Große Lkw und einige Pkw fahren auf einer sechsspurigen Autobahn, aufgenommen wohl von einer Brücke.
Auch der Umstieg auf Erdgas-Antrieb wird an den vollen Autobahnen wohl nicht viel ändern. (Foto: Sabine Schwarze/​Pixabay)

Wer zu spät kommt, den bestraft der Gesetzgeber. Am Donnerstagabend änderte der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD das Bundesfernstraßengesetz und befreite unter anderem die Lkw, die mit verflüssigtem Erdgas (Liquified Natural Gas – LNG) oder mit normalem Erdgas (Compressed Natural Gas – CNG) fahren, für weitere drei Jahre von der Bezahlung der Lkw‑Maut.

In der spätabendlichen Debatte kritisierte der Grüne Matthias Gastel die Verlängerung scharf. Man wisse, dass Erdgas in der Verbrennung nur geringfügig klimafreundlicher sei als Diesel, sagte Gastel.

Dabei sei nicht nur der Kraftstoff allein zu berücksichtigen. Beim Herstellen und Betanken entweiche Methan, ein viel klimaschädlicheres Gas als CO2. "Deswegen ist die Gesamtklimabilanz dieses Kraftstoffs kaum besser als die von Diesel", so Gastel.

Erst einen Tag vor dem Bundestagsbeschluss war das Umweltbundesamt (UBA) den Kritikern der Erdgas-Lkw zur Seite gesprungen. Die Behörde veröffentlichte eine Studie zur Klimawirkung speziell der Lkw, die verflüssigtes Erdgas (LNG) tanken.

Entweichendes Methan verschlechtert Klimabilanz

Beim Vergleich von LNG- und Diesel-Lkw hätten sich die beauftragten Experten vom Öko-Institut und dem International Council on Clean Transportation (ICCT) nicht auf die Kohlendioxid-Emissionen am Auspuff beschränkt, teilte das UBA mit. Berücksichtigt worden seien auch die Kraftstoffbereitstellung – also Gewinnung, Transport, Lagerung und Tanken – sowie der stärkere Klimaeffekt von Methan und Lachgas.

Im Ergebnis liegen die Emissionen der LNG-Lkw zwischen 969 und 1.051 Gramm CO2 pro Kilometer. Ein Diesel-Lkw verursacht dabei nach den Angaben mit 1.056 Gramm pro Kilometer nur geringfügig höhere Emissionen.

Grund für die schlechte Erdgas-Bilanz ist laut der Studie, dass bei der Verwendung von LNG sowohl am Fahrzeug als auch während der Kraftstoffbereitstellung "an diversen Stellen kleinere Mengen Methan entweichen". Diese würden in der Summe den Klimavorteil von LNG deutlich schwächen.

Nur LNG-Lkw, die nach dem Diesel-Prinzip der Selbstzündung arbeiten, liegen laut der Studie in der Klimabilanz um etwa acht Prozent unter den herkömmlichen Diesel-Lkw. Aus Sicht der Autoren ist das zu wenig, damit Deutschland seine Klimaziele im Verkehr erreicht. Eine Mautbefreiung der Erdgas-Lkw mit dem Argument des Klimaschutzes sei damit kaum zu rechtfertigen.

Grüner kritisiert Dreifachförderung der Erdgas-Lkw

Zusätzlich trage der Bund bei in Deutschland ansässigen Güterverkehrsunternehmen auch rund 40 Prozent der Investitionsmehrkosten bei den Gas-Lkw, konkret 8.000 Euro pro CNG- und 12.000 Euro pro LNG-Lkw. Die Auftragnehmer der Studie kommen am Ende zur Einschätzung, dass staatliche Subventionen für LNG-Lkw nicht fortgesetzt werden sollten. Stattdessen sollte die Mautbefreiung auslaufen.

Das UBA empfiehlt seinerseits, wenigstens die Mautbefreiung für LNG-Lkw nicht zu verlängern. Aus Klimaschutzgründen sei diese "kaum zu rechtfertigen". Auch der Grüne Gastel kritisierte die faktische Dreifachförderung von Erdgas-Lkw: durch Mautbefreiung, Anschaffungsförderung und dazu noch eine Begünstigung bei der Energiesteuer.

Mathias Stein von der SPD räumte in der Bundestagsdebatte zwar ein, dass Erdgas-Lkw "weit davon entfernt" seien, klimaneutral zu sein. Sie seien aber mit bis zu 30 Prozent weniger CO2-Ausstoß derzeit die "umweltfreundlichste Alternative" im Güterfernverkehr, argumentierte er. Beim Einsatz von Biomethan könne es noch deutlich mehr CO2-Einsparung geben.

Nach Angaben von Alois Rainer (CSU) waren Anfang Februar 2.866 Erdgas-Lkw als mautbefreit registriert. Mit der Verlängerung unterstütze man nun den Markthochlauf der klimafreundlicheren Lkw weiter, so der Unionspolitiker in seiner Rede. Damit diese Zahl weiter steigen könne, brauche es einen entsprechenden Investitionsanreiz.

Gegen den Einsatz von Biomethan wendet wiederum das Umweltbundesamt ein, dass dieses nur begrenzt verfügbar sei. Die Herstellung von synthetischem "grünem" Methan mit erneuerbarem Strom – einer weiteren Treibstoff-Alternative – verbrauche sehr viel Energie.

Für einen effektiven Klimaschutz im Straßengüterverkehr solle eine CO2-Komponente in die Lkw-Maut eingeführt werden, so das UBA. Aus Sicht der Behörde sollten nur Lkw, die batterieelektrisch oder über Oberleitungen angetrieben werden, auch zukünftig von der Maut ausgenommen bleiben. Sie böten eine echte klimaschonende Alternative zum Diesel-Lkw.

Erdgaslobby kritisiert Annahmen der UBA-Studie

Generelle Kritik an der UBA-Veröffentlichung übt die Brancheninitiative Zukunft Erdgas. Bei der Studie handle es sich nur um eine Metaanalyse, die ihre Empfehlungen auf andere, teils überholte Studien stütze, teilt sie auf Nachfrage mit.

Zudem seien hauptsächlich Daten verwendet worden, die die Argumentation der Autoren untermauern. Neuere Studien, die den Emissionsvorteil von LNG auf Basis realer Messungen klar belegten, so die Lobbyorganisation, seien zwar zitiert, aber in der Analyse nicht berücksichtigt worden.

Überrascht zeigt sich die Erdgas-Initiative angesichts der in der UBA-Studie angenommenen Werte zu den Methanemissionen in der Erdgasförderung. Hier seien, so der nächste Vorwurf, Werte aus US-Studien übernommen worden, die sich auf Fracking-Gas beziehen, obwohl dieses Gas in Deutschland quasi nicht zum Einsatz komme.

Ein weiterer Kritikpunkt: Laut der UBA-Studie werde vor der Betankung der LNG-Lkw das sogenannte "Boil-off-Gas" aus dem Kraftstoffbehälter in die Atmosphäre abgelassen. Alle LNG-Tankstellen in Europa seien aber so konstruiert, dass das Boil-off-Gas in den Speicher der Tankstelle zurückgeführt werde, gibt die Brancheninitiative an.

Sie beziffert die durch LNG-Lkw mögliche CO2-Einsparung gegenüber Diesel-Lkw auf durchschnittlich rund 15 Prozent, selbst wenn die vorgelagerten Prozesse einbezogen werden.

Ob diese 15 Prozent ausreichen, um das Klimaziel in dem Sektor zu erreichen, kann mit Recht bezweifelt werden, zumal der Güterverkehr auf der Straße offenbar weiter zunehmen soll.

Mit dem Bundestagsbeschluss dürfte jedenfalls die Verlängerung der Mautbefreiung unter Dach und Fach sein. Der Bundesrat muss zwar noch zustimmen, die Gesetzesänderung ist hier aber nicht zustimmungsbedürftig.

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