Andreas Knie. (Foto: InnoZ)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, Urlaubszeit – für viele bedeutet das: ab ins nächste Flugzeug. Sie haben vorgeschlagen, internationale Flüge zu deckeln, vielleicht auf dreimal hin und her pro Kopf und Jahr – für den Klimaschutz. Das Reisen in ferne Länder wird aber auch mit Weltoffenheit, Selbstverwirklichung und Status in Verbindung gebracht. Wie kann man bei uns Mehrheiten davon überzeugen, das Fliegen als Standard aufzugeben und politische Vorgaben zu akzeptieren?

Andreas Knie: Die Einsicht, dass Fliegen nicht wirklich umweltfreundlich ist, kann als sehr verbreitet in der deutschen Gesellschaft gelten. Zurzeit handelt so jeder und jede mit sich aus, was zu tun ist und wie es mit den Wünschen und Vorstellungen von einem guten Leben zu vereinbaren ist. Unter Umständen ist das Fliegen schneller und vor allen Dingen auch oft viel günstiger. Wenn es den Flieger aber innerhalb Deutschlands nicht mehr gäbe, könnte sich jeder darauf einstellen.

Ich glaube weiterhin, dass ein innerdeutsches Flugverbot mehrheitsfähig wäre. Denn die Mehrzahl dieser Flüge sind sogenannte Spokes als Zubringerdienste für die Langstreckenflüge. Ein generelles Verbot würde weder den Untergang des Abendlandes noch den der Airlines bedeuten und das Verbot würde alle gleichermaßen treffen.

Unter dem Hashtag #Flugscham machen Menschen in den sozialen Medien darauf aufmerksam, dass Fliegen dramatisch für das Weltklima ist. Bei Klimareporter° wird nun debattiert, ob individuelle Appelle hier einen Wandel in Gang setzen können oder nicht. Was sagen Sie?

Das schlechte Gewissen hilft. Es ist ein wichtiger Treiber für Verhaltensänderung. Denn es zeigt uns an, dass unser "Ist" nicht in Übereinstimmung mit dem "Soll" ist. Übergangsweise können noch situative Entschuldigungsstrategien wirken – nach dem Motto: "Ging gerade nicht anders, sorry", aber auf Dauer wird es nicht helfen. Wer den Klimawandel bekämpfen möchte, der wird sein Flugverhalten tatsächlich fundamental überdenken müssen.

In den deutschen Städten gibt es auffällige neue Verkehrsteilnehmer: E-Tretroller. Lösen die Scooter Autos ab oder eher den öffentlichen Verkehr, das Zufußgehen und Radfahren?

Elektrische Tretroller sind im Moment mehr das Spielzeug von Touristen. Überall auf der Welt. Das ist auch gut so, weil ein weiteres Verkehrsmittel in der alltäglichen Erprobung ist, das offenkundig auch viel Spaß macht. Das war mit den Mieträdern ähnlich. Es macht die Stadt bunter und um eine Option, von A nach B zu kommen, reicher.

Es wird vermutlich so sein, dass nach einem Hype die Zahl der Fahrzeuge und auch der Anbieter wieder zurückgeht, dass aber elektrische Roller tatsächlich ein wichtiger Baustein für die berühmte letzte Meile bleiben werden, um zum Zug, zum Bus oder zur Tram zu kommen.

Ursula von der Leyen wird neue EU-Kommissionschefin. Vorher hat sie so einige Versprechungen zum Klimaschutz gemacht. Wie bewerten Sie ihre Wahl?

Halten wir doch mal fest: Die beiden "Spitzenkandidaten" konnten im Parlament keine Mehrheit organisieren und hatten das Thema Umwelt erst kurz vor Schluss unter dem Eindruck der Freitagsdemonstrationen präsent. Ursula von der Leyen hat sich zumindest weit vorgewagt. Ein klimaneutrales Europa als Ziel für 2050 hat die alte Kommission jedenfalls nicht hinbekommen. Mal abgesehen davon, dass dies zu spät ist, bleibt die Tatsache, dass ein erster Schritt gemacht ist.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Es ist eigentlich die Überraschung des Monats: Während der Bundesverkehrsminister in der Öffentlichkeit dem Fahrrad eine neue Zukunft prophezeit, klaut er gleichzeitig aus dem Bundesverkehrswegeplan dem Fahrrad die mit Mühe eingestellten knappen 30 Millionen Euro wieder weg.

Es gibt für den Radausbau vom Bund jedenfalls so gut wie nichts mehr. Gleichzeitig baut der Bund im Land Berlin eine Autobahn, die bis Ende des Jahres fast eine Milliarde Euro teuer sein wird. Mehr Absurdistan geht dieser Tage wirklich nicht.

Fragen: Susanne Schwarz

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