Andreas Knie. (Foto: InnoZ)

Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, das Unternehmen Sono Motors will ein E-Auto bauen, dass zu 90 Prozent ausgelastet ist und nicht wie herkömmliche Autos zu 90 Prozent rumsteht. Wie kann das klappen?

Andreas Knie: Dass wir uns eine Autonutzung erlauben, die skandalös ist, ist schon fast ein alter Hut. Der aktuelle Besetzungsgrad ist 1,05 Personen sowie eine Betriebszeit von 8,8 Prozent pro Fahrzeug. Fahrzeuge werden als Mobilitätsversicherung einfach nur bevorratet.

Das können wir anders: Nutzen statt Besitzen! Mit den digitalen Plattformen würde das prima klappen. Für Städte ließe sich der Fahrzeugbestand beim Verzicht auf das Privateigentum um zwei Drittel reduzieren. Wir hätten gigantisch viel Platz und das ohne Einschränkung der Beweglichkeit.

Investoren scheinen sich viel von dem künftigen Flugtaxi-Business zu versprechen. Ingolstadt will gar Modellregion für Lufttaxis werden. Lösen die fliegenden Taxis unsere Verkehrsprobleme?

Lufttaxis sind als Massenverkehr Quatsch! Helikopterverkehr war schon in den 1950er Jahren das große Thema und konnte die Probleme nicht lösen. São Paulo und New York City haben den Flugverkehr mit Helikoptern schon von Jahren drastisch eingeschränkt, weil es kaum nennenswertes Transportvolumen gibt, dafür aber ein hohes Sicherheitsrisiko entsteht.

Die neue Drohnengeneration ändert hieran nichts. Wer in die Luft will, der signalisiert, dass er die Probleme am Boden nicht lösen kann. 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim Petersberger Klimadialog den Verkehrssektor als klimapolitisches "Sorgenkind" bezeichnet. Umweltverbände und Opposition bescheinigten der Kanzlerin prompt Tatenlosigkeit. Ist das gerechtfertigt? Wie kann die Kanzlerin das Sorgenkind auf die richtige Bahn bringen?

Der Verkehrssektor ist in der Tat das Sorgenkind. Mehr als 47 Millionen Kraftfahrzeuge sind zugelassen, der Anteil der Erneuerbaren an den Kraftstoffen geht zurück und liegt unter fünf Prozent. Die Zahl der batterieelektrischen Fahrzeuge liegt bei unter 150.000 Zulassungen.

Aber die Umstellung der Motoren würde alleine nicht reichen. Wir brauchen vernetzte Verkehrsmittel, die in Städten gemeinschaftlich geteilt werden. Die Zahl der Carsharing-Teilnehmer steigt zwar, aber die gesamten Verkehrsleistungen, die mit allen Sharingprodukten im Jahr 2017 erreicht wurden, liegen immer noch unter einem Prozent aller Personenkilometer. Der Anteil des konventionellen Kfz liegt dagegen bei 85 Prozent!

Wir sind von einer Verkehrswende noch weit entfernt. Ohne eine Veränderung der Regeln – etwa ein Zulassungsverbot für Verbrennerfahrzeuge oder flächendeckende Parkgebühren – wird eine Wende genauso wenig funktionieren wie ohne Änderung der finanziellen Anreize. Allein die Dieselsubventionen und das Dienstwagenprivileg kosten die Steuerzahler jedes Jahr mehr als elf Milliarden Euro. Wir brauchen also tatsächlich auch eine Politikwende. Ohne die wird es nicht gehen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Audi-Chef Rupert Stadler im Knast! Hätte man das für möglich gehalten? Die Autoindustrie ist beim bandenmäßigen Betrug ertappt und bei der Verdunklung der Tat erwischt worden. Wie viel kriminelle Energie ist da wohl vorhanden, die wir noch gar nicht kennen?

Fragen: Sandra Kirchner

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