Diesmal blieb die "Benzinwut" aus. Anfang Januar sind Benzin und Diesel teurer geworden, ebenso Heizöl und Erdgas. Doch anders als vor gut 20 Jahren, als die rot-grüne Bundesregierung ihre ökologische Steuerreform startete und den Sprit verteuerte, gab es diesmal kaum Protest.
Damals feuerte die Opposition aus Union und FDP aus allen Rohren gegen den fiskalischen Umbau – Motto: Energie teurer, Arbeitskosten runter –, und das Boulevardblatt Bild hetzte die Bürger dagegen auf.
So etwas ist der Republik nun zum Glück erspart geblieben. Und das nicht nur, weil die Coronakrise die Aufmerksamkeit für viele andere Themen absorbiert. Etwas anderes hat sich verändert.
Das Thema Klimaschutz ist gesetzt. In der Politik, bei den Bürgern. Jeder weiß, dass "Weiter so" in der Energie- und Industriepolitik nicht funktioniert. Es bleiben nur noch zwei bis drei Jahrzehnte, bis die Netto-Null bei den Treibhausgasemissionen erreicht sein muss, und die Zeit bis 2030 ist entscheidend für das Einschwenken auf den richtigen Pfad.
Die neue CO2-Abgabe, die nun das Autofahren und das Heizen verteuert, ist hier ein Schritt in die richtige Richtung. Das gilt es anzuerkennen, auch wenn der Schritt viel zu klein ist, zudem schlecht umgesetzt und kommuniziert.
Die Verteuerung beginnt moderat, mit 25 Euro pro Tonne. Benzin und Diesel zum Beispiel wurden dadurch sieben respektive acht Cent pro Liter teurer. Das sind Aufschläge, die im normalen Schwankungsbereich beim Tanken liegen. Tatsächlich ist Sprit derzeit billiger als er Anfang 2020 war, vor allem, weil Corona den Absatz einbrechen ließ.
Die Abgabe soll sich bis 2025 mehr als verdoppeln. Doch selbst das ist noch weit von einem realistischen CO2-Preis entfernt, der die anfallenden Umwelt- und Klimaschäden abdeckt und Verhalten sowie Investition schnell genug umsteuert. Das Umweltbundesamt hat die Kosten gerade neu kalkuliert – auf 195 Euro pro Tonne, also mehr als dreimal so viel, wie in Deutschland Mitte des Jahrzehnts erhoben werden sollen.
Vorreiterstaaten haben auch ökonomisch Erfolg
Man kann hoffen, dass der Einstieg light in die CO2-Bepreisung trotzdem wirkt. Denn erstens ist dieses Signal gesetzt: Die Kosten für fossile Energien werden in den nächsten Jahren stetig weiter steigen.
Und zweitens hat die Bundesregierung prall gefüllte Fördertöpfe aufgestellt, die bereits einen Boom beim Umstieg auf E-Autos, die Umstellung auf Öko-Heizungen und die Energiesanierung von Häusern ausgelöst haben.
Trotzdem wird es die Aufgabe der neuen Bundesregierung ab Herbst sein, das Thema noch einmal neu anzupacken. Es braucht hier endlich einen großen Wurf, kein Klein-Klein mehr, wie bisher.
Andere Länder machen vor, dass auch deutlich höhere CO2-Preise eingeführt werden können, ohne Bürger und Wirtschaft zu beeinträchtigen. In Frankreich kostet die Tonne CO2 aktuell 44,50 Euro, in der Schweiz 85, in Schweden 120.
Am ehrgeizigsten ist derzeit Norwegen. Die Regierung des Öllandes will, wie soeben bekannt wurde, den Preis bis 2030 von derzeit 60 auf 200 Euro anheben. Der bisherige Spitzenreiter Schweden zeigt, dass Konzept funktioniert: Während die CO2-Steuern schrittweise stiegen, sank der CO2-Ausstoß um 25 Prozent und die Wirtschaft wuchs um 75 Prozent.
Die Vorreiter Schweiz und Schweden lehren etwas Weiteres. Entscheidend für die Akzeptanz der CO2-Bepreisung ist, dass sie nicht als Abkassiermodell des Staates daherkommt. Schweden hat im Gegenzug andere Steuern gesenkt und soziale Projekte damit finanziert. Die Schweiz erstattet zwei Drittel des Aufkommens pauschal pro Kopf an die Bürger zurück – eine Art "Ökobonus" –, während ein Drittel in die energetische Gebäudesanierung fließt.
Rückgabe per Strompreis kommt nicht an
Die deutsche Bundesregierung hingegen hat es versäumt, die CO2-Bepreisung mit einem ähnlich positiven, für die Bürger leicht nachvollziehbaren Modell zu verbinden. Hier drohen die mit dem CO2-Geld finanzierten Wohltaten zu versanden. Grund ist zwar auch die Coronakrise, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Jahr 2019 noch keiner vorausahnen konnte. Aber eben nicht nur.
Vor allem die Rückgabe per Strompreis kommt bei den Bürgern nicht an, und das ist noch misslicher als das coronabedingte Verpuffen der Verbilligung der Bahn-Ferntickets und die kontraproduktive Erhöhung der Pendlerpauschale.
Zwar fließt ein elf Milliarden Euro schwerer Zuschuss in die Ökostrom-Finanzierung. Doch der reicht gerade einmal, um die EEG-Umlage in etwa stabil zu halten. Der Durchschnittshaushalt wird gerade einmal um zehn Euro pro Jahr entlastet. Unter dem Strich wird Elektrizität nicht billiger, weil gleichzeitig die Netzentgelte steigen.
Dabei muss günstiger Ökostrom doch das Ziel sein, um E-Mobilität und Wärmepumpen zum Heizen nachhaltig in den Markt zu bringen. Sonst wird es nichts mit der grünen Elektrifizierung der Industrienation Deutschland.
Fazit: Das Ausbleiben der Benzinwut ist ein gutes Zeichen. Die nächste Bundesregierung sollte daraus den Mut schöpfen, eine dem Problem angemessene CO2-Besteuerung und eine grundlegende Energiepreis-Reform anzupacken.