Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.
Klimareporter°: Herr Knie, die Bundeskanzlerin hat in ihrer Neujahrsansprache den Klimawandel als Schicksalsfrage bezeichnet. Rechnen Sie damit, dass die Klimakrise 2019 in der Politik einen deutlich höheren Stellenwert einnimmt?
Andreas Knie: Dass da was dran sein muss an dem Klimawandel, das wird langsam Alltagserfahrung. Die Messreihen repräsentieren zwar nur eine verhältnismäßig kurze Periode in der Menschheitsgeschichte und Ursachen und Wirkungen sind immer noch nicht ganz klar, dennoch wird einer immer größeren Zahl von Menschen bewusst, dass wir den Planeten nicht einfach wie bisher plündern können, als ob es kein Morgen gibt.
Aber für das jetzt notwendige nachhaltige Wirtschaften haben wir noch keinen wirklichen Plan, insofern wird der Klimawandel tatsächlich zur Schicksalsfrage.
Laut einer aktuellen Umfrage kann sich fast jeder Zweite hierzulande vorstellen, aus Gründen des Umweltschutzes auf das Flugzeug zu verzichten. Erleben wir hier den Anfang eines Imagewandels?
Fliegen ist wunderschön und soll tatsächlich eine exklusive Erfahrung bleiben. Völkerverständigung ist mehr denn je wichtig und dass Menschen andere Menschen, andere Kulturen kennenlernen, kann man gar nicht hoch genug schätzen.
Dass man nicht einfach quer durch Europa für 30 Euro jetten kann, wird aber auch langsam immer mehr Leuten klar. Jetzt braucht es die notwendige Regulierung. Warum nicht einfach keine Inlandsflüge mehr genehmigen? Es gibt Alternativen und die Einschränkungen sind überschaubar.
Warum die Zahl der internationalen Flüge nicht auf drei Flugpaare pro Kopf begrenzen? Wer mehr fliegen will oder muss, der ist darauf angewiesen, dass Menschen ihre Flüge sozusagen abtreten. Vorstellbar ist, dass dies dann auch einen Preis hat. Flugverzicht zahlt sich dann also aus.
Wer trotz allem den Flieger nehmen muss, sollte zumindest, sofern er es sich leisten kann, die entstehenden CO2-Emissionen bei einem Anbieter seines Vertrauens kompensieren lassen. Für wie sinnvoll halten Sie diesen Rat?
Es ist wie beim Ablasshandel. Kompensation ist zwar gut gemeint, beruhigt aber nur das Gewissen, das in diesem Fall nicht beruhigt werden sollte.
Am besten ist, man nimmt – siehe oben – eine Mengenbegrenzung vor, und wer mehr fliegen will, muss Menschen finden, die weniger fliegen, und er muss diesen Menschen dafür Geld geben. Je mehr man fliegt, umso mehr müssen solche Optionen gekauft werden. Das wäre eine marktwirtschaftlich angemessenere Lösung, um die Zahl der Flugbewegungen einzudämmen.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Dass ausgerechnet das Verkehrsministerium eine Bahnreform 2.0 verlangt. Das Haus hat bislang alles getan, damit es keine Reform bei der Bahn gibt. Umso besser jetzt! Denn nun kann es losgehen: Wir brauchen eine "Nationale Kommission Bahn", die die Bedeutung der Schiene wieder stark macht.
Die Bahn als fraktales Gebilde muss wieder zu einem Guss vereint werden. In der jetzigen Struktur schafft die Bahn keinen Neustart. Immer weitere Teile der Wertschöpfungskette auseinanderzureißen und wettbewerblich auszuschreiben bringt nur einen ruinösen Preiskampf und ist nicht mehr und nicht weniger als Lohndumping.
Für die Kunden muss das System als Ganzes in der Verantwortung stehen. Ein Zurück zur alten Behördenbahn darf es aber nicht geben. Ziel muss sein: Unternehmen können die Bahn chartern und eigene Leistungspakete definieren und für Kunden anbieten. Wehe, wenn dann die Leistung nicht stimmt. Wir kennen das vom Mobilfunkmarkt, wo es auch starke Unternehmen ohne eigene Netze gibt.
Fragen: Jörg Staude