Vertreter:innen deutscher und senegalesischer Klimaschutzgruppen stehen auf dem Podium und halten die Gründungsurkunde einer neugegründeten Klima-Allianz hoch.
Mitglieder der "Senegal-Germany Alliance for Climate Justice" zeigen in Sharm el-Sheikh ihren Gründungsbeschluss. (Foto: David Zauner)

Alles, was gegen das Gasprojekt vor der Küste Senegals spricht, legen Aktivist:innen kurz vor Ende des Klimagipfels noch mal auf den Tisch. "Ja, wir brauchen die Unterstützung und Hilfe von Deutschland, aber wir brauchen kein Gift. Wir brauchen keine Technologie, die unsere Zukunft zerstört", sagt Yero Sarr von Fridays for Future Senegal bei einer Pressekonferenz am Freitag in Sharm el-Sheikh. Es gibt Applaus von den Zuschauerplätzen.

Sarr warnt vor den Folgen für die Küstenbewohner:innen. Beinahe jede Familie in den Küstenstädten und -dörfern sei auf den Fischfang angewiesen. Durch die Erwärmung der Meere gehen die Fischbestände Jahr für Jahr zurück. Durch die Gasförderung befürchten die Fischer:innen noch stärkere Einbußen.

Schon heute sind aufgrund der Bohrungen einige Meeresregionen für die Fischerei komplett gesperrt. Die Redner:innen wollen sich dafür einsetzen, dass die Stimmen der Menschen vor Ort auf dem Klimagipfel gehört werden.

Vor der Küste liegen obendrein ein Meeresschildkröten-Schutzgebiet und das größte Kaltwasserkorallenriff der Welt. Umweltschützer:innen warnen, dass die geplante Erdgas-Infrastruktur – Bohrplattform, Pipelines, Terminals, Wellenbrecher – die Ökosysteme beschädigt.

Die Allianz aus senegalesischen und deutschen Klimagruppen fordert eine Energiewende-Partnerschaft statt eines gemeinsamen Gasprojekts. "Senegal hat ein riesiges Potenzial für erneuerbare Energien", argumentiert Sarr.

Da den Redner:innen wohl bewusst ist, dass sich die Regierungen der beiden Länder mit ein paar guten Argumenten nicht umstimmen lassen werden, betonen sie, dass das erst der Anfang sei. Luisa Neubauer von Fridays for Future Deutschland sagt mit entschiedener Stimme: "Mit dieser Allianz beginnen wir den Kampf gegen das Projekt."

Die Wut über Europas plötzliches Interesse an Afrika ist verständlich. Gewöhnlich sind die Industrienationen eher zurückhaltend. Ganz besonders zurückhaltend sind sie, wenn es um finanzielle Unterstützung in der Klimakrise geht. So hatten die Industrienationen den Entwicklungsländern 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020 für Klimaschutz und -anpassung versprochen. Bis heute halten sie sich nicht daran.

Wenn es allerdings um die Ausbeutung von Gasvorkommen geht, zeigen sich die Industrieländer, allen voran Deutschland, auf einmal spendabel. Dabei handelt es sich nicht um Unterstützung, sondern um eine Investition. Eine Investition in die eigene Energiesicherheit.

"Jedes neue Gasprojekt führt vom 1,5-Grad-Ziel weg"

Die senegalesische und die deutsche Regierung wollen das Projekt als Win-win verkaufen. Deutschland braucht Gas, Senegal will die Industrialisierung des Landes voranbringen. Und da das westafrikanische Land die Gasförderung nicht allein finanzieren kann, warum kein gemeinsames Projekt daraus machen?

Neubauer erklärt, warum nicht: "Jedes neue Gasprojekt macht es wahrscheinlicher, dass wir das 1,5-Grad-Ziel verfehlen." In den Gasfeldern vor den Küsten Senegals und Mauretaniens liegen laut Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe 425 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Das sei genug, um die Gasförderung 30 bis 50 Jahre zu gewährleisten.

Und wenn Deutschland, wie Bundeskanzler Scholz das Projekt nicht müde wird zu rechtfertigen, das Gas nur einige Jahre als Übergangsenergie nutzen möchte, bleibt Senegal auf der milliardenschweren Gasinfrastruktur sitzen.

Damit widerspricht diese Investition einem Beschluss, der auf dem Klimagipfel letztes Jahr in Glasgow gefasst wurde. Darin verpflichteten sich die Staaten, nicht mehr in fossile Projekte zu investieren. Diesen Beschluss haben die G7-Länder angesichts der Energiekrise durch den Ukrainekrieg allerdings aufgeweicht. Investitionen seien erlaubt, wenn damit das 1,5-Grad-Ziel nicht gefährdet und keine Lock-ins, also langfristige Abhängigkeiten, entstehen würden. Doch gerade das ist in Senegal nicht gewährleistet.

Unklar ist außerdem, inwiefern das Erdgas aus Senegal die deutsche Energielücke im kommenden Winter schließen soll. Der Hauptinvestor und Betreiber, das britische Mineralölunternehmen BP, geht davon aus, dass erst im Dezember 2023 das erste senegalesische Flüssigerdgas aus den Terminals fließt. Und dann auch erst mal nur 2,5 Millionen Tonnen im Jahr. Damit lassen sich nicht mal vier Prozent des deutschen Gasbedarfs decken.

Wie die neue Allianz weiter gegen das Projekt vorgehen wird, ließen die Redner:innen offen. Aber an Deutlichkeit fehlte es den Vorträgen nicht. Als letzter Redner ergreift ein Sprecher der NGO Power Shift Africa das Wort: "Deutschland hat gesagt, Senegal muss nur Nein sagen, zu dem Projekt. Dann hört uns zu. Hier und heute sagen wir Nein."