Infrarotaufnahme: Eine Hand steckt einen Stecker in die Steckdose, der Stecker scheint rot zu glühen, alles andere sind Blautöne.
Was macht der Stromanbieter mit dem Geld der Kunden? Erst wenn das geklärt ist, bekommt Strom eine Farbe. (Foto: Gerd Altmann/​Pixabay)

Haben Sie, weil Greta vor dem schwedischen Parlament demonstriert, überlegt, zu Hause auf Ökostrom umzusteigen? Das Vergleichsportal Verivox jedenfalls stellte so einen Zusammenhang her und verkündete jüngst, der Klimawandel und seine Folgen seien "dank Greta Thunberg" gerade in aller Munde – und auch Ökostrom rücke "verstärkt in den Fokus der Verbraucher".

Das Letztere untermauert Verivox mit eigenen Zahlen. Entschieden sich im Juni 2018 Kunden auf dem Portal für einen neuen Anbieter, wechselte ein Drittel (33 Prozent) in einen Ökostromtarif. Ein Jahr später, im Juni 2019, ist der Anteil auf mehr als die Hälfte (58 Prozent) gestiegen.

Es ist sicher gut, dass auf einem Vergleichsportal mehr Kunden Ökostrom wählen. Wie hoch deren Zahl aber wirklich ist, bleibt unklar. Bundesweit wechseln jährlich etwas mehr als sechs Millionen Verbraucher ihren Stromanbieter. Fast zwei Drittel davon tun das über Vergleichsportale wie Verivox oder Check 24. Wie groß davon wiederum der Marktanteil von Verivox ist, dazu macht das Portal keine Angaben. Was das Plus an Prozenten wirklich wert ist, ist insofern fraglich.

Und was Greta angeht: Der Kundentrend zum erneuerbaren Strom hat für die großen Ökostromer hierzulande schon weit vor den Schulstreik-Aktionen begonnen, wie eine Umfrage von Klimareporter° ergab.

Hitzesommer machte nachdenklich

"Die Auseinandersetzungen um den Hambacher Forst, die wenig zufriedenstellende Arbeit der Kohlekommission und nicht zuletzt die verheerende Sommerdürre haben viele Menschen bewogen, zu einem ökologischen Stromanbieter zu wechseln", fassten beispielsweise die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) kürzlich das Geschäftsjahr 2018 zusammen. 

2017 und 2018 habe EWS jeweils knapp 11.000 Kunden gewinnen können, ergänzt Sprecherin Petra Völzing. Zum Jahreswechsel auf 2019 sei dann die 200.000er-Marke bei den Kunden überschritten worden.

Um ein Drittel lagen bei der Naturstrom AG im ersten Halbjahr 2019 die Vertragseingänge über denen des Vorjahreszeitraums, teilt das Unternehmen mit. Jede Woche gebe es "Vertragseingänge im mittleren bis hohen dreistelligen Bereich".

Seit den Protesten im Hambacher Wald im letzten Herbst zeigten die steigenden Zahlen, dass sich in der Gesellschaft "etwas gedreht hat", bestätigt Naturstrom-Vorstand Oliver Hummel die Sicht von EWS. "Das Bewusstsein wächst, dass wir beim Klimaschutz langsam Ernst machen müssen, bevor es zu spät ist."

Und noch ein weiterer Ökostromer verbindet das gewachsene Interesse mit den Protesten gegen das Abholzen des Hambacher Forstes im letzten Herbst: "Seitdem haben wir eigentlich keine Delle mehr bei der Kundennachfrage gehabt", sagt Michael Friedrich von Greenpeace Energy.

"Auch wegen des Hitzesommers 2018 fragen sich die Leute stärker, was sie selbst im eigenen Land gegen den Klimawandel tun können – und wechseln zu Ökostrom." In diesem Jahr, so Friedrich, seien die Erwartungen des Unternehmens ebenfalls schon "deutlich" übertroffen worden.

Beim größten Ökostromanbieter Lichtblick lag die Kundenzahl laut Unternehmensangaben in den letzten Jahren ziemlich stabil um 530.000 – seit Jahresanfang sei sie auf knapp 550.000 gestiegen. Ziel sei es, in Zukunft eine Million Verbraucher mit Lichtblick-Ökostrom zu versorgen.

Ökostrom nicht mehr teuer

Dass sich die Verbraucher leichter für Grünstrom entscheiden, hat für Michael Friedrich von Greenpeace Energy aber auch damit zu tun, dass inzwischen die Preise selbst hochwertiger Ökotarife in der Regel unter denen des jeweiligen Grundversorgers lägen. Wer von diesem zu einem Ökoanbieter wechsele, könne bares Geld sparen.

Wo sind die Ökostrom-Siegel?

"Beim Ökostrom-Vergleich auf Gütesiegel achten", empfiehlt Verivox, das zu den größten Vergleichsportalen zählt, und nennt als Siegel mit den strengsten Kriterien OK-Power und Grüner-Strom-Label.

Diese Siegel zu finden ist aber auf dem Verivox-Portal äußerst kompliziert. Eine Einschränkung der Suche auf Ökotarife mit Gütesiegel ist nicht möglich. Aber auch die Treffer-Liste mit den schließlich von Verivox ausgewählten Ökotarifen zeigt diese Siegel nicht an.

Ganz oben in der Treffer-Liste stehen in der Regel Tarife großer Anbieter, in denen das Wort "Anzeige" deutlich kleiner ist als der Vermerk "Verivox-geprüft". Statt der unabhängigen Ökosiegel zeigt die Liste allerlei Auszeichnungen, die von den Anbietern selbst oder von Verivox vergeben werden.

Um die Siegel zu sehen, müssen Wechselwillige bei jedem der zahlreichen Tarife extra nachschauen, und zwar nicht bei den Tarifdetails, sondern bei einem eigenen kleinen "Öko"-Button in der Ecke. Die Siegel werden dann genannt, aber das Logo oder ein Link werden nicht angezeigt.

Auf seiner Ökostromseite gibt Verivox auch einen Hinweis auf "reine Ökostromanbieter" wie Lichtblick, Greenpeace Energy und EWS. Der Kunde wird aber auch hier nur zum allgemeinen Ökostrompreisvergleich geführt. Dort tauchen die genannten unabhängigen Anbieter zunächst gar nicht auf.

Das geschieht offenbar nur, wenn der Interessent die voreingestellten Filter verändert – in Fenstern, die teilweise erst einmal ausgeklappt werden müssen. Eine dieser versteckten Optionen ist die "direkte Wechselmöglichkeit", worunter Verivox den Anbieterwechsel über sein eigenes Portal versteht. (mb)

Auch Verivox wirbt damit, dass sich mit einem Wechsel vom jeweiligen Grundversorger zu einem Ökotarif mit empfehlenswerten Bedingungen und Gütesiegel kräftig sparen lässt. Ein Vier-Personen-Haushalt könne so seine jährliche Stromrechnung zurzeit um 194 Euro senken, gibt das Portal an.

Selbst wenn die Kunden nicht bei den meist teureren Grundversorgern sind, wechseln sie zu Ökotarifen, beobachtet Verivox weiter. "Gerade weil der Preisunterschied zwischen den günstigsten Anbietern und den günstigsten Ökostromanbietern nicht allzu groß ist, steigt jetzt der Ökostromanteil wieder", meint Verivox-Energieexperte Valerian Vogel. "Wer zu einem günstigeren Stromanbieter wechseln möchte und gleichzeitig ökologisch eingestellt ist, greift jetzt wieder verstärkt zu Ökostrom."

Das Preisargument könne übrigens noch stärker wirken, sofern die Bundesregierung nach der Sommerpause eine sektorenübergreifende CO2-Abgabe auf den Weg bringt, bemerkt Naturstrom-Vorstand Hummel. "Es ergibt einfach keinen Sinn, dass zum Beispiel der Endverbraucherpreis für Heizöl mit deutlich weniger Steuern und Abgaben belastet wird als der Preis für Ökostrom."

Mehr Klarheit bei den Labeln

Wichtig ist den Kunden nicht nur der Preis – sie interessieren sich auch stärker für die Details der Tarife und die ökologische Herkunft des Stroms, beobachtet Michael Friedrich von Greenpeace Energy. Vielen sei inzwischen klar, dass es große Unterschiede zwischen tatsächlich und nur vermeintlich grünen Stromangeboten gebe.

Damit stellt Friedrich auf den Umstand ab, dass Börsenstrom mit einem hohen Anteil an Kohle- und teils auch Atomstrom durch zugekaufte Herkunftszertifikate etwa aus norwegischer Wasserkraft auf dem Papier "grün" wird. Tatsächlicher grüner Strom stamme dagegen, wie er betont, aus erneuerbaren Energien, vor allem Wind und Sonne, samt entsprechender Nachweise.

Verivox rät seinerseits denjenigen, die sich für Ökostrom entscheiden und tatsächlich etwas für den Klimaschutz tun wollen, nach  den Gütesiegeln zu schauen. "Sie stellen sicher, dass ein Teil der Einnahmen in den Bau neuer Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung zurückfließt", sagt Vogel. Die strengsten Kriterien legen dabei das OK-Power- und das Grüner-Strom-Label an.

Auf der Verivox-Startseite für Strom gibt es seit 2017 einen Button, mit dem man die Ökostromtarife aufrufen kann. Allerdings sagt das dann auch bei Ökotarifen prangende Verivox-Zertifikat nichts darüber aus, von welcher Qualität der Ökostrom ist. Dazu muss man sich bei jedem einzelnen Tarif ziemlich mühsam durchklicken.

Eine Vorauswahl der mit Labeln wie OK-Power oder Grüner Strom gekennzeichneten Ökotarife – beispielsweise über einen Auswahlfilter – sei derzeit nicht möglich, räumt Verivox gegenüber Klimareporter° ein. Man plane aber, einen solchen Filter einzuführen, wenn Nutzer diesen in Tests als "hilfreich" einschätzen.

Nun – vielleicht fragt Verivox mal bei Greta und ihren Mitstreitern nach, ob sie so eine Wahlmöglichkeit für hilfreich halten.

Redaktioneller Hinweis: Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking ist Kuratoriumsmitglied von Klimareporter°.

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