Aysel Osmanoglu. (Bild: Martin Steffen)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Aysel Osmanoglu, Vorstandssprecherin der GLS Bank.

Klimareporter°: Frau Osmanoglu, die Lasten und Pflichten bei der Bewältigung des Klimawandels müssen so verteilt werden, dass möglichst alle Menschen jetzt und in Zukunft die Mindestvoraussetzungen für ein gutes, gelingendes Leben erreichen können – das ist die Kernantwort des Deutschen Ethikrates auf die Frage, wie Klimagerechtigkeit aussehen könnte.

Wie sähe denn Ihr Konzept aus für ein gutes und gelingendes ökologisches Leben?

Aysel Osmanoglu: Ich würde auf das Verursacherprinzip pochen. Kurzfristig lässt sich noch immer zu viel privater monetärer Gewinn erwirtschaften, während die negativen Effekte wie Umweltschäden auf die gesamte Gesellschaft abgewälzt werden.

Deshalb wäre mein Vorschlag, genauer auf die Begriffsdefinition zu blicken. Gewinn als rein betriebswirtschaftliche Größe liefert zu wenige Anhaltspunkte mit Blick auf die Resilienz- und Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens. Eigentlich müssten hier alle Umwelt- und Klimarisiken mit eingepreist sein.

Politisch funktioniert das beispielsweise über einen steigenden CO2-Preis, der dann auch von Banken und Versicherern wiederum als Risikofaktor in Kredit und Zinsentscheidungen eingerechnet werden müsste. Würden wir diese Form der "wahren" Bilanzierung konsequent verfolgen, wäre echtes Umsteuern die Folge.

Wir sehen aktuell bereits in den USA die ersten Versicherer, die sich weigern, Regen- und Feuerschäden abzusichern. Schaffen wir es, diese Logik nicht erst auf die Folgeschäden, sondern auf die Ursachen zu lenken, dann erübrigt sich die Finanzierung eines Kohlekraftwerkes aus Risikoperspektive – und das ganz ohne Ethik.

Erstmals hat die Europäische Umweltagentur eine Klimarisiko-Bewertung vorgelegt. Die Klimarisiken gefährden Energie- und Ernährungssicherheit, Ökosysteme, Infrastruktur, Wasserressourcen, Finanzstabilität und die Gesundheit der Menschen, schreibt die EU-Behörde. Im Finanzsektor drohen damit höhere Versicherungsprämien, Vermögenswerte und Hypotheken sind gefährdet, dem Staat drohen höhere Ausgaben und Kreditkosten. Wie kann gerade der Finanzsektor klimaresilient werden?

Jede Verwendung von Geld hat Auswirkungen auf uns, auf die Umwelt und auf die Welt, in der wir leben. Als GLS Bank leben wir dieses Verantwortungsbewusstsein seit 50 Jahren durch ganz konkrete Positiv- und Ausschlusskriterien für unsere Geldgeschäfte.

Wir finanzieren erneuerbare Energien, biologische Landwirtschaft, Krankenhäuser und Schulen. Aber wir machen keine Geschäfte mit Pestiziden, fossilen Energien oder Rüstung. Auch hier lässt sich mit Risikovorsorge argumentieren.

Nicht jede Bank braucht eine 50-jährige Historie nachhaltiger Kreditvergabe. 70 Prozent der Unternehmen sind nach Untersuchungen der Europäischen Zentralbank in hohem Maße abhängig von "Leistungen des Ökosystems". Das heißt: Artensterben, Biodiversität, Wasserqualität – all diese Faktoren beeinflussen unsere Wirtschaft und deren Wettbewerbsfähigkeit.

Dieses Wissen muss sich auch in Bankbüchern abbilden und führt zu mehr Klimaresilienz – auch in der Finanzbranche.

Ob der Bundestag kommende Woche das sogenannte Solarpaket verabschiedet, ist nach wie vor unsicher. Das Paket soll auch den Einbau von Balkonmodulen vereinfachen. Die GLS Bank engagiert sich in einer Crowdfunding-Kampagne zur Installation von Balkonsolaranlagen. Ist so eine Kampagne angesichts der noch unklaren gesetzlichen Regeln unterstützenswert?

Mit Photovoltaikanlagen für den Balkon können wir gemeinschaftlich die Energiewende vorantreiben. Nicht nur Hausbesitzer:innen können etwas tun können, sondern fast jede:r von uns. Denn 60 Millionen Menschen in Deutschland haben Zugang zu einem Balkon oder einer Terrasse.

Wenn nur drei Millionen davon auf dem Balkon ihren eigenen sauberen Strom produzieren, dann können wir ein mittelgroßes Kohlekraftwerk ersetzen. Das wäre doch etwas Großartiges!

Und ich bin davon überzeugt, dass uns dieser gemeinschaftliche Erfolg dann auch als Gemeinschaft Mut machen kann: Zusammen sind wir nicht wirkungslos, sondern wirkmächtig im Kampf um Klimagerechtigkeit.

Deswegen wollen wir das fördern. Wenn GLS-Kund:innen ein Balkonkraftwerk installieren, schenken wir ihnen 50 Euro und geben weitere zehn Euro in den Solidartopf unseres Partners Zweihorn Energy, der die Kraftwerke vertreibt. Der Solidartopf ermöglicht Menschen den Einbau eines Balkonkraftwerks, die es nicht selbst finanzieren können.

Auch diese Botschaft ist uns wichtig: Wir ringen gemeinsam um Klimagerechtigkeit, und in dieser Gemeinschaft unterstützen wir uns darum auch gegenseitig. Und apropos Mut: Ich hoffe, dass der Erfolg unseres Crowdfundings dann auch der Politik Mut macht, die richtige Entscheidung zu treffen.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Nach dem langen Hin und Her beim Lieferkettengesetz bin ich froh über die europäische Einigung. Schon seit 2022 machen wir uns innerhalb der Initiative Lieferkettengesetz gemeinsam mit über 100 Unternehmen, Verbänden und Investoren für diese Regelung stark.

Deutschlands Enthaltung in dieser Frage bewerte ich weiterhin als kritisch. Umso eindrücklicher, dass es trotzdem zu einer qualifizierten Mehrheit auf EU-Ebene gekommen ist. Das unterstreicht in meinen Augen die Verantwortung der Unternehmen für ihre jeweiligen Wirtschaftstätigkeiten.

Fragen: Jörg Staude