Zerstörung im sächsischen Schlottwitz durch Hochwasser 2002
Starkregen kann große Zerstörungen anrichten – und hilft wenig gegen ausgetrocknete Böden. Straßenszene im sächsischen Schlottwitz im Sommer 2002. (Bild: Harald Weber/​Wikimedia Commons)

Das Jahr 2024 hielt auch für Leute, die sich schon lange mit Klima befassen, Überraschungen bereit. Nicht neu war zunächst: Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen hat sich Deutschland, betrachtet man den linearen Trend der vergangenen 140 Jahre, um 1,8 Grad erwärmt.

Überraschend aber: Nimmt man zum Vergleich mit dem Aufzeichnungsbeginn um 1880 nur den Temperaturschnitt seit 2013, also der letzten zehn Jahre, liegt die Erwärmung schon bei 2,3 Grad.

 

Und nimmt man nur die Mitteltemperatur von 2024, hat die Erwärmung bereits 2,8 Grad erreicht. Alles aktuelle Angaben des Deutschen Wetterdienstes.

Bekanntlich liegt die Temperatur in Klima-Hotspots wie Städten noch über der des Umlands, und zwar teilweise um bis zu einem Grad. Faktisch kämpft Deutschland bereits mit der Drei-Grad-Grenze. Nicht jedes kommende Jahr muss dabei wie 2024 neue Wärmerekorde bringen, aber die Richtung der Temperaturentwicklung ist eindeutig.

Die rasche Erwärmung bringt neue, teilweise überraschende Phänomene hervor. So führt die eintretende stärkere Verdunstung zwar zu mehr Niederschlägen, diese kommen aber öfter als Extremfluten vom Himmel. Die Wassermassen reißen am Boden alles Mögliche um, am Ende landet aber weniger vom Nass im Grundwasser. Extremniederschläge können den Boden über die Zeit austrocknen, so komisch das erstmal klingt.

Durch diese und andere Folgen des Klimawandels verliert Deutschland seit 2000 jedes Jahr im Schnitt 2,5 Milliarden Kubikmeter Wasser, stellte der vor einem Jahr veröffentlichte Monitoringbericht zur Klima-Anpassungsstrategie fest.

Verlust entspricht dem Wasser-Fußabdruck von 900.000 Einwohnern

Zum Vergleich: Jeder Einwohner Deutschlands hat einen sogenannten Wasser-Fußabdruck. Der resultiert nicht nur aus dem direkten Wasserverbrauch für Kochen, Trinken und Waschen, sondern bezieht auch den indirekten Verbrauch zur Herstellung von Lebensmitteln, Kleidung und anderem im In- wie im Ausland ein.

Dieser Gesamt-Wasserverbrauch liegt pro Kopf und Jahr hierzulande laut dem Umweltbundesamt bei etwa 2.600 Kubikmetern. Der jährliche Verlust von 2,5 Milliarden Kubikmetern entspricht so dem Wasserfußabdruck von mehr als 900.000 Menschen in Deutschland.

Die dritte Klima-Überraschung dieses Jahres offenbarte sich mit der im Herbst veröffentlichten Bundeswaldinventur. Weniger neu war dabei, dass es dem deutschen Wald schlecht geht, überraschend war aber, wie schlecht es ihm geht: Vier von fünf Bäumen sind geschädigt – und zwar so sehr, dass der Wald eigentlich seit Jahren schon keine CO2-Senke mehr ist, sondern eine CO2-Quelle.

Schuld daran ist auch der Klimawandel. Trockenheit und Hitze setzten in den letzten Jahren den Bäumen zu. Dazu kommen verstärkte Waldbrände und Stürme. "Das grüne Herz unseres Landes gerät aus dem Takt", erklärte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) anlässlich der Waldinventur. Eher gilt jedoch: Das grüne Herz ist schon aus dem Takt geraten.

Neues Bundeswaldgesetz gescheitert, Klimaanpassungsstrategie nicht

Özdemir bekräftigte anlässlich der Inventur auch seine Forderung nach einem neuen Bundeswaldgesetz. Dessen Entwurf schleppte sich aber nur noch bis in die Verbändeanhörung im Spätherbst und fiel dann dem Ampel-Aus zum Opfer.

Darüber sind weder Waldbesitzerverbände noch Naturschützer besonders unglücklich. Erstere starteten eine Kampagne, um das Gesetz zu Fall zu bringen. Umweltverbände kritisierten unter anderem viel zu lasche Vorgaben für den Waldumbau.

Ein Wald aus toten Fichten neben der Brockenbahn im Hochharz.
Der deutsche Wald – hier im vergangenen Frühjahr am Brocken im Harz – speichert immer weniger CO2. (Bild: Arthur Junker)

Besser lief es da mit dem ersten Bundes-Klimaanpassungsgesetz. Anfang Juli trat es in Kraft, und jetzt kurz vor Ultimo beschloss das nur noch rot-grüne Bundeskabinett auch die dazugehörige Anpassungsstrategie. Für deren Vorlage hatte das Gesetz eigentlich bis September 2025 Zeit gelassen.

Laut dem Gesetz sollen bis 2030 für 80 Prozent der von den Ländern dazu verpflichteten Gemeinden beziehungsweise Landkreise Klimaanpassungskonzepte vorliegen. Die umständliche Formulierung hat ihren Grund: Der Bund kann die kommunalen Körperschaften nicht direkt verpflichten, solche Anpassungskonzepte vorzulegen. Das ist im föderalen System Ländersache.

Die 80 Prozent sind dabei ein durchaus ehrgeiziges Ziel. Wie weit die Kommunen davon noch entfernt sind, legte im Herbst eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamts offen. Danach gaben nur zwölf Prozent der Kommunen an, ein Klimaanpassungskonzept zu besitzen. Allerdings wollen schon 41 Prozent Maßnahmen zur Klimaanpassung umgesetzt haben.

Klimaanpassung bleibt nur bei begrenzter Erwärmung bezahlbar

Natürlich stehe die Anpassungsstrategie unter Haushaltsvorbehalt, betonte das Bundesumweltministerium bei ihrer Veröffentlichung. Die Aufnahme von Zielen in das Strategiepapier ändere nichts daran, dass sich der damit verbundene Finanzbedarf für die Umsetzung in die haushalts- und finanzpolitischen Vorgaben der Bundesregierung einfügen müsse, fuhr das von Steffi Lemke (Grüne) geleitete Ministerium fort.

Die Haushaltslage bestimmt also das Maß an Klimaanpassung. Über die Höhe der Kosten sagt die Strategie nichts aus. Bekannt ist dazu eine Angabe der Umweltministerkonferenz von Ende 2022. Um die Ziele in den Bereichen Klimaanpassung, Naturschutz und natürlicher Klimaschutz bis 2030 zu erreichen, bestehe in Ländern und Kommunen ein Bedarf von insgesamt rund 55 Milliarden Euro, hatten die Umweltminister der Länder und des Bundes festgestellt.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund bezifferte 2024 den Investitionsbedarf für Klimaschutz und Klimaanpassung auf mindestens acht Milliarden Euro jährlich. In der Größenordnung läuft das auf die von den Umweltministern genannte Zahl hinaus.

 

Wer das für nicht finanzierbar hält, sollte in die im Februar 2023 veröffentlichte Studie "Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland" schauen. Dort werden für den Zeitraum von 2022 bis 2050 Folgekosten von insgesamt 280 bis 900 Milliarden Euro genannt, etwa zehn bis 32 Milliarden pro Jahr.

Die untere Grenze soll dabei für einen "schwachen" Klimawandel mit zwei Grad globaler Erwärmung gelten, die obere für einen "starken" Klimawandel mit drei Grad Plus, jeweils schon bis zur Mitte des Jahrhunderts.

Wo Deutschland da am Ende landet, ist noch nicht ausgemacht. Klar ist nur: Klimaanpassung bleibt nur bei konsequentem Klimaschutz bezahlbar.