Müllverbrennungsanlage der Stadtwerke Neumünster in Schleswig-Holstein. (Bild: Wusel007/​Wikimedia Commons)

Ab in den Untergrund mit dem Treibhausgas CO2 statt in die Atmosphäre: Die sogenannte CCS-Technik wird hierzulande salonfähig. Neuerdings sind sogar die Grünen dafür, ein angekündigter Positionswechsel, im Entwurf für ihr Europawahl-Programm nachzulesen.

Auch die Ampel-Partei FDP ist ausdrücklich pro CCS, ebenso die oppositionelle Union, während die SPD skeptisch ist. Sie befürchtet, "blauer" Wasserstoff aus Erdgas könne damit anstelle von "grünem" Wasserstoff salonfähig werden.

Das Umweltbundesamt (UBA) spricht sich nun für eine Erprobung in der Abfallwirtschaft aus, warnt aber: "CCS ist kein Allheilmittel für den Klimaschutz."

CCS steht für Carbon Capture and Storage, zu Deutsch: CO2-Abscheidung und Speicherung. Einmal aus dem Abgasstrom etwa eines Zementwerks abgetrennt, wird das CO2 unter Druck verflüssigt und entweder in leere Gas- oder Erdöllagerstätten, in Salzwasser führende Gesteinsschichten oder in den Meeresuntergrund verpresst.

Dabei gibt es laut dem Umweltamt noch verschiedene Knackpunkte. Sowohl der Transport als auch die Lagerung müssten dauerhaft sicher und dicht sein, um ein Entweichen des für Mensch und Umwelt in hohen Konzentrationen schädlichen CO2 zu verhindern.

Werde das Gas etwa in den Meeresuntergrund verpresst, müsse die marine Umwelt zudem vor Versauerung geschützt werden. "Diesen Nachweis muss die Technik noch erbringen", schreibt das UBA in einem neuen Positionspapier.

"Am Ende einer langen Wertschöpfungskette"

Trotz der ungeklärten Fragen hält die Behörde, die dem Bundesumweltministerium untersteht, es für wichtig, die Technik zu erproben. Für einen Testbetrieb schlägt sie Müllverbrennungsanlagen vor. Fachleute sprechen von "Waste-CCS", kurz WACCS.

Das dort in den Öfen freigesetzte CO2 entsteht laut UBA "am Ende einer langen Wertschöpfungskette" und könne dann abgeschieden und gespeichert werden. Das Verfahren habe für die Umwelt zudem den Vorteil, dass bei der Müllverbrennung kaum zusätzliche fossile Energieträger eingesetzt werden und die entstehende Abwärme genutzt wird, etwa für Fernwärme.

Den Einsatz der Abscheide-Technik in anderen Industriezweigen wie der Energiewirtschaft oder der Zementindustrie sieht das UBA kritisch. "In der Energiewirtschaft würde der Einsatz von CCS fossile Techniken verfestigen und den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern", warnt die Behörde.

In der Bauindustrie – Stichwort CO2-reiche Zementproduktion – drohe es den Einsatz klimafreundlicherer Alternativen zu erschweren – etwa alternative Baustoffe wie das CO2 speichernde Holz oder andere Bindemittel.

UBA-Präsident Dirk Messner sagte: "Wenn wir es nicht schaffen, von den fossilen Energieträgern wegzukommen, wird uns CCS nichts nützen." In Deutschland gebe es für große CO2-Mengen zu wenige nutzbare unterirdische Speicher. "Nur bei wirklich unvermeidbaren CO2-Emissionen sollten wir CCS nutzen."

 

CCS war hierzulande von 2004 bis 2017 bei Ketzin in Brandenburg, rund 40 Kilometer westlich von Berlin, getestet worden. Dort wurde CO2 aus einem Lausitzer Braunkohlekraftwerk des Energiekonzerns Vattenfall in rund 650 Metern Tiefe in porösen Sandstein eingelagert.

Der Plan von RWE für eine CO2-Verpressung in Schleswig-Holstein führte dort 2009 zu heftigen Bürgerprotesten. Das CCS-Gesetz, 2013 von der schwarz-gelben Koalition beschlossen, bedeutete dann ein faktisches Aus für den Einsatz der Technik.