Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament
Ursula von der Leyen gestern im EU-Parlament. (Foto: Europäisches Parlament/​Flickr)

Obwohl die Grünen bei der gestrigen Abstimmung im Europaparlament nicht für Ursula von der Leyen gestimmt haben, gratulierten sie der neuen EU-Kommissionspräsidentin zum Wahlerfolg. "Die Grünen wurden für ihr Programm des Wandels gewählt. Wann immer die Kommissionspräsidentin dafür eine Verbündete sein will, bleibt unsere Tür offen", erklärten die Europäischen Grünen.

Es war von der Leyen nicht gelungen, mit ihren Versprechen für mehr Klimaschutz die Gunst der Grünen zu erlangen. Sie wurde trotzdem mit einer knappen Mehrheit gewählt.

In einem Dokument mit Wahlversprechen listet die CDU-Politikerin ihre politischen Ambitionen auf – darunter vieles zum Klimaschutz. Unter anderem verspricht sie ein europäisches Klimaschutzgesetz mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Außerdem will von der Leyen den europäischen Emissionshandel auf die Schifffahrt ausweiten und die kostenlosen Zertifikate für Fluglinien nach und nach reduzieren. In Zukunft sollen auch Verkehr und Gebäude unter den Emissionshandel fallen.

Außerdem will sie eine CO2-Steuer auf importierte Waren einführen, damit für alle Unternehmen die gleichen Bedingungen gelten. Weitere Punkte betreffen eine Kreislaufwirtschaft und eine Strategie für eine "Zukunft ohne Umweltverschmutzung".

"Von der Leyen hat einige willkommene Versprechen abgegeben, wie den 'European Green Deal', die CO2-Importsteuer und eine Zukunft ohne Verschmutzung", sagte Jeremy Wates, Leiter des Europäischen Umweltbüros EEB. Der Dachverband der europäischen Umweltorganisationen vermisst allerdings einen wichtigen Punkt in dem Positionspapier der künftigen EU-Kommissarin: eine umweltgerechte Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU.

"Es wird ein schwieriger Kampf für die neue Kommissionspräsidentin, die EU-Staaten von ihrer Vision zu überzeugen", sagte Céline Charveriat vom Institut für Europäische Umweltpolitik IEPP in Brüssel gegenüber Klimareporter°. Im Ministerrat gebe es keinen Konsens, welche Maßnahmen nötig seien, um die Ziele von 55 Prozent Reduktion bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.

"Innerhalb des Rates werden die Stimmen der mächtigsten Mitgliedsstaaten, vor allem Deutschland, bei Klimafragen entscheidend sein", so Charveriat. Von der Leyen müsse die Bundesregierung und die Industrie davon überzeugen, dass Deutschland wieder die Rolle eines Klimavorreiters einnehmen müsse, die in den vergangenen zwei Jahren verloren gegangen sei.

Beim Klimaziel fällt von der Leyen hinter das Parlament zurück

In der Kritik steht von der Leyen allerdings schon jetzt wegen eines Rückziehers bei den Klimazielen. Während sie in der vergangenen Woche angekündigt hatte, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 reduzieren zu wollen, ist in dem Papier nur noch von "mindestens 50 Prozent" die Rede. Bis zum Jahr 2021 will sie dann einen Plan vorlegen, wie das Klimaziel auf 55 Prozent angehoben werden kann.

"Von der Leyen fällt hinter die Forderungen des EU-Parlaments zurück, weil sie sich nicht unmissverständlich für das Ziel von 55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 ausspricht", kritisiert EEB-Chef Wates. Noch weiter bleibe sie hinter dem zurück, was Klimawissenschaftler für notwendig halten. "Sie hat es nicht geschafft, nachhaltige Entwicklung ins Zentrum der EU-Politik zu stellen", resümiert Wates.

Bisher will die EU die Treibhausgasemissionen lediglich um 40 Prozent vermindern. Das Ziel wurde noch vor dem Pariser Klimaabkommen von 2015 beschlossen und seitdem nicht angepasst.

Im vergangenen Jahr hatte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete einen Vorstoß unternommen, das Ziel auf 45 Prozent zu erhöhen. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich für das 45-Prozent-Ziel ausgesprochen. Allerdings machte Arias Cañete kurz vor dem entscheidenden Treffen der EU-Umweltminister einen Rückzieher und legte den Vorschlag nicht zum Beschluss vor.

In diesem Fall ist das EU-Parlament der künftigen Kommissionspräsidentin bereits voraus: Es hat sich bereits im vergangenen Jahr in einer Abstimmung vor der Klimakonferenz in Katowice mehrheitlich für eine Erhöhung des Ziels auf 55 Prozent ausgesprochen.

Der Beitrag wurde um 18 Uhr ergänzt (Stellungnahme von Céline Charveriat).

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