Autonome Kleinbusse vom französischen Hersteller Easysmile fahren seit 2017 für die DB-Tochter Ioki im bayerischen Kurort Bad Birnbach und wurden auch in Berlin getestet. (Bild: Richard Huber/​Wikimedia Commons)

Autonom fahrende Autos, Shuttles und Busse gelten als nötige Booster für den öffentlichen Nahverkehr. Um den ÖPNV als Kern der Verkehrswende attraktiver zu machen, muss das Angebot stark ausgeweitet werden – durch mehr Linien und dichtere Taktzeiten, durch zusätzliche Bedarfshaltepunkte, aber auch durch Shuttleverbindungen, die die "letzte Meile" bis zur Haustür übernehmen.

Dazu sollen selbstfahrende Vehikel der Schlüssel sein. In den nächsten Jahren wird in den beiden größten deutschen Städten Berlin und Hamburg ein breit angelegter Probebetrieb durchgeführt.

In Berlin ist jetzt das auf drei Jahre angelegte Projekt "Nowel 4" angekündigt worden. Im Nordwesten der Hauptstadt soll in einem 15 Quadratkilometer großen Gebiet erstmals ein vollautomatisierter und bedarfsgesteuerter ÖPNV in großem Maßstab erprobt werden, nachdem die ersten Testfahrten mit einem selbstfahrenden sechssitzigen "Peoplemover" bereits vor sechs Jahren starteten.

Nun sollen dort 13 kleinere autonome Shuttles sowie ein Zwölf-Meter-Elektrobus an den Start gehen. Das von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) koordinierte Projekt, das mehr als 18 Millionen Euro kosten soll, wird vom Bundesverkehrsministerium mit 9,5 Millionen Euro gefördert.

Fahren sollen die autonomen Kleinbusse in Berlin in dem städtebaulichen Entwicklungsgebiet zwischen dem ehemaligen Flughafen Tegel, der Siemensstadt und zwei früheren Industriearealen. Dessen zukünftige Bewohnerinnen und Bewohner sollen ein maßgeschneidertes, klimafreundliches Verkehrsangebot erhalten.

"Das Projekt wird dafür ein wichtiger Baustein sein – und dazu beitragen, dass mehr Menschen auf ein privates Auto verzichten", sagte Ingenieur Wulf-Holger Arndt von der TU Berlin, die Nowel 4 begleitet.

Aus dem auf zwei Jahre angelegten Probebetrieb soll dann ein Konzept für den Regelbetrieb entwickelt werden. Läuft alles nach Plan, will die BVG weitere Fahrzeuge auf verschiedenen Linien im Stadtgebiet einsetzten.

10.000 autonome Kleinbusse für Hamburg

In Hamburg sind die Visionen noch ehrgeiziger. Hier sollen im Laufe des Jahrzehnts bis zu 10.000 autonom fahrende Kleinbusse das klassische ÖPNV-Netz ergänzen. Die Stadt war Anfang letzten Jahres von ihrer Verkehrsbehörde und vom Bundesverkehrsministerium zur deutschen Mobilitäts-Modellregion erklärt worden.

2024 beginnt in der Hamburger Innenstadt die Testphase mit fünf Fahrzeugen des Herstellers Holon, einer Tochter des Autozulieferers Benteler in Paderborn. Die elektrisch angetriebenen Fahrzeuge können bis zu 15 Fahrgäste mitnehmen und sollen "on demand", also auf Abruf, verkehren. Wer mitfahren will, kann einen Kleinbus per App bestellen und wird dann vor Ort abgeholt.

Nach Angaben von Holon fahren die Shuttles maximal Tempo 60, ihre Reichweite beträgt etwa 280 Kilometer. Langfristig soll das System auch für den ländlichen Raum adaptiert werden. Weltweit gebe es keine vergleichbar umfassenden Pläne, betonten Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) bei der Vorstellung des Projekts.

Mit Kamera, GPS und vielen Daten

Dass autonome Fahrzeuge auch im ÖPNV eingesetzt werden können, regelt das im Mai 2021 in Kraft getretene "Gesetz zum autonomen Fahren". Damit ist Fahren nach "Level 4" möglich gemacht worden, was bedeutet: Auf bestimmten freigegebenen Strecken müssen Fahrzeuge nicht mehr von einem Fahrer überwacht werden.

Die Vehikel sind dafür mit Kameras, Laser-Abstandsmesser (Lidar), GPS-Ortung und digitalen Karten zum aktuellen Straßenzustand ausgerüstet, was sichere Begegnungen im täglichen Verkehr garantieren soll. Fällt ein System aus oder steht das Fahrzeug vor einer ungewöhnlichen Situation, kann, so etwa die Pläne in Berlin, jederzeit die Leitzentrale eingreifen und Steuerbefehle auslösen.

Aktuell gibt es in Hamburg bereits zwei Anbieter, die mit elektrisch betriebenen Kleinbussen den bestehenden ÖPNV ergänzen, Moia und Ioki, allerdings werden hier die Fahrzeuge von Menschen bedient. Moia ist eine Tochter des Volkswagen-Konzerns, Ioki eine der Deutschen Bahn. Die VW-Tochter ist seit 2019 in Hamburg aktiv, bis 2025 soll der Betrieb auf 450 Fahrzeuge anwachsen.

Auch Moia will in die Erprobung autonom fahrender Kleinbusse einsteigen, und zwar mit einem Ableger des vollelektrischen VW-Bullis "ID Buzz", der entsprechend umgerüstet wird. Unter anderem aus Versicherungsgründen sollen vorerst hauptsächlich Moia-Mitarbeiter mit den fahrerlosen Fahrzeugen transportiert werden, der Zugang soll dann aber stetig erweitert werden.

Die Frage ist aber natürlich: Wird das fahrerlose Fahren auch akzeptiert? Das TU-Team konnte in Berlin dazu Erfahrungen unter anderem beim Vorläuferprojekt "Shuttles & Co" sammeln, bei dem kleine automatisierte Sechs-Sitzer-Minibusse im Stadtviertel Alt-Tegel unterwegs waren, und zwar noch mit Begleitperson, was dem Automatisierungslevel 3 entspricht.

Im Ergebnis geht TU-Forscher Arndt davon aus, dass "die Akzeptanz wesentlich geringer wäre, wenn größere Fahrzeuge eingesetzt würden und kein Begleitpersonal an Bord wäre". Wichtig sei es daher, das Sicherheitsgefühl der Mitfahrenden zu verbessern, etwa durch gute Kontaktmöglichkeiten zu Servicekräften in der BVG-Zentrale.

"Robo-Taxis und -Busse werden alles verändern"

In der Verkehrsforschung werden die neuen Pläne zum autonomen öffentlichen Fahren begrüßt. Schließlich sind bundesweit zwischen Keitum auf Sylt und Friedrichshafen am Bodensee in den letzten Jahren schon rund 60 Tests mit Shuttlebussen gelaufen, ohne dass ein Quantensprung erreicht wurde.

Senfgelber Kleinbus des Ridepooling-Unternehmens Moia in einer Hamburger Straße, im Hintergrund die Elbphilharmonie.
Die Sechssitzer von Moia in Hamburg werden noch von Menschen gesteuert. (Bild: Moia)

"Es ist gut, dass sich auf dem Sektor endlich etwas bewegt", sagt Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gegenüber Klimareporter°. Trotzdem findet der Mobilitätsforscher, die Automatisierung im ÖPNV werde hierzulande zu langsam vorangetrieben. "Die Branche ist zu zersplittert, um schnell skalierbare Lösungen zu erhalten."

In anderen Ländern gehe das viel schneller, etwa in den USA und China. "In San Francisco und Phoenix, in Peking und Shanghai fahren längst schon Limousinen in autonomer Fahrfunktion", berichtet Knie.

Und auch in Europa sind andere weiter. In Norwegen zum Beispiel fährt in der Hafenstadt Stavanger seit einem Jahr sogar ein großer 52-Sitzer-Bus des türkischen Herstellers Karsan im autonomen Linienbetrieb, zwar bisher nur über eine Fünf-Kilometer-Strecke, doch ohne Unfälle.

Im schwedischen Arlanda wird ein weiterer "E-Atak", wie der Bus heißt, auf den Betrieb vorbereitet. In Schottland wiederum läuft seit Mai der Testbetrieb mit fünf großen autonomen Bussen nahe Edinburgh. Die Route des Betreibers Stagecoach führt über 22,5 Kilometer und überquert auch die bekannte Brücke über den Firth of Forth.

 

Knie meint: "Die Frage ist nicht: Kommt das autonome Fahren in Deutschland? Sondern: Lassen wir uns von anderen Ländern endgültig abhängen oder nicht?" Der Verkehrsforscher ist trotzdem sicher: Die "Robo-Taxis und -Busse", die die Menschen von Tür zur Tür bringen, werden über kurz oder lang "alles verändern, was wir bisher über den öffentlichen Verkehr gewusst haben".

Redaktioneller Hinweis: Mobilitätsforscher Andreas Knie gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.