Gero Lücking. (Foto: Amac Garbe)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Gero Lücking, Geschäftsführer für Energiewirtschaft beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Lichtblick.

Klimareporter°: Herr Lücking, diese Woche begann die Fastenzeit. Kirchen wie  Umweltorganisationen riefen zum "Klimafasten" auf. Nehmen Sie persönlich daran teil?

Gero Lücking: Wir hatten von Lichtblick aus Anlass des Beginn der Fastenzeit eine repräsentative Umfrage beim Marktforschungsinstitut Yougov im Auftrag gegeben. Demnach plant immerhin jeder vierte Deutsche – genau sind es 24 Prozent – die Fastenzeit zu nutzen, um auf etwas zu verzichten. Die überwiegende Mehrheit, nämlich 72 Prozent, tut dies aus Gesundheitsgründen. Sie wollen sich und ihrem Körper etwas Gutes tun.

Und immerhin 30 Prozent der Befragten wollen mit ihrem Fasten auch der Umwelt etwas zurückgeben und so ihren Teil zum Klimaschutz beitragen. Die Dürre im letzten Sommer, die Schneemassen in diesem Winter, die gegenwärtigen Frühlingstemperaturen und sicher auch die "Fridays for Future"-Schülerdemos bewirken also etwas und beschäftigen die Befragten.

Ich persönlich habe mich ehrlich gesagt noch nicht mit dieser Frage befasst. Ihre Frage ist ein guter Anlass, ernsthaft darüber nachzudenken.

Erneuerbaren-Verbände und Ökostrom-Unternehmen wie Arge Netz sehen keine Probleme für die Netzstabilität, wenn der Anteil des Ökostroms auf 65 Prozent steigt – auch wollen sie endlich Ökostrom im großen Maßstab für die Sektorkopplung einsetzen und auch direkt an Unternehmen liefern. Wer bremst hier eigentlich das Engagement?

Würden zwei Themen endlich angepackt, würde das wahrscheinlich den berühmten gordischen Knoten zerschlagen.

Erstens: Rund die Hälfte des Strompreises machen Steuern und Umlagen aus. Elektrische Anwendungen werden dadurch doppelt so teuer, als sie es eigentlich sein müssten. Diese Steuern und Abgaben sollten aufkommensneutral auf Benzin, Diesel, Heizöl und Gas umgelegt werden.

Mit dieser einen Maßnahme hätten alle Stromanwendungen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Das elektrische Fahren würde billiger, der Betrieb elektrischer Wärmepumpen zum Beheizen der Häuser attraktiver und das konventionelle Fahren und Beheizen mit Öl und Gas würden teurer.

Das Richtige für den Klimaschutz zu tun würde also wirtschaftlicher. Ein sich selbst verstärkender Effekt würde die Energiewende beschleunigen und wahrscheinlich wie das Zerschlagen des berühmten Knotens wirken.

Das zweite zentrale Thema ist ein CO2-Preis. Wenn beispielsweise in den klimaschädlichen Braunkohlestrom entsprechend seinem CO2-Anteil eine Steuer eingepreist wird, würde sich jeder Stromeinkäufer um Ökostrom kümmern.

Mittlerweile wehrt sich ja in der Wirtschaft kaum noch einer gegen solche Pläne. Planungssicherheit ist viel wichtiger als die nie enden wollende Diskussion, die wie ein Damoklesschwert über allen Investitionsentscheidungen schwebt.

Die EU-Kommission genehmigte in dieser Woche Teile des "Tauschgeschäfts" zwischen Eon und RWE. Werden die Warnungen vor einem neuen marktbeherrschenden Energiekonzern in den Wind geschlagen?

Die EU hat mehrere Entscheidungen getroffen – und eine davon macht uns große Hoffnungen.

Natürlich sind wir zunächst sehr enttäuscht, dass RWE nun ohne Wenn und Aber die Kraftwerke von Eon übernehmen und sich noch dazu mit 16,7 Prozent an Eon beteiligen darf. Da hätten wir eine vertiefte Prüfung erwartet, denn RWE ist schon heute marktdominant und wird künftig seinen Einfluss auf die Strompreise erheblich ausweiten können. Die Zeche für höhere Strompreise zahlen immer Verbraucher, Mittelstand und Industrie.

Umso mehr hat uns gefreut, als an diesem Donnerstag die Entscheidung der EU-Kommission kam, den Eon-Teil des Deals jetzt gründlicher zu untersuchen. Das ist ein wichtiger Erfolg unserer Bemühungen um bezahlbare Strompreise und faire Wettbewerbsbedingungen.

Die Bedenken der Kommission gründen sich auf die Einschränkung von Wettbewerb in den Endkundenmärkten für Strom und Gas in den Ländern Deutschland, Tschechien, Slowakei und Ungarn. Sie teilt damit die von uns vorgetragenen Bedenken.

Wenn die zwei größten Player im deutschen Energiemarkt zusammengehen, ist es offensichtlich, dass dies keine positiven Effekte auf den Wettbewerb haben kann. Wenn der Deal also nicht untersagt wird, brauchen wir erhebliche wettbewerbsstärkende Auflagen zum Schutz der Verbraucher.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Das Landgericht Dortmund verurteilt die Westnetz GmbH, einen Netzbetreiber aus dem RWE-Konzern, wegen "nicht unerheblicher Überrumpelung" von Kunden beim Einbau von digitalen Zählern und attestiert der RWE-Gesellschaft den Willen, Wettbewerber und Endkunden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Gesetzliche Informationspflichten und -fristen wurden missachtet.

Sofern das Zusammenschlussverfahren beider Konzerne genehmigt wird, wird Westnetz in Zukunft Teil des neuen Eon-Konzerns sein. Eon wird dann 20 Millionen Stromzähler kontrollieren. Mit dem Zugriff auf die Daten dieser 20 Millionen Endkunden wird Eon zum führenden Datenkonzern in der Energiewirtschaft.

Eon wird im Energiemarkt das, was Amazon im Online-Handel und Google bei der Internetsuche sind: marktbeherrschende "Datenkraken". Auch deshalb muss die EU einschreiten und dieser Entwicklung einen Riegel vorschieben.

Fragen: Jörg Staude

Anzeige