Auspuff
Sind es wirklich noch so viele, die den Erfolg des Wirtschaftssystems am Spritpreis ablesen? (Foto: Raphaela Snapit/​Pixabay)

Die "Benzinwut" wird wieder hochgekocht. Von wem? Natürlich vom Boulevardblatt Bild, das vor nun fast zwei Jahrzehnten mit diesem Wort in Riesenlettern Stimmung gegen höhere Abgaben auf den Sprit gemacht hatte – als die damalige rot-grüne Bundesregierung die Ökosteuer einführte. Jetzt erwischte es die aktuelle Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "SPD-Ministerin plant Sondersteuer auf Benzin und Heizöl", titelte das Boulevardblatt. Und orakelte: "Liter Sprit bald 2 Euro?"

Das Treibhausgas Kohlendioxid muss in allen Bereichen – von Industrie über Verkehr bis Haushalte – einen wirksamen Preis bekommen, um die Klimaschutz-Ziele noch zu erreichen. Das ist unter Ökonomen, Umweltschützern und vielen Politikern Konsens.

Erst letzte Woche sprachen sich die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten für die Bundesregierung wieder dafür aus. Sie halten einen einheitlichen CO2-Preis für die Sektoren Strom, Verkehr und Wärme für nötig, und das selbst dann, "wenn er nur auf nationaler Ebene eingesetzt werden könnte".

Auch der Bundesrechnungshof und die Kommission zum Monitoring der Energiewende plädieren dafür, das bisher überaus komplexe Abgabensystem im Energiesektor nach diesem Prinzip umzubauen.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat dieses Thema bereits mehrfach aufgegriffen, doch erst diesmal entfachte sie damit den Bild-Furor. Eine Rolle dürfte dabei gespielt haben, dass der Sprit derzeit so teuer sind wie lange nicht mehr, unter anderem wegen des Niedrigwassers auf dem Rhein.

Super E10 kostet über 1,50 Euro, Diesel liegt nur knapp darunter. Klar, dass dann die Ankündigung, per CO2-Steuer solle noch etwas draufkommen, Autofahrer auf die Palme bringen kann – und Leser anlocken, das Blatt zu kaufen.

Einnahmen aus CO2-Steuer sollen an Bürger zurückfließen

Tatsächlich geht es bei all den Vorschlägen, die derzeit zur CO2-Steuer kursieren, nicht um Abzocke. Schulze hat zwar in der Tat vorgeschlagen, Sprit, Heizöl und Erdgas gemäß ihrem CO2-Gehalt mit einer Abgabe zu verteuern, im Gegenzug aber soll der Strom billiger werden. Es gehe nicht darum, Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt zu erzielen. "Ein solches System darf insgesamt zu keiner Netto-Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger führen."

Schulze selbst twitterte nach der Bild-Schlagzeile: "Ich plane selbstverständlich keine 'Sondersteuer'". Es gehe um die Lenkungswirkung. Tatsächlich hat Deutschland in den Sektoren Verkehr und Wärme seinen CO2-Ausstoß seit 1990 nicht oder nur wenig gesenkt, der Strom hingegen ist schon zu fast 40 Prozent "öko".

Die Chancen, dass der überfällige Umbau der Energiesteuern bald vollzogen wird, ist trotz der Unterstützung, die Schulz vorige Woche in der deutschen Umweltminister-Konferenz bekam, minimal. Die Länder-Minister, darunter auch solche von Union und SPD, forderten die Bundesregierung auf, bis zum Frühjahr ein Konzept für eine CO2-Bepreisung auch von Heizöl, Gas und Sprit zu erarbeiten.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hingegen blockte gleich ab. Es gebe keine Überlegungen für eine "neue CO2-Bepreisung", ließ er mitteilen. Und auch die Unionsspitze mauerte. "Wir sagen Nein zu höheren Steuern auf Kraftstoffe und Heizöl", assistierte Fraktionsvize Georg Nüßlein.

Bleibt nur die Hoffnung, dass die Vernunft sich doch noch rechtzeitig durchsetzt. Die Grünen haben auf ihrem Europa-Parteitag am Wochenende ein Modell für die CO2-Bepreisung vorgelegt, bei dem die erhobene Steuer – eine Art CO2-Mindestpreis in den Sektoren außerhalb des EU-Emissionshandels – über ein für alle gleiches "Energiegeld" an die Bürger zurückgegeben wird – also quasi über einen Scheck. Wenigverbraucher hätten dadurch sogar einen Gewinn.

Ein soziales Modell, das eigentlich auch einem SPD-Finanzminister gefallen müsste. Falls er keine Angst vor der Bild hat.

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