommission fehlen nach wie vor – was die große Koalition mit ihr bezweckt, wird aber immer deutlicher: Jobs vor Klima. Das legt ein Klimareporter vorliegendes Papier zur "Einsetzung der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" nahe, das in sechs Punkten auf drei Seiten Aufgaben und Ziele des neuen Gremiums festhält.
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums bestätigte gegenüber Klimareporter, dass derzeit im Umwelt- und Wirtschaftsministerium mit diesem Dokument gearbeitet wird – allerdings handle es sich noch nicht um die Endfassung eines Mandats für die Kommission.
An erster Stelle stehen in dem Sechs-Punkte-Plan bis dato "Maßnahmen" für "neue zukunftssichere Arbeitsplätze", dann ein "Instrumentenmix" für "zukunftsfähige Energieregionen" sowie "Investitionen" in die vom Strukturwandel betroffenen Regionen.
Erst unter Punkt vier kommt eine kleine klimapolitische Neuigkeit: Aus dem Klimaschutzplan 2050 ergebe sich für 2030 die "Vorgabe zur Verringerung der Emissionen aus der Kohleverstromung um ca. 60 Prozent gegenüber dem heutigen Niveau". Bisher hatte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf eine Halbierung der heutigen Kohleverstromung bis 2030 festgelegt.
In Parteien, Klimaschutzorganisationen, Gewerkschaften und Unternehmen herrschen verschiedene Ansichten dazu, was die Kommission mit dem schwurbeligen Namen genau erreichen soll. Während sich manche von ihr ein klares Bekenntnis und einen Plan zum Kohleausstieg erhoffen, würden andere gerade dies gern hinausgezögert sehen.
So oder so ist das fast fertige Mandat ein Ausdruck klimapolitischer Hilflosigkeit. Die Bundesregierung hat noch nicht einmal die Arbeitsgrundlagen geschaffen, die die Kommission zum Arbeiten braucht – obwohl die Ergebnisse ja schon Ende des Jahres vorliegen sollen. Eine der Aufgaben des Gremiums ist nämlich nach Punkt 6, Maßnahmen zu ermitteln, mit denen Deutschland sein Klimaziel für 2020 wenigstens nicht haushoch verfehlt. Dafür, so heißt es im Papier, verpflichte sich die Bundesregierung jetzt zu einer "aktuellen Schätzung zur Größe der zu erwartenden Lücke im Rahmen des Klimaschutzberichtes 2017".
Das "Klimaziel 2020"
Die letzte offizielle Angabe zur deutschen Klimaschutz-Lücke bis 2020 stammt aus dem Oktober 2017, bezog sich dementsprechend aber nur auf das Vorjahr und ist damit sicher veraltet: Acht Prozent betrage die Lücke, gab die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bekannt, deutlich mehr als zuvor gedacht. Zum Ende des Jahrzehnts will Deutschland eigentlich 40 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990. Das Ziel hat die große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag implizit aufgegeben.
Der politische Auftrag an die Kohle-Kommission sei "klimapolitisch gefährlich", kritisierte die Umweltorganisation WWF sofort nach dem Bekanntwerden des Papiers. "Um einen fairen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen zu leisten, darf die deutsche Energiewirtschaft nur noch vier Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen", erklärt WWF-Experte Michael Schäfer. "Doch mit den schwachen Vorgaben aus dem Mandat kann diese Menge schon bis 2030 aufgebraucht werden." Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, so Schäfer, dass die Empfehlungen der Kommission zur Abkehr von der Kohle zusammen mit Sofortmaßnahmen der Bundesregierung die Klimaziele für 2020 und 2030 erreichen.
Für Lorenz Gösta Beutin von der Linksfraktion im Bundestag darf sich die Bundesregierung "nicht weiter hinter Kommissionen verstecken, sondern muss endlich selbst den Weg zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens vorgeben". Das Gremium könne der "Mammutaufgabe eines sozial gerechten Kohleausstiegs und Strukturwandels" nicht gerecht werden. Das liege nicht nur am knappen Zeitrahmen, sondern auch an der Federführung durch das Wirtschaftsministerium und der "Berufung erklärter Kohlefreunde" als Vorsitzende der Kommission.