Anlage mit einigen Containern und einem Turm.
Zweiter Platz bei der "Besten CO2-Nutzung": Power-to-Gas mit biologischer Methanisierung, entwickelt von Electrochaea in Bayern. Im Bild die Pilotanlage bei Kopenhagen. (Foto: Electrochaea)

Kohlendioxid ist nützlich – was vor Jahren noch als Slogan von Klimaskeptikern galt, ist mittlerweile ein globales Geschäftsmodell – samt den üblichen Messen und Ehrungen. Für die Auszeichnung als "Beste CO2-Nutzung" hatten der Leverkusener Kunststoffhersteller Covestro und das Nova-Institut in Hürth in diesem Jahr zum Beispiel sechs Projekte nominiert.

Darunter waren bekannte Technologien wie synthetische Kraftstoffe aus CO2 und Luft oder der Einbau von CO2 in Chemikalien und Kunststoffe, aber auch eine Armbanduhr mit Ziffernblatt aus angeblich CO2-speicherndem Beton.

Sieger wurde jedoch ausgerechnet der "Air Vodka". Ein New Yorker Unternehmen preist die Spirituose als ersten CO2-negativen Alkohol der Welt an. Dieser Wodka wird nicht wie üblich aus Getreide gewonnen, sondern aus Kohlendioxid, Wasser und Ökostrom.

Solange der "Air Vodka" in der Flasche bleibt, ist das CO2 in dem Getränk gespeichert. Das Problem beginnt, wenn der Wodka getrunken wird, der Organismus den Alkohol über mehrere Stufen wieder in Wasser und Kohlendioxid umwandelt und beides irgendwann ausscheidet. Der "Air Vodka" ist damit von der CO2-Bilanz her höchstens ein Nullsummenspiel.

Das Problem, dass das Klimagas nicht lange eingeschlossen bleibt, besteht bei den meisten Arten von CO2-Nutzung. Die Klimawissenschaftlerin Sabine Fuss vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin sieht denn auch den Boom beim Nutzen von CO2 kritisch.

Zum einen sei das meist mit einem hohen Energieaufwand verbunden – und derzeit sei die Energieversorgung noch lange nicht CO2-frei. Zum anderen werde das CO2 meist recht schnell wieder freigesetzt, wie bei den synthetischen Brennstoffen.

Fuss und andere Klimaforscher raten deshalb in einer unlängst in der Zeitschrift Nature erschienenen Veröffentlichung davon ab, das Nutzen von CO2 politisch zu fördern. Stattdessen solle man sich auf die Vermeidung von CO2 konzentrieren. Oder auf die Speicherung.

CO2 lieber "sehr lange wegsperren"

Im Unterschied zur Nutzung kann die geologische Lagerung von CO2 – derzeit am besten unter der Abkürzung CCS als Verpressung in unterirdischen Speichern bekannt – nach Ansicht von Fuss das CO2 tatsächlich über sehr lange Zeit "wegsperren". "In der Geologie ist 'sehr lange' wirklich lange", sagt Fuss. "Natürliche Erdgasvorkommen zeigen, dass Gase für Millionen Jahre geologisch eingeschlossen werden können."

Am weitesten gediehen ist die Idee, CO2 in inzwischen leergeförderten Erdgasfeldern unter der Nordsee einzulagern. Technisch ist das schon erprobt: Die Norweger speichern seit fast 25 Jahren im Sleipner-Feld CO2 – momentan eine Million Tonnen pro Jahr. Mitte der 2020er Jahre wollen die Niederländer mit einem ähnlichen Projekt nachziehen.

Das ist die Lösung! Oder?

Die Welt weiß, wie man die CO2-Emissionen senken kann – sie muss es nur tun. Wir stellen in einer Serie verschiedene Lösungsansätze mit ihren Vor- und Nachteilen vor.

Klimareporter° beteiligt sich damit wie hunderte andere Zeitungen und (Online-)​Magazine weltweit an der Initiative "Covering Climate Now". Anlässlich des 50. Jubiläums des "Earth Day" am 22. April berichten die Kooperationsmedien eine Woche lang verstärkt über Lösungen für die Klimakrise.

Bislang gibt es allerdings nur wenige Berechnungen dazu, wie sich der Aufwand für solche Vorhaben zum Nutzen für das Klima verhält, wie Sabine Fuss sagt. "Generell kann davon ausgegangen werden, dass die eingelagerten Mengen an CO2 immer noch groß genug sind, um den Aufwand zu rechtfertigen."

Für die Wissenschaftlerin deuten die Szenarien für die fortschreitende Erderwärmung des Weltklimarats darauf hin, dass es "ohne substanzielle CO2-Entnahmen" nicht möglich sein wird, anspruchsvolle Klimaziele zu erreichen.

Zusammen mit ihren Mitautoren listet Fuss in der Nature-Publikation zehn Möglichkeiten auf, wie Kohlendioxid genutzt und der Atmosphäre entzogen werden könnte. Jede Methode für sich könnte dabei jährlich bis zu 500 Millionen Tonnen CO2 nutzen.

Allerdings kann man die jeweiligen Mengen der einzelnen Methoden nicht einfach addieren, weil die Nutzung der einen Technologie eine andere behindern oder sogar ausschließen kann. Wie groß das Potenzial eines globalen CO2-Entzugs also wirklich ist, ist deswegen recht spekulativ.

Derzeit werden rund 37 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr ausgestoßen. Mit dem Nutzen von CO2 lässt sich also das Klimaproblem nicht einmal ansatzweise lösen. Zudem befinden sich die meisten Technologien noch in der Testphase. Bis sie in großem Maße CO2 einsparen können, werden noch Jahre vergehen.

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