In der Klemme steckt Lukas Hammer, 41-jähriger Abgeordneter der Grünen im österreichischen Parlament. Hammer ist auch Mitglied bei den Parliamentarians for a Fossil-Free Future – und nicht nur das: Er hat als einer von weltweit 130 Abgeordneten einen offenen Brief unterschrieben, der einen Ausbaustopp für die Flüssigerdgas-Infrastruktur fordert, und zwar sofort und weltweit. Beendet werden sollen auch Genehmigung und öffentliche Finanzierung der LNG-Projekte.
Hammer befindet sich in guter Gesellschaft. Unter den 130 sind Prominente wie US-Senator Bernie Sanders oder die frühere Klimaaktivistin Carola Rackete. Neben 15 EU-Abgeordneten aus acht Ländern haben auch Parlamentarier aus LNG-Import- und -Exportnationen unterschrieben, darunter Australien, Deutschland, Großbritannien, Mexiko, Philippinen und USA.
Die LNG-Stopp-Initiative hatten einige der Fossil-Free-Parlamentarier letztes Jahr auf dem Klimagipfel in Dubai und mit 25 Unterschriften gestartet. Der Zuwachs bei der LNG-Opposition ist sehenswert, zumindest in den eigenen Reihen.
Hammer war bis 2019, als er Abgeordneter wurde, bei Greenpeace Österreich aktiv, zuletzt als umweltpolitischer Sprecher. Da verwundert nicht, dass er von fossilem Erdgas im Allgemeinen und LNG im Speziellen nichts hält. "Wir können und dürfen nicht in neue LNG-Kapazitäten investieren. In vielen Fällen gibt es bereits Überkapazitäten", sagte der Grünen-Politiker auf einer Veranstaltung der Anti-Fossil-Parlamentarier beim Weltklimagipfel in Baku.
Allerdings muss der Grüne in der nächsten Zeit relativ ohnmächtig dabei zusehen, wie sein Heimatland mehr und mehr LNG importiert. Der Grund: Vor Wochenfrist stellte Gazprom seine Lieferungen nach Österreich ein. Der russische Gasriese war verärgert über einen Schiedsspruch. Dieser hatte dem österreichischen Energiekonzern OMV 230 Millionen Euro Schadenersatz zugesprochen.
Mit dem Lieferstopp verliert Österreich von heute auf morgen 80 Prozent seines Gasimports. Für den kommenden Winter droht aber kein Gasmangel, beruhigt die Regierung in Wien. Die Speicher seien so gut gefüllt, dass sie für ein ganzes Jahr reichen.
Klimagipfel gegen fossile Energien
Statt von Gazprom will OMV jetzt Erdgas aus Norwegen beziehen und sich auch von den globalen Gasmärkten versorgen, besonders aus südlichen Lieferländern.
Dies wird auch LNG-Importe einschließen. Viel besser als russisches Gas findet Hammer das LNG aus dem Süden aber auch nicht, sagte der Grüne bei dem Termin in Baku. Auch in südlichen Lieferländern würden Menschenrechte verletzt und Umweltregeln nicht genügend beachtet. Doch Verzichten geht auch nicht – aus der Klemme gibt es derzeit kein Rauskommen.
Deutschsprachige Abgeordnete
Den offenen Brief unterstützen auch 18 deutschsprachige Abgeordnete aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die bis auf drei alle den Grünen angehören: Rasmus Andresen, Michael Bloss, Linda Heitmann, Lukas Hammer, Kathrin Henneberger, Bernhard Herrmann, Katrin Langensiepen, Erik von Malottki (SPD), Zoe Mayer, Swantje Michaelsen, Boris Mijatović, Jutta Paulus, Carola Rackete (Linke), Lena Schilling, Priska Seiler Graf (SP), Christina-Johanne Schröder, Kassem Tahersaleh, Thomas Waitz.
Beim Thema LNG sind die fossilkritischen Parlamentarier eigentlich unerbittlich. In ihrem Schreiben fordern sie sofortige und entschiedene Maßnahmen gegen den Ausbau von Flüssigerdgas-Infrastruktur auf der ganzen Welt.
Dabei berufen sie sich auf diverse Verpflichtungen, die die Staaten bei Klimagipfeln eingingen. So unterschrieben 2021 nahezu 40 Länder und Finanzinstitutionen das sogenannte Glasgow Statement. Damit verpflichteten sie sich eigentlich, bis 2022 die Finanzierung internationaler fossiler Projekte einzustellen.
2023 einigten sich die Länder beim Klimagipfel in Dubai auf eine Abkehr von fossilen Energie-Brennstoffen.
Auch die deutsche Mitinitiatorin der Anti-LNG-Aktion, Lisa Badum, erinnerte auf der Veranstaltung daran, dass in Dubai ein "Übergang weg von fossilen Energien" beschlossen wurde. Was das konkret heißen soll, darüber zerbrechen Klima-Exegeten sich schon länger die Köpfe.
Badum, Bundestagsabgeordnete der Grünen, muss da nicht lange überlegen. "Weg von fossilen Energien" heißt für sie nicht nur für eine Abkehr von Kohle und Öl, sondern auch von fossilem Gas. "Eine große, große Gaslobby versucht derzeit, Gas als grüne, erneuerbare und saubere Energie zu verkaufen. Das ist nicht wahr", stellte Badum in Baku klar.
Allgegenwärtiges Narrativ vom "sauberen" Erdgas
Das Narrativ vom "sauberen Gas" ist auf dem Klimagipfel in der aserbaidschanischen Hauptstadt nahezu allgegenwärtig. Das liegt nicht nur an den zahlreichen Branchen-Lobbyisten.
Auch republikanische US-Senatoren weisen in Baku darauf hin, dass die Energiebasis in anderen Ländern viel schmutziger sei – verglichen mit dem LNG aus ihrem Land. Dass dieses Gas inzwischen größtenteils per Fracking gewonnen wird, stört da ganz und gar nicht. Und wenn Europa es nicht wolle, liefere man es eben ans gashungrige Asien.
Außer mit der Gaslobby bekommen es die parlamentarischen LNG-Kritiker demnächst noch mit einem weiteren Gegner zu tun: Donald Trump.
Was die Klimawelt von dem erratischen US-Präsidenten zu erwarten hat, der Frage ging in Baku auf einer Pressekonferenz auch der demokratische US-Senator Edward Markey nach, ebenfalls ein Mitinitiator der LNG-Stopp-Aktion.
Markey zufolge streben die USA an, ihre Gasexporte in den nächsten fünf Jahren zu verdoppeln. Dies werde die Gaspreise auch für die Haushalte im Land verteuern, weil diese de facto mit finanzkräftigen Abnehmern in Asien konkurrierten, ist sich der Senator sicher.
Dieser Mechanismus ist für Markey schon seit 2021 zu beobachten, seit die USA ihr LNG zu exportieren begannen. Seit die Ausfuhren durch die Decke gegangen sind, hätten die US-Haushalte 111 Milliarden Dollar mehr fürs Gas bezahlt, gab der Senator an. Je mehr exportiert werde, desto teurer werde es im Inland.
Was die kommenden Jahre mit dem Präsidenten Trump betrifft, bemühte sich Markey um Zuversicht. Er setzt wie andere auf das Beharrungsvermögen einzelner US-Bundesstaaten. Kalifornien sei die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, die Stadt New York die zehntgrößte. Sie könnten in die Lücke springen, die Trump aufreißen wird, meinte der Senator.
COP 29 in Baku
Bei der 29. UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan geht es um ein neues Ziel für die internationale Klimafinanzierung. Klimareporter° ist mit einem Team vor Ort und berichtet täglich.Wie andere baut Markey darauf, dass auch ein Trump das Wachstum der Erneuerbaren höchstens bremsen, aber nicht mehr stoppen kann. "Trump kann die Vereinigten Staaten aus dem Paris-Abkommen herausnehmen, aber er kann die Vereinigten Staaten nicht aus einer Revolution herausnehmen, die in den Vereinigten Staaten stattfindet", sagte Markey mit Überzeugung.
Wind- und Solarenergie, Batterien und Speichertechniken hätten inzwischen 400.000 neue und wirklich "saubere" Jobs in den USA geschaffen, zählte der demokratische Senator zusammen. Und das Geld aus dem Inflation Reduction Act fließe bekanntlich auch in sogenannte Red States, in denen die Republikaner das Sagen haben.