Als am Freitagmorgen etwa 2.000 Aktivisten von "Ende Gelände" vom Camp in Viersen in zwei "Fingern" aufbrechen, um die Kohleinfrastruktur zu blockieren, merken sie schnell: Das wird an diesem Tag ein besonders schwieriges Unterfangen. Die Polizei hat die Bahn angewiesen, den nahen Viersener Bahnhof zu sperren. Sie sieht eine "konkrete Gefahr" durch die Klimaaktivisten.
Zwei Eilanträge gegen die polizeiliche Sperrung des Bahnhofs bleiben erfolglos. "Ende Gelände" muss umplanen. Sprecherin Kathrin Henneberger kritisiert das Vorgehen scharf: "Die Polizei nimmt Menschen das Grundrecht, für ihre Zukunft zu protestieren. Tausende sind auf dem Weg zu angemeldeten Versammlungen, die Polizei verhindert das durch Sperrung des Bahnhof Viersen. Diese Schikanen müssen sofort aufhören!"
Am Nachmittag hat "Ende Gelände" dann umdisponiert und Busse organisiert, mit denen sich die Aktivisten zu zahlreichen Mahnwachen rund um den Tagebau Garzweiler auf den Weg machen. Gegen 16 Uhr sollen mehrere hundert Aktivisten mit Reisebussen in Bedburg südlich des Braunkohletagebaus angekommen sein. Weitere werden erwartet. Neben Garzweiler könnte möglicherweise auch der Tagebau Hambach ein Ziel der Demonstranten sein.
Als die Finger von "Ende Gelände" sich schon auf den Weg gemacht haben, geht es mit der Demonstration in Aachen erst so richtig los. Zehntausende Schülerinnen und Schüler treffen sich in der Stadt im Dreiländereck von Deutschland, den Niederlanden und Belgien zum zentralen europäischen Klimastreik. Mit zwei Sonderzügen und zahlreichen Bussen sind sie aus ganz Europa angereist.
"Ziviler Ungehorsam ist legitim"
Julia aus Brandenburg ist eine von ihnen, sie trifft sich mit vielen anderen am Aachener Hauptbahnhof. Im Gespräch erzählt sie, wie wichtig es ihr ist, für die Zukunft auf die Straße zu gehen, und wie gut es sei, das mit Menschen aus ganz Europa zu tun. Die kommende Nacht will sie am Tivoli-Stadion verbringen und am Samstag mit "Fridays for Future" am Tagebau Garzweiler demonstrieren. Ob sie in die Grube gehen will? "Mal schauen", antwortet sie.
Vorwürfe, dass die Fridays-for-Future-Demonstranten möglicherweise unfriedliche Aktionsformen unterstützen würden, hat "Fridays"-Aktivistin Luisa Neubauer heute im ZDF-Morgenmagazin zurückgewiesen: Man sehe "Ende Gelände" als Partner in einem großen Kampf gegen die Klimakrise und gegen Regierungen, die nicht bereit seien zu handeln, sagte Neubauer. "Ende Gelände wählt andere Aktionsformen und das ist absolut legitim."
Neubauer wies auch darauf hin, dass "Fridays for Future" im Zweifel ebenfalls für zivilen Ungehorsam stehe. "Wir gehen nicht zur Schule oder nicht zur Uni – das heißt: Auch da sind vielleicht die Unterschiede gar nicht so groß."
Am Nachmittag geht die Demonstration in Aachen in eine große politische Party über, bei der die angesagten Bands "Moop Mama" und "Culcha Candela" auftreten. Auch der Youtuber und "CDU-Zerstörer" Rezo beteiligt sich an der Demonstration. Auf Twitter schrieb er: "Kommt rum, macht mit, bin auch am Start."
Insgesamt demonstrieren nach Angaben von "Fridays" 35.000 bis 40.000 Menschen in Aachen. Luca aus dem Organisationsteam spricht von der "größten Klimademo" aller Zeiten in Deutschland. Man habe das Motto "Klimagerechtigkeit ohne Grenzen" auf die Straße getragen.
Am morgigen Samstag wollen sich die Schüler an den Protesten rund um den Tagebau Garzweiler mit einem Teach-in beteiligen, anschließend soll es zur Kundgebung des Bündnisses "Alle Dörfer bleiben" gehen.
Ergänzung um 21 Uhr: Gegen halb sieben Uhr abends teilt das Aktionsbündnis "Ende Gelände" mit, dass etwa 700 Aktivisten die Nord-Süd-Bahn blockieren. Mit der Kohlebahn werden die Braunkohlekraftwerke Neurath und Niederaußem versorgt. Die Blockade soll laut Medienberichten die ganze Nacht Bestand haben. Bis 21 Uhr soll die Polizei noch keine Räumung angekündigt haben. RWE hat die Blockade der Schienenstrecke bestätigt.
Nach Angaben von "Ende Gelände" befanden sich außerdem mehrere tausend Menschen auf dem Weg zu verschiedenen Blockadeorten. Am morgigen Samstag soll es eine zweite Blockadewelle geben.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: An der Klima-Kante