Porträtaufnahme von Andreas Knie.
Andreas Knie. (Foto: David Außerhofer)

Das Wichtigste aus 52 Wochen: Sonst befragen wir die Mitglieder unseres Herausgeberrats im Wechsel jeden Sonntag zu ihrer klimapolitischen Überraschung der Woche. Zum Jahresende wollten wir wissen: Was war Ihre Überraschung des Jahres? Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung.

Die Überraschung des Jahres war natürlich für viele die Übernahme des Verkehrsministeriums durch die FDP. Warum – fragen sich alle – haben die Grünen da nicht zugegriffen? Verkehr gehört doch zum Markenkern der Partei.

Doch bei Lichte beschaut, ist das Thema Mobilität und Verkehr gefühlt zwar in aller Munde, steht aber bei der Parteispitze nicht wirklich hoch im Kurs. Hier wird lieber über die globale Klimapolitik oder die gesellschaftliche Transformation gesprochen, was ja auch wichtig ist.

Verkehr ist sicherlich nicht alles, aber ohne Verkehr ist alles andere nichts. Wie eine Gesellschaft sich entwickelt, ob dies zum Wohle aller tatsächlich sozial gerecht oder nachhaltig geschieht, hängt in entscheidender Weise vom Verkehr ab.

Während die Wohnungsfrage das politische Themenfeld der 1920er Jahre war, entwickelten sich die verkehrlichen Infrastrukturen für eine moderne Gesellschaft in den 1950er und 1960er Jahren zu dem Themen- und Profilierungsfeld der Politik. Im Mittelpunkt stand überall das Auto.

Alle sollten sich Autos leisten und damit auch oft und weit fahren können. Die Politik für das Auto war in erster Linie ein sozial- und modernisierungspolitisch konsistentes Programm, bestehend aus Steuererleichterungen, Straßen mit eingebauter Vorfahrt und Parken für alle – und dies meist fast umsonst.

Das ganze Programm kommt jetzt an seine Grenzen, das wissen alle. Aber die Alternativen stehen noch nicht parat. Jedenfalls gilt das für Busse und Bahnen oder das Fahrrad.

Das haben die beiden Parteichefs der Grünen offenkundig auch gespürt. Vielleicht ist die Entscheidung, das Verkehrsministerium nicht zu übernehmen, am Ende doch noch schlau gewesen.

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