2021 war für Deutschland ein Desasterjahr – klimapolitisch gesehen. Und das nicht allein, weil die CO2-Emissionen gegenüber 2020 um rund 4,5 Prozent stiegen und die Bundesrepublik damit die größte prozentuale Zunahme seit 1990 hinlegte, wie der Klimarat der Bundesregierung heute in seinem Prüfbericht bilanzierte.
Erstmals seit dem Jahr 2013 sei auch die sogenannte CO2-Emissionsintensität gestiegen, so der Bericht. Diese Kennzahl beschreibt, wie viel Treibhausgase bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erzeugt werden, angegeben wird sie in Kilogramm CO2 pro 1.000 Euro BIP.
Der Grund: Die Wirtschaftsleistung legte im letzten Jahr vor allem auf fossiler Energiebasis zu. Dazu heißt es im Bericht, 2021 habe gegenüber dem Vorjahr das BIP-Wachstum bei 2,7 Prozent und die Wachstumsrate des Primärenergieverbrauchs bei 3,1 Prozent gelegen.
Zugleich hätten sich jedoch bei der Zusammensetzung der Primärenergie "Verschiebungen" ergeben, die zu "höheren Emissionen je Einheit Primärenergie" geführt haben, heißt es weiter. Der Klimarat begründet das unter anderem mit einem abnehmenden Anteil erneuerbarer Energien und einem Anstieg der Kohleverstromung.
Die gestiegene Wirtschaftsleistung hat an den höheren Emissionen einen Anteil von 19,5 Millionen Tonnen oder 60 Prozent. Der "restliche" Teil, rund 13 Millionen Tonnen, ging laut den Angaben auf die Zunahme der Emissionsintensität zurück.
Deutschland ist damit de facto CO2-"schmutziger" geworden. Angesichts dieser Trendwende sollte nach Überzeugung des Klimarats geprüft werden, inwieweit sich der 2021er Anstieg der Emissionsintensität als kritisch für das Erreichen der Klimaziele erweisen könnte.
Verkehr und Gebäude auf Wiedervorlage
Der Klimarat bestätigt noch einmal, dass die Sektoren Verkehr und Gebäude ihre Klimaziele für 2021 verfehlt haben. Die Analyse gebe dabei Hinweise, dass ohne Sondereffekte die Emissionen im Verkehr eher noch höher ausgefallen wären, erläutert Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Klimarats. Mit Sondereffekten sind in erster Linie Pandemie-Folgen gemeint.
Der Klimabericht weist darauf hin, dass der Gebäudesektor sein Jahresbudget zum zweiten Mal in Folge überschritten hat. Allerdings sei diese Überschreitung geringer als die durch Lagerhaltung und Witterung bedingten Einflüsse, betont Ratschef Henning.
Einschlägige Studien zeigen inzwischen, dass beispielsweise die umfangreiche Lagerhaltung von Heizöl die jährliche Klimabilanz im Gebäudesektor verzerrt. Große Mengen Heizöl werden in dem einen Jahr aufgrund billiger Preise eingekauft, aber erst im Folgejahr verbraucht.
Ein weiterer Sondereffekt beruht darauf, dass die Emissionsbilanzen des Umweltbundesamtes, mit denen jetzt die Einhaltung der Sektorziele bewertet wird, erst im Abstand von mehreren Jahren temperaturbereinigt vorliegen. Dort sind dann etwa die Klimaeffekte kalter oder warmer Winter herausgerechnet.
Solche späteren Korrekturen, bei denen Sondereffekte berücksichtigt werden, können allein für den Gebäudesektor einen Umfang von zehn Millionen Tonnen im Jahr erreichen, zitiert der Klimarat einschlägige Studien.
Für 2021 lag das Sektorziel für die Gebäude bei 113 Millionen Tonnen. Der Expertenrat empfiehlt daher, das Klimaschutzgesetz in diesem Jahr weiterzuentwickeln und Sondereffekte besser zu berücksichtigen.
Klima-Allianz fordert Gesetzeskorrekturen
Die Bundesregierung müsse im Verkehrs- und Gebäudebereich endlich handeln, um Deutschland auch unabhängig von Öl und Gas zu machen, verlangt angesichts des Prüfberichts die Klima-Allianz Deutschland, ein zivilgesellschaftliches Bündnis von rund 140 Organisationen.
"Wir erwarten für beide Sektoren wirksame Maßnahmen im Mai im Folgepaket zum Osterpaket", sagte Stefanie Langkamp von der Klima-Allianz.
Das Bündnis fordert vor allem Mindesteffizienzstandards für die schon bestehenden Gebäude und nicht nur für Neubauten sowie eine serielle, sozialverträgliche Sanierung vor allem der Altbauten. Dazu müsse ein Einbaustopp für Öl- und Gasheizungen und eine großflächige Umrüstung auf Wärmepumpen kommen.
Notwendige Maßnahmen im Verkehr sind für die Klima-Allianz ein Tempolimit, die rasche Antriebswende zur Elektromobilität sowie eine echte Verkehrswende hin zu mehr Bus-, Bahn-, Rad- und Fußverkehr.