Blick auf deutsche Autobahn ohne Tempolimit
Schnell, schnell, schnell: Gefährdet ein Tempolimit auf der Autobahn tatsächlich den Wohlstand Deutschlands? (Foto: Michael Knoll/​Pixabay)

Wer letzte Woche aus einem 20-jährigen Koma erwacht ist, wird mit Blick auf den erneuten Tempolimit-Streit nicht sofort merken, dass wir im Jahr 2019 sind.

Alles scheint wie gehabt. Bringt nix, sagen die Gegner: nicht weniger Tote, nicht weniger Stau, weder Klimaschutz noch entspannteres Fahren.

Andere geben gar unumwunden zu, dass ein paar hundert Tote im Jahr eben der Preis des Rasens und der Freiheit seien. So weit, so bekannt.

Neu ist die plötzliche Verzweiflung, die herauszuhören ist: "Auf der Mittelspur herumkriechen ist auch eine Zumutung mit Gefahrenpotenzial", schreibt ein FAZ-Redakteur.

"Ob ich mit Tempo 100 oder 160 vor den Baum fahre – ich bin in beiden Fällen tot", erklärt ein Verkehrsforscher.

"Forderungen, die unseren Wohlstand gefährden, lehne ich ab", meint der Bundesverkehrsminister.

Die Botschaften werden schlichter, und das ist ein sehr gutes Zeichen: Die Leute sind verzweifelt, weil sie merken, der Mainstream – siehe Meinungsumfragen – kippt.

Das Bild, das Bild immer noch zeichnet, wonach Autodeutschland geeint auf Bleifuß steht, ist längst Geschichte. Wie beim Dieselstreit handelt es sich um verzweifelte Rückzugsgefechte.

Beim anstehenden Umstieg auf erneuerbaren, effizienten, elektrischen Autoverkehr machen 180 Stundenkilometer sowieso keinen Sinn, da muss man nicht mal die Verkehrstoten bemühen. Wer das Pariser Klimaabkommen ernst meint, kommt daran nicht vorbei. Wem Klimaschutz egal ist, der soll es offen sagen.

Der Dozent und Kolumnist Martin Unfried.

Zur Person

Martin Unfried arbeitet an der Universität Maastricht am Institut für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Mobilität ITEM. (Foto: Molgreen/​Wikimedia Commons)

Deshalb ist auch es auch müßig, den verbliebenen Gegnern mit rationalen Argumenten zu kommen. Ihr absurdestes Argument, die Forderung nach einem Tempolimit sei doch "ideologiegesteuert", schlägt im Moment gnadenlos zurück.

Und deshalb geht es mehr denn je darum, den bisher so ängstlichen Entscheidungsträgern in der Politik deutlich zu machen, dass die Mehrheiten nicht das Problem sind. Ja, die Gasfußlobby hat gute Lautsprecher, doch gehen ihnen die Argumente aus.

Hoffentlich müssen wir das Murmeltier nicht noch weitere 20 Jahre ertragen.

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